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Detlev Schlichter: Verlieren die Zentralbanker die Kontrolle?

13.06.2013  |  Presse
Die letzten Wochen waren höchst interessant. Erinnern wir uns daran, dass Japan (von bestimmten regionalen Unterschieden abgesehen) seit mehr als zwei Jahrzehnten hinsichtlich makroökonomischer Verschlechterung und Geldpolitik der globale Trendsetter ist. Japan hatte als erstes Land eine große Immobilien- und Banken-Bubble, die auch als erstes platzte, danach folgten jahrelang Zinssätze von 1%, dann der Nullzins und anschließend viele Runden quantitativer Lockerungsprogramme. Der Westen folgte jedem dieser Schritte in der Regel mit einem zeitlichen Abstand von ungefähr 10 Jahren, auch wenn er in letzter Zeit aufzuholen schien.

Japan ist derzeit das erste Land, das “alles auf eine Karte setzt" und ein tabuloses Gelddruckprogramm durchsetzt, das (angeblich) die Wirtschaft stimulieren soll - auch bekannt als “Abenomics”, benannt nach Japans neuem Premierminister Japans, Shinzo Abe, der neuen Gallionsfigur des politischen Hyperaktivismus‘. Ich gehe davon aus, dass der Westen bald folgen wird. Mein erster Kandidat ist dahingehend Großbritannien. Warten wir ab, bis Mr. Carney sein neues Amt antritt und sich dem “monetären Aktivismus“ verschreibt. Schon von Carnenomics gehört?

Das eigentlich Interessante an den jüngsten Entwicklungen in Japan ist aber Folgendes: Anfänglich verhielten sich die Märkte genau so, wie die Zentralbanker das angedacht hatten. Sie stiegen. Im Mai vollzog sich allerdings eine erstaunliche und abrupte Wende hin zum Schlechten. Innerhalb von nur acht Handelstagen brach der Nikkei-Aktienindex um 15% ein. Eingeleitet wurde dies von kräftigen Kursverlusten am Rentenmarkt!

Erkennen die Märkte langsam, dass all diese Bubbles auch irgendwann platzen müssen und dass irgendwann eben auch jetzt sein könnte? Weigern sich die Märkte langsam, nach der Pfeife der Zentralbanker und deren Druckerpressen zu tanzen? Verlieren die Zentralbanker die Kontrolle?


“Sell in May and Go Away”

Drehen wir die Zeit einen Moment zurück, nur ein klein wenig. Gehen wir noch mal zurück in den April 2013. Damals schrieb ich, dass die Zentralbanker aus geldpolitischer Sicht gerade von “optimalen Umgebungsvariablen“ profitierten. Sie pumpten entweder viel Liquidität in die Märkte oder versprachen, im Fall der Fälle genau das zu tun; und sie alle hielten ihre Leitzinsen nahe null und versprachen, sie auch dort zu lassen. Einige zogen sogar schon ”negative Leitzinsen” in Betracht. Trotz aller geldpolitischen Lockerungen blieben die offiziellen Inflationsquoten bemerkenswert verhalten, in einigen Ländern sanken sie sogar leicht, während alle Märkte für Vermögensanlagen Feuer gefangen hatten: Staatsanleihen, Junk-Anleihen, Aktien.

Alle Märkte hatten Allzeithochs erreicht oder bewegten sich knapp darunter, was unbestreitbar zum großen Teil auf das superbillig und -massig verfügbare Geld zurückzuführen ist. Selbst der US-Immobilienmarkt kam mit Vehemenz zurück. Anfang April bekamen die Zentralbanker dann auch noch einen Extrabonus: Ihr Erzfeind - der Goldmarkt - schmierte ab. Ich bin sicher, dass Mr. Bernanke in dieser Zeit sehr gut schlafen konnte: Steil steigende Finanzanlagen, die fröhlich nach der Pfeife der monetären Bürokratie tanzten - als ginge sein Plan, die Welt mit neuen Bubbles zu retten, tatsächlich auf. Die Zyniker und Ketzer am Goldmarkt, jene unausstehlichen Spinner, die den heutigen, aufgeklärten Politik-Pragmatismus in Zweifel ziehen, wurden förmlich mit der Axt gefällt.

Dann kam aber der Mai und die Zeit der Kurshochs war überall vorbei.

In den Medien wird das aber etwas anderes dargestellt. Hier bevorzugt man die Phase der “wiederkehrenden Volatilität“, die auch zu verstehen gibt, dass schon morgen wieder alles bestens sein könnte. Und das kann es durchaus auch. Vielleicht ist es nur eine kurze Spannungsschwankung. Aber was, wenn nicht? Und vor allem: Was steckt hinter dieser Schwäche?

Es wird viel darüber diskutiert, dass die Fed ihre quantitativen Lockerungsprogramme “langsam auslaufen“ lassen könnte - über die Möglichkeit, dass sie ihre beispiellos große und jetzt extrem alkoholhaltige Punschschüssel ganz, ganz vorsichtig und behutsam wegrückt. Seit einiger Zeit regen sich auch innerhalb der Fed Bedenken gegenüber Endlos-QE, es gibt sogar regelrechten Widerstand. Somit besteht natürlich ein Risiko (die Möglichkeit?), dass die Fed ihren Ankauf von Wertpapieren einschränkt oder sogar aussetzt. (Zur Erinnerung: Seit Jahresbeginn hat die Fed die monetäre Basis schon um mehr als 340 Mrd. $ ausgeweitet; sollte die Akkumulation ungebremst anhalten, würde die Fed dann bis Jahresende ungefähr 1.000 Mrd. $ geschöpft haben.)




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