Der skeptische Inflationist
10.10.2011 | Steve Saville
Es folgt ein Auszug aus einem Kommentar, der ursprünglich am 02. Oktober 2011 auf www.speculative-investor.com veröffentlicht wurde.
Viele Investoren stecken sich selbst in die Schubladen "Inflationist" oder "Deflationist", wobei ein Inflationist als jemand gilt, der für die unmittelbar anstehenden Jahre von mehr Inflation ausgeht. Der Deflationist erwartet hingegen Deflation. Sie klammern sich dann an Indizien und Belege, die ihre Positionierung in der Inflation-Deflation-Debatte bestätigen und übersehen dabei mit flüchtigem Blick (auch mutwillig) jene des entgegengesetzten Lagers. Anders ausgedrückt: Anstatt unvoreingenommen zu sein und die Indizien selbst für sich sprechen zu lassen, "grasen" sie die Indizien ab, um ihre lieb gewonnenen Ansichten bestätigen zu können. Das ist eine unvernünftige Methode, denn keiner kennt die Zukunft. Anstatt sich unbeirrt auf eine Seite der großen Debatte zu schlagen, wäre es wohl vernünftiger, den Argumenten beider Seiten skeptisch gegenüberzustehen. Das sollte eigentlich ein allgemeingültiger Ansatz sein und nicht nur für die Debatte um Inflation oder Deflation gelten.
Wir sind im Inflationisten-Lager, weil die Argumente für mehr Inflation insgesamt schwerwiegend sind. Würden die Argumente für Inflation in den USA auf steigender Kreditvergabe der Geschäftsbanken fußen, wären wir wohl im Deflationisten-Lager. Denn selbst wenn die Geschäftsbanken eifrig ihre Kreditportfolios ausbauen wollten (was mit größter Sicherheit derzeit nicht der Fall ist), so gibt es doch einen Mangel an willigen, kreditwürdigen Personen, die sich bei den Banken Geld leihen möchten.
Wir stellen erstens fest, dass laut jüngster NFIB-Umfrage (National Federation of Independent Business) mehr als 90% der US-Kleinunternehmen angeben, ihr Kreditbedarf sei zur Zeit vollends gedeckt. Das heißt also, dass weniger als 10% der privaten Unternehmen mehr Kredite aufnehmen würden - und wahrscheinlich ist es auch so, dass nur ein kleiner Teil dieser Unternehmen überhaupt kreditwürdig ist. Zweitens stellen wir fest, dass die Großunternehmen allgemein über hinreichende Geldmittel verfügen; und falls sie zukünftig Kredite aufnehmen sollten, werden sie diesbezüglich eher den Markt für Unternehmensanleihen anzapfen, als Kredite bei Banken aufzunehmen (d.h. sie zapfen damit das schon existierende Geldangebot an). Damit bleibt nur noch der "Konsument" als potentieller Motor des Kreditwachstums im Privatsektor und der monetären Inflation. Mit einer Arbeitslosenquote von 15% - 20%, einem langfristigen Bärenmarkt bei den Privatimmobilien und einer historisch betrachtet hohen Privatverschuldung, würden wir unsere Hand nicht für einen neuen großen Aufwärtstrend bei den Verbraucherkrediten ins Feuer legen.
Der Grund, weshalb wir zur Inflation tendieren, ist nun folgender: Das Inflationsargument hängt nicht von steigender Kreditaufnahme des Privatsektors ab. Es hängt vom Vermögen und der Bereitschaft der Federal Reserve ab, Schulden in einem solchen Umfang zu monetisieren, dass das Gesamtgeldangebot weiter wächst. Seit 10 Jahren haben wir in unseren Kommentaren immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fed die Inflationierung aufrechterhalten könnte und würde, sollten der Privatsektor mit Schulden gesättigt sein.
Bis 2008 sprachen die empirischen Erfahrungswerte in Grunde gegen eine inflationäre Politik der Fed - im Fall, die Kreditmengen des privaten Sektors würden schrumpfen. Dank der Ereignisse der Jahre 2008-2009 wissen wir jetzt mit Sicherheit, dass die Fed die Fähigkeit besitzt, den Effekten eines weitreichenden Schuldenabbaus im Privatsektor entgegenzuwirken. Damit stellt sich nur noch eine Frage: Wird sich die Fed entscheiden, alles erdenklich Mögliche zu unternehmen, um die Inflation auch in Zukunft aufrechtzuerhalten?
Den öffentlichen Aussagen derjenigen nach zu urteilen, die an den monetären Hebeln der Macht sitzen und mit Blick auf die ökonomischen Rezepte der einflussreichsten Ökonomen und Finanzjournalisten, dürfte die Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit "Ja" sein (um ein Beispiel zu geben, verweisen wir auf den Artikel eines einflussreichen Finanzjournalisten, der glaubt, es wäre an der Zeit, Geld in großen Stil zu drucken). Die Wahrscheinlichkeit bleibt zumindest solange hoch, solange die Angst vor Deflation viel stärker wirkt als die Angst vor Infaltion. Die Fed muss aber vorsichtig sein. Sie möchte keinen (zumindest nehmen wir das an) APRUPTEN Einbruch der Dollar-Kaufkraft erreichen; also wird sie bei jedem weiteren Schritt versuchen, nur das absolut Notwenige zu tun, um im Endeffekt einen stetigen Verfall der Kaufkraft zu erreichen.
Die Fed wie auch alle anderen Zentralbanken haben jedoch ein Problem: Es ist ihnen nie möglich, präzise und in Echtzeit zu entscheiden, was überhaupt das "absolut Notwendige" ist, da die Änderungen des Geldangebots die Wirtschaft unvorhersehbar und mit großen/ veränderlichen Verzögerungen beeinflussen. Somit schwankt die Wirtschaft hin und her, und gelegentlich bekommen wir Phasen der Deflationsangst (Zeiten, in denen es so scheint, als würde echte Deflation einsetzen). Diese Phasen der Deflationsangst wirken in der Tendenz aber deutlich inflationär, da sich die Fed nun veranlasst sieht, die Geldzufuhr deutlich zu erhöhen. Und während solcher Phasen der Deflationsangst hat man allgemein das Gefühl, die Deflationisten behielten letztendlich Recht.
Wir wollen die Möglichkeit, dass die Deflationisten letztendlich Recht behalten, gar nicht in Abrede stellen. Wir hoffen, dass sie Recht behalten werden, denn noch mehr Inflation wird die zukünftigen Probleme nur noch weiter verschärfen. Doch letztendlich wetten die Deflationisten darauf, dass die Anhänger der Ideologie der zentralen Planung plötzlich ihren Fehler erkennen und der Natur ihren freien Lauf lassen. Und die Wettchancen stehen deutlich gegen sie.
© Steve Saville
www.speculative-investor.com
Regelmäßige Finanzmarktprognosen und -analysen stehen auf unserer Webseite www.speculative-investor.com zur Verfügung. Zurzeit bieten wir keine kostenlosen Probeabos an, aber Gratisbeispiele unserer Arbeit (Auszüge aus unseren regelmäßig erscheinenden Kommentaren) können Sie unter www.speculative-investor.com/new/freesamples.html abrufen.
Dieser Artikel wurde am 02. Oktober 2011 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.
Viele Investoren stecken sich selbst in die Schubladen "Inflationist" oder "Deflationist", wobei ein Inflationist als jemand gilt, der für die unmittelbar anstehenden Jahre von mehr Inflation ausgeht. Der Deflationist erwartet hingegen Deflation. Sie klammern sich dann an Indizien und Belege, die ihre Positionierung in der Inflation-Deflation-Debatte bestätigen und übersehen dabei mit flüchtigem Blick (auch mutwillig) jene des entgegengesetzten Lagers. Anders ausgedrückt: Anstatt unvoreingenommen zu sein und die Indizien selbst für sich sprechen zu lassen, "grasen" sie die Indizien ab, um ihre lieb gewonnenen Ansichten bestätigen zu können. Das ist eine unvernünftige Methode, denn keiner kennt die Zukunft. Anstatt sich unbeirrt auf eine Seite der großen Debatte zu schlagen, wäre es wohl vernünftiger, den Argumenten beider Seiten skeptisch gegenüberzustehen. Das sollte eigentlich ein allgemeingültiger Ansatz sein und nicht nur für die Debatte um Inflation oder Deflation gelten.
Wir sind im Inflationisten-Lager, weil die Argumente für mehr Inflation insgesamt schwerwiegend sind. Würden die Argumente für Inflation in den USA auf steigender Kreditvergabe der Geschäftsbanken fußen, wären wir wohl im Deflationisten-Lager. Denn selbst wenn die Geschäftsbanken eifrig ihre Kreditportfolios ausbauen wollten (was mit größter Sicherheit derzeit nicht der Fall ist), so gibt es doch einen Mangel an willigen, kreditwürdigen Personen, die sich bei den Banken Geld leihen möchten.
Wir stellen erstens fest, dass laut jüngster NFIB-Umfrage (National Federation of Independent Business) mehr als 90% der US-Kleinunternehmen angeben, ihr Kreditbedarf sei zur Zeit vollends gedeckt. Das heißt also, dass weniger als 10% der privaten Unternehmen mehr Kredite aufnehmen würden - und wahrscheinlich ist es auch so, dass nur ein kleiner Teil dieser Unternehmen überhaupt kreditwürdig ist. Zweitens stellen wir fest, dass die Großunternehmen allgemein über hinreichende Geldmittel verfügen; und falls sie zukünftig Kredite aufnehmen sollten, werden sie diesbezüglich eher den Markt für Unternehmensanleihen anzapfen, als Kredite bei Banken aufzunehmen (d.h. sie zapfen damit das schon existierende Geldangebot an). Damit bleibt nur noch der "Konsument" als potentieller Motor des Kreditwachstums im Privatsektor und der monetären Inflation. Mit einer Arbeitslosenquote von 15% - 20%, einem langfristigen Bärenmarkt bei den Privatimmobilien und einer historisch betrachtet hohen Privatverschuldung, würden wir unsere Hand nicht für einen neuen großen Aufwärtstrend bei den Verbraucherkrediten ins Feuer legen.
Der Grund, weshalb wir zur Inflation tendieren, ist nun folgender: Das Inflationsargument hängt nicht von steigender Kreditaufnahme des Privatsektors ab. Es hängt vom Vermögen und der Bereitschaft der Federal Reserve ab, Schulden in einem solchen Umfang zu monetisieren, dass das Gesamtgeldangebot weiter wächst. Seit 10 Jahren haben wir in unseren Kommentaren immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fed die Inflationierung aufrechterhalten könnte und würde, sollten der Privatsektor mit Schulden gesättigt sein.
Bis 2008 sprachen die empirischen Erfahrungswerte in Grunde gegen eine inflationäre Politik der Fed - im Fall, die Kreditmengen des privaten Sektors würden schrumpfen. Dank der Ereignisse der Jahre 2008-2009 wissen wir jetzt mit Sicherheit, dass die Fed die Fähigkeit besitzt, den Effekten eines weitreichenden Schuldenabbaus im Privatsektor entgegenzuwirken. Damit stellt sich nur noch eine Frage: Wird sich die Fed entscheiden, alles erdenklich Mögliche zu unternehmen, um die Inflation auch in Zukunft aufrechtzuerhalten?
Den öffentlichen Aussagen derjenigen nach zu urteilen, die an den monetären Hebeln der Macht sitzen und mit Blick auf die ökonomischen Rezepte der einflussreichsten Ökonomen und Finanzjournalisten, dürfte die Antwort mit hoher Wahrscheinlichkeit "Ja" sein (um ein Beispiel zu geben, verweisen wir auf den Artikel eines einflussreichen Finanzjournalisten, der glaubt, es wäre an der Zeit, Geld in großen Stil zu drucken). Die Wahrscheinlichkeit bleibt zumindest solange hoch, solange die Angst vor Deflation viel stärker wirkt als die Angst vor Infaltion. Die Fed muss aber vorsichtig sein. Sie möchte keinen (zumindest nehmen wir das an) APRUPTEN Einbruch der Dollar-Kaufkraft erreichen; also wird sie bei jedem weiteren Schritt versuchen, nur das absolut Notwenige zu tun, um im Endeffekt einen stetigen Verfall der Kaufkraft zu erreichen.
Die Fed wie auch alle anderen Zentralbanken haben jedoch ein Problem: Es ist ihnen nie möglich, präzise und in Echtzeit zu entscheiden, was überhaupt das "absolut Notwendige" ist, da die Änderungen des Geldangebots die Wirtschaft unvorhersehbar und mit großen/ veränderlichen Verzögerungen beeinflussen. Somit schwankt die Wirtschaft hin und her, und gelegentlich bekommen wir Phasen der Deflationsangst (Zeiten, in denen es so scheint, als würde echte Deflation einsetzen). Diese Phasen der Deflationsangst wirken in der Tendenz aber deutlich inflationär, da sich die Fed nun veranlasst sieht, die Geldzufuhr deutlich zu erhöhen. Und während solcher Phasen der Deflationsangst hat man allgemein das Gefühl, die Deflationisten behielten letztendlich Recht.
Wir wollen die Möglichkeit, dass die Deflationisten letztendlich Recht behalten, gar nicht in Abrede stellen. Wir hoffen, dass sie Recht behalten werden, denn noch mehr Inflation wird die zukünftigen Probleme nur noch weiter verschärfen. Doch letztendlich wetten die Deflationisten darauf, dass die Anhänger der Ideologie der zentralen Planung plötzlich ihren Fehler erkennen und der Natur ihren freien Lauf lassen. Und die Wettchancen stehen deutlich gegen sie.
© Steve Saville
www.speculative-investor.com
Regelmäßige Finanzmarktprognosen und -analysen stehen auf unserer Webseite www.speculative-investor.com zur Verfügung. Zurzeit bieten wir keine kostenlosen Probeabos an, aber Gratisbeispiele unserer Arbeit (Auszüge aus unseren regelmäßig erscheinenden Kommentaren) können Sie unter www.speculative-investor.com/new/freesamples.html abrufen.
Dieser Artikel wurde am 02. Oktober 2011 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.