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Aktienmarkt & Stimulussucht

29.06.2013  |  Steve Saville
Hatte der ehemalige Fed-Chef Paul Volcker Recht, als er mit Blick auf die quantitativen Lockerungsprogramme sagte, dass deren "positive Effekte […] begrenzt scheinen und mit der Zeit abnehmen." Das ist die 85 Mrd. $-Frage, die sich die Wall Street gerade stellt. Eine ehrliche Antwort des aktuellen Fed-Chefs Bernanke wäre sehr hilfreich, um der Wirtschaft eine Heilung ihrer Wunden zu ermöglichen, die von den Exzessen der letzten 10 Jahre stammen.

Ab Mai zeigte sich immer deutlicher, dass der Anleihenmarkt mit steigenden Zinsen "die komplette Eliminierung der quantitativen Lockerungen [einpreist], obgleich Eliminierung doch schließlich das Endziel ist", so der für das US-Magazin "Barron‘s“ schreibende Kolumnist Gene Epstein. Die Fed sieht sich daher mit einem Paradox konfrontiert: Sie begann ihre Politik der quantitativen Lockerungen (QE), um bei der Stabilisierung und der Stärkung der Wirtschaft zu helfen; aber auch nach über vier Jahren QE löst allein die Androhung eines Endes der Finanzstimuli Angst unter Investoren aus. Den Reaktionen des Aktienmarktes in den vergangenen Wochen nach zu urteilen, kann die Wall Street offensichtlich nicht ohne QE leben.

Das wirft auch die Frage auf, wie effektiv QE beim Aufbau struktureller Stärke in der Wirtschaft eigentlich gewesen ist, denn der Aktienmarkt ist weiterhin schwach und die Einkommen der Mittelklasse weisen seit Krisenbeginn keine Erholung auf. Die Mittelklasse ist das Rückgrat der Wirtschaft, und wenn sie nicht partizipiert, kann die wirtschaftliche Erholung nicht als wirksam oder erfolgreich eingestuft werden.

Nach viereinhalb Jahren QE können wir durchaus einige Schlüsse über die Nützlichkeit von QE ziehen. Erstens: QE lässt sich mit einer Stimulanz vergleichen, die dem Opfer eines Autounfalls verabreicht wird, das vor allem aber Zeit und Ruhe benötigt, um wieder zu gesunden. Der Stimulus mag den Körper zwar vorgaukeln können, die Erholung erfolge viel schneller als sie von der Natur beabsichtigt war. Der Versuch der Verkürzung natürlicher Prozesse beschert dem Körper aber nur einen metabolischen Schub, ohne jedoch etwas an den grundlegenden Gesundheitsproblemen zu ändern.

Zweitens gewährt QE, wie Volcker schon angedeutet hatte, insgesamt nur rückläufige Erfolgsergebnisse. Das zeigen auch die jüngsten Erfahrungen in China, den USA und auch in Japan, wo der Aktienmarkt wieder um 20 % nachgab. QE konnte die versprochene Belebung des Arbeitsmarktes nicht erreichen, die geldpolitischen Lockerungen führten zudem in erster Linie zu erhöhtem Konsumverhalten in den gehobenen Verbraucherschichten; an den Verbrauchern der mittleren und niedrigeren Klassen sind die positiven Effekte vorbeigegangen.

Zudem hat sich die Grundannahme, QE nutze den Unternehmen, die mit ihren Gewinnen wiederum für mehr Beschäftigung sorgen würden, als falsch herausgestellt. QE ließ in der Tat die Unternehmensgewinne durch steigende Aktienmarktkurse wachsen, die Unternehmen nutzten diese Gewinne aber, um die Beschäftigungszahlen durch verschiedene effizienzsteigernde Maßnahmen abzubauen. Zudem wurden die Gewinne der größten multinationalen Firmen bei ausländischen Banken gehortet, anstatt sie direkt in die einheimische Produktion zu reinvestieren. Die amerikanischen Erwerbstätigen haben herzlich wenig von diesen Rekordgewinnen mitgenommen, während sich der Staatsapparat auf Kosten der Steuerzahler vergrößert hat.

Und als ob das noch nicht reichen würde, müssen wir jetzt auch noch mit der perfiden Möglichkeit rechnen, dass ein “Herunterfahren“ der Fed-Stimuli zu deutlich sinkenden Aktienkursen führen kann. Das würde wiederum zur Neutralisierung eines großen Teils der Erholung beitragen, die es in im High-End-Bereich der Wirtschaft gegeben hatte, und auch das gesamte fünfjährige QE-Experiment wäre unterminiert.

Die US-Amerikaner jetzt auf Haushaltsvermögen von insgesamt 70 Billionen $ verweisen, ein neuer Rekordwert. Diese Zuwächse lassen sich jedoch hauptsächlich auf die positiven QE-Effekte für Pensionsfonds und Immobilienwerte zurückführen. Wie Robert J. Samuelson in der Washington Post anmerkte, gaben die US-Amerikaner vor der Krise 2008 von jedem Dollar, der bei Immobilien und Aktienbesitz gewonnen wurde, in der Regel wieder 5 Cents aus. Jetzt sei es bestenfalls noch die Hälfte. Grund dafür sei, so Samuelson, dass sich die Haushalte immer noch nicht von den vor 5-6 Jahren gemachten Verlusten erholt hätten. Die Immobilienpreise liegen unterdessen immer noch 22% unter ihren Höchstständen von 2006.

Eine noch größere Rolle für die rückläufige Konsumtendenz der US-Haushalte spielen aber psychologische Faktoren. “Unbekümmerter Optimismus ist hartnäckiger Vorsicht gewichen.”, so Samuelson. “Die Amerikaner haben am eigenen Leib erfahren, dass ihre Immobilien und Aktien Risikoanlagen sind […]”, diese Anlagen, so Samuelson, werden nicht mehr im selben Ausmaß wie früher als Sicherheit für erneute Kreditaufnahme betrachtet. Er nennt dies eine “sensationelle Verhaltensänderung” und weist auch darauf hin, mit welchem Dilemma die politischen Entscheidungsträger nun konfrontiert sind: Wie will man Wachstum erzeugen, wenn die Bürger eine defensive Haltung einnehmen und "sich Schranken setzen gegen Risiken, die sie nicht vorhersehen können".

Bernankes jüngste Andeutung, die Fed könnte im weiteren Jahresverlauf mit dem “Herunterfahren" der Stimuli beginnen, zeigt nun ganz deutlich, dass er nicht erkennt, wie abhängig die Wall Street von den Stimuli ist und welche Rolle sie im Kontext der deflationären Gegenkraft des 120-jahre-Zyklus spielen. Der Fed gelang die Reinflation der Aktien- und Immobilienwerte, weil sie seit Jahren unablässig gegen diesen langfristigen Zyklus ankämpft. Wer jetzt bremst, erlaubt der Deflation, dass sie sich ihren Weg bis ins Jahr 2014 bahnt, wo der Zyklus schließlich seine Talsohle erreicht.


Gold

In den vergangenen Kommentaren hatten wir mit Blick auf den Tageschart für Gold-Futures (Basis August) festgestellt, dass sich hier die wohlbekannte Formation eines “sinkenden Dreiecks“ abzeichnete. In einer jüngst erschienenen Prognose machte auch ein Analyst der Bank of America öffentlichkeitswirksam auf dieses Muster aufmerksam. Unseren Chart-Messungen zufolge lag das Abwärtsziel dieses Musters ungefähr im Bereich von 1.250 $. Gold erreichte dieses minimale Abwärtsziel bei 1.250 $ dann auch und unterschritt es sogar (im Nachthandel waren es 1.245 $).

Man darf aber nicht vergessen, dass es sich bei jenen 1.250 $ um MINIMALES Abwärtsziel handelt. Man darf sich also nicht wundern, wenn wir in den nächsten Tagen noch Folgeschwäche bekommen, solange bis die Investoren ihre Emotionen überwunden haben. Gerade die kleineren Investoren, vor allem jene, die sich im April mit Gold eingedeckt hatten, verkaufen immer noch größere Mengen - angeheizt wird diese Situation zudem noch durch fast tagtäglich einströmenden negativen Marktanalysen der Großbanken.

Goldinvestoren müssen sich etwas in Geduld üben und darauf warten, dass der Markt zu seiner eigenen Zeit einen Boden bildet. Wir werden diesen Markt im Auge behalten und nach Hinweisen suchen, die zeigen, dass das Ende der Kapitulation erreicht ist und eine neue Akkumulationsphase einsetzt (die auch stattfinden wird, sobald die “schwachen Hände“ komplett vom Markt verdrängt wurden).


© Steve Saville
www.speculative-investor.com


Regelmäßige Finanzmarktprognosen und -analysen stehen auf unserer Webseite www.speculative-investor.com zur Verfügung. Zurzeit bieten wir keine kostenlosen Probeabos an, aber Gratisbeispiele unserer Arbeit (Auszüge aus unseren regelmäßig erscheinenden Kommentaren) können Sie unter www.speculative-investor.com/new/freesamples.html abrufen.

Dieser Artikel wurde am 27. Juni 2013 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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