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Nikolaus, hol die Bazooka raus

27.11.2011  |  Klaus Singer
Am 6. Dezember ist Nikolaustag. Drei Tage später soll auf einem erneuten Gipfeltreffen der Eurozone die "allerendgültigste" Lösung der Schuldenkrise des Staatenkonglomerats beschlossen werden.

Dass sich die Staatenlenker dabei den historischen Nikolaus zum Vorbild nehmen, ist wenig wahrscheinlich. Der soll als Abt in der Nähe von Myra in Lykien, dem heutigen Demre in der Türkei (kein Mitglied der Eurozone) gelebt und sein ererbtes Vermögen unter den Armen verteilt haben.

Die am 9. Dezember wieder einmal versammelten Politiker haben sich lange treiben lassen, eine Eigenschaft, die so gar nicht zu dem passt, was man von Staatenlenkern erwartet. Sie haben sich zu lange treiben lassen und so sind sie zu Getriebenen worden (und das ist aus meiner Sicht das mildest mögliche Urteil...).

Wer treibt die Getriebenen? Die "Märkte". Nachdem der von derselben Führungsriege Ende Oktober gefasste Hebelei-Beschluss hinsichtlich EFSF von den "Märkten" kurz gefeiert worden war, kam schon kurz darauf die Ernüchterung: Eine Hebelung per 20%-iger Verlustgarantie wurde als bei weitem nicht ausreichend angesehen. Diese Versicherungslösung basierte übrigens auf einem Vorschlag des ehemaligen "Goldman" Achleitner, noch Finanzvorstand der Allianz.

Die "Märkte" verstärkten in der Folge ihre Zweifel an der Kreditwürdigkeit der PIIGS in der Eurozone, aber nicht nur das. Auch Kern-Europa muss nun höhere Zinsen für Staatsanleihen zahlen. Zwar hält sich der Aufschlag bei den deutschen „Bunds“ noch in Grenzen, aber die Charttechnik legt nahe, dass künftig weiter steigende Zinsen wahrscheinlich sind.

Die "Märkte" reagieren spät, aber sie reagieren heftig. Die Renditespreads in der Eurozone steigen über einen wichtigen Pegel, erkennbar am Kursverlauf eines ETFS, der invers an den iBoxx Sovereigns Eurozone total Return Index gekoppelt ist (siehe Chart!).

Angesichts der immer offensichtlicher werdenden Unfähigkeit der Politik, die Krise in den Griff zu bekommen, wollen die "Märkte" jetzt mit einem noch nie größeren Nachdruck entweder Eurobonds oder unbegrenzte Anleihekäufe durch die EZB, am besten beides.

Der im Chart sichtbare Ausbruch ist auch ein Hinweis auf eine Extremsituation bei der Markttechnik. So lange ihr Zustand "stationär" ist, können bestimmte, einfache Regeln beobachtet werden. Die Reaktionen des Systems sind leicht vorhersagbar, geringe Veränderungen der Anfangsbedingungen führen nur zu kleinen Reaktionen. Rückkopplungen sind negativ und wirken dämpfend auf das Ergebnis. In Extremsituationen werden die Rückkopplungen innerhalb des Preisbildungs-Systems positiv, sein Zustand wird "chaotisch". Dann führen schon geringe Änderungen zu großen Ausschlägen bei den Resultaten. In dieser Situation befinden sich die Finanzmärkte aktuell.

Sind Eurobonds aus Sicht der Finanzmärkte eine Lösung? Ja, Eurobonds versprechen einen großen, einheitlichen Bondmarkt in Europa, der für das internationale Kapital attraktiv ist, das sich angesichts der als angebliche Krisenlösung geschaffenen Hyperliquidität im Anlagenotstand befindet. Voraussetzung ist, dass die Eurobonds so ausgestaltet werden, dass die Bonität von Ländern wie Deutschland voll zum Zuge kommt.

Fundamental sind Eurobands genau das Gegenteil einer Lösung. Wer rettet am Ende die Retter? Der scheidende EZB-Chefvolkswirt Stark sagt: Eurobonds führen in der aktuellen Situation "zu einer Haftungs- und Schuldenunion."

Die Einführung von Eurobonds trifft auf schwierige rechtliche Probleme, die ihren Ursprung in der Fehlkonstruktion der Eurozone, ihrem "Geburtsfehler" haben. Eine Währungsunion bei gleichzeitiger fiskalpolitischer Unabhängigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten funktioniert eben nur bei schönem Wetter. Eine schnelle Lösung ist da nicht in Sicht. Möglicherweise müssen Länderverfassungen geändert werden, was meist nur über Volksabstimmungen geht. Es müsste z.B. sichergestellt werden, dass eine bei der Einführung von Eurobonds von Monti und seiner Übergangsregierung erteilte Zustimmung zur anteiligen Haftung seines Landes nicht von der nächsten Regierung unter z.B. dem illustren Berlusconi sogleich wiederrufen würde. Usw.

Ist der unbegrenzte Ankauf von Staatsanleihen-Müll durch die EZB aus Sicht der Finanzmärkte eine Lösung? Ebenfalls ja. Daher kam es auch gar nicht gut an, dass die EZB vor einigen Tagen beschlossen hat, das wöchentliche Ankaufsvolumen ihres SMP-Programms (Securities Markets Programme, auf deutsch "Sonder-Müll-Programm") auf 20 Mrd. Euro zu begrenzen. Aktuell sind mehr als 190 Mrd. Euro ausgegeben worden.

Fundamental ist die Rolle der EZB als Kreditgeber der letzten Instanz ebenfalls genau das Gegenteil einer Lösung. Wenn die Notenbank Staaten finanziert, haben die Regierungen immer weniger Veranlassung, die Ursachen der Krise anzugehen.

Im Gegensatz zu Eurobonds kann die EZB rasch reagieren. Sie muss gegenwärtig nicht einmal befürchten, dass ihr die Inflation davon läuft, was ihrem Mandat zuwider liefe. Die Inflations-Erwartungen sinken seit einiger Zeit trotz ausufernder Geldmenge. Mit erlahmender Wachstumsdynamik hat es kurz- bis mittelfristig kaum treibenden Effekt auf die Preise in der Realwirtschaft, wenn die EZB die Notenpresse anwirft.




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