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Martin Armstrong: Das gesamte globale Geldsystem muss erneuert werden

01.11.2011  |  Jim Puplava
Martin Armstrong im Interview mit James J. Puplava

James J. Puplava: Reden wir über vielleicht über einen der Gründe, warum QE 2 scheiterte. Wird es Ihrer Ansicht nach noch QE 3 und QE 4 geben, im Fall die Konjunktur kühlt sich ab? An der Wall Street gehen einige zumindest davon aus.

Martin Armstrong: Zumindest haben sie das Gefühl, etwas tun zu müssen. Ganz ehrlich, ich denke, sie begreifen, dass sie nicht einfach aufhören können, weil wir in einer Weltwirtschaft leben. Denken Sie nur an das QE 2-Konzept: Ok, man kauft also Anleihen mit 30-jähriger Laufzeit und kassiert sie ein. Somit müsste es theoretisch eine Knappheit bei langfristigen Schuldverschreibungen geben, ergo, es wird wieder mehr Geld in den Hypothekenmarkt gesteckt. Und daran sieht man wieder das Problem dieser kurzsichtigen Weltsicht. China sagte nur: "Oh, vielen Dank!" und sie verkürzten die Laufzeiten in ihrem Portfolios, indem sie die 30-Jahre-US-Anleihen verkauften und Kurzläufer mit 2 Jahren oder weniger aufnahmen.

Unser Problem ist als folgendes: Die Wirtschaft lässt sich gar nicht effektiv stimulieren, denn wenn man Geld reinpumpt, kann keiner garantieren, dass es auch dort bleibt. Es wird über Nacht exportiert. Wir wissen nicht, wer was besitzt. Wir wissen nur, dass 40% der Zinsen auf unsere Staatsschulden ins Ausland abfließen. Das heißt, die alten Wirtschaftstheorien, wo es ein festes System aus Wechselkursen und all diese Sachen gibt, die es noch nach Ende des 2.Weltkrieges gab - sie existieren einfach nicht mehr. Man muss sich wirklich einen Kopf machen und das gesamte globale Geldsystem umarbeiten und neu aufsetzen, denn keiner weiß mehr, was er macht.


James J. Puplava: Wie ist ihre Sicht auf Europa, und wie werden sich die Dinge dort entwickeln?

Martin Armstrong: Was die Europäer nicht richtig gemacht haben: Sie haben nur gedacht, sie würden eine Einheitswährung schaffen. Sie haben aber keinen einheitlichen Schuldenmarkt geschaffen, das nicht! Die Staatsschulden bleiben also bei jedem Mitgliedsland. Im Grunde schafft man damit nur ein Derivat, wobei - gut die Deutsche Mark existiert nun nicht mehr, die Griechische Drachme auch nicht mehr; wenn ich aber die griechische Staatsanleihe leerverkaufe, dann ist das so, als wäre es die Währung. Ich kann also Griechenland isolieren und einzeln verkaufen.

Der Druck zerreißt aber jetzt dieses Europa. Und man war nicht darauf vorbereitet, die Schulden zu konsolidieren, um endlich damit Schluss zu machen. Man verpasst nur Pflaster, um den Zusammenbruch aufzuhalten. Aber das wird nicht geschehen. Europa bricht unter seiner geldpolitischen Idee zusammen. Amerikanern kann ich es immer nur so erklären: Stellen Sie sich vor, welches Chaos herrschen würde, wenn all unsere 50 Bundesstaaten das Recht hätten, offiziell US-Staatsanleihen des Bundes auszugeben. Das wäre dann der reinste Selbstbedienungsladen. Und leider gibt es in Europa keine gesonderte europäische Anleihe.

Jeder Staat emittiert seine eigenen Schulden, und die Banken benutzen dann die Staatsschulden dieser unabhängigen Staaten als eigene Sicherheitsreserven, um sagen zu können, das Bankensystem ist sicher. Wenn jetzt Griechenland unter Beschuss ist und später auch die Anleihen Spaniens, Italiens etc. attackiert werden, dann werden im Grunde die Bankenreserven attackiert. Und jetzt entwickelt sich eine Bankenkrise. Also Europa ist nur… die Politik wird nicht die richtigen Maßnahmen ergreifen, und deswegen wird Europa zum hoffnungslosen Fall.


James J. Puplava: Was ist Ihre Reaktion auf die Proteste an der Wall Street und in anderen Städten der USA?

Martin Armstrong: Viele Leute meinen also, sie seien die 99%. Man scheint aber nicht wirklich zu begreifen, was es genau ändert, wenn alle Vermögen dieses einen Prozents konfisziert sind. Wird es einen Unterschied machen? Damit ist nicht einmal der Haushalt ausgeglichen. Ich meine, das ist nicht unser eigentliches Problem. Man kann auch die Steuern erhöhen wie man will, aber die Defizite gehen weit über das hinaus. Das Problem wird sich also auf diesem Weg nicht lösen lassen. Was wir wirklich brauchen, sind ernsthafte, tiefgreifende Reformen. Und wenn man sich anschaut, was beispielsweise die Tea Party zu sagen hat, dann klingt das ganz nett: Ausgeglichener Haushalt! Aber wir haben doch Schulden, die weiter anwachsen.

Es passiert ja Folgendes: Die Zinsen - die wir zahlen müssen, um diesen Schuldenberg, den wir nie abzahlen werden, zu erhalten - werden drastisch weitersteigen. Am Ende würden 100% aller Ausgaben dafür draufgehen. Man kann also den Haushalt ausgleichen, doch die Verschuldung wird dann alles andere verdrängen - angefangen von Medicare bis hin zur Arbeitslosenunterstützung. Es wird dann nichts mehr davon übrig bleiben. Ein ausgeglichener Haushalt ist also schon gar nicht mehr möglich. Was müssen tatsächlich ernsthafte, tiefgreifende Reformen durchsetzen. Seit dem 2.Weltkrieg macht der Staat nichts anderes: Sie leihen sich Geld, Jahr für Jahr. Ohne Intention, diese Geld jemals zurückzahlen zu wollen.

Man muss doch einfach nur in den nächsten Buchladen gehen und sich den Weltalmanach suchen - dieses kleine Taschenbuch. Gleich am Anfang hat man die Tabellen, die Daten zur Staatsverschuldung - und jedes Jahr listen sie auf, wie viele Zinsen gezahlt wurden. Wenn man jetzt alle Zinszahlungen zwischen 1986 und 2006 zusammenrechnet, sieht man, dass 80% des Wachstums der Staatsverschuldung allein auf Zinszahlungen zurückzuführen sind. Und davon sehen wir überhaupt nichts. Vierzig Prozent des Geldes fließt aus dem Land. Es ist doch einfach nur frappierend: Man kann einfach jedes staatliche Programm streichen, die Staatsschulden sind dann aber immer noch da! Man kommt nicht drum herum. Es ist nicht möglich - ich meine, wir müssen einfach ein neues Geldsystem schaffen. Es geht gar nicht anders. Die Schulden werden einfach alles in Beschlag nehmen, bis zu dem Punkt, wo es überhaupt keine Mittel mehr für irgendwas gibt.




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