Kursanomalien im Silbermarkt
13.12.2011 | Dimitri Speck
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Chart 2
Man kann bei Gold einen sehr starken Rückgang um 10 Uhr New Yorker Zeit erkennen. Zu der Zeit findet das Londoner Nachmittags-Goldfixing statt, an dem gehäuft gegen Gold interveniert wird. Dies ist der Grund dafür, weshalb dann auch Silber oft fällt - die Silbertrader hängen sich oft an die Bewegungen des Goldpreises an. Allerdings können nicht alle schockartigen Kursrückgänge bei Silber mit dem Einfluß des Goldes in Verbindung gebracht werden. Der Hauptrückgang des Silbers um 7 Uhr New Yorker Zeit findet bei Gold keine Entsprechung. Dieser Rückgang zum Silberfixing zeigt somit, daß es eigenständige, von Gold unabhängige Eingriffe im Silbermarkt gibt.
Jedoch finden in beiden Märkten derartige Häufungen nicht zwingend zu bestimmten Tageszeiten statt. Die Markteingriffe werden keineswegs einheitlich organisiert, vielmehr ändern sich die Aktivitäten im Laufe der Zeit. So gab es Jahre, in denen die Kursschocks selten waren (beziehungsweise nicht oft genug zu einer bestimmten Zeit stattfanden). Sie sind dann im durchschnittlichen Verlauf nicht erkennbar (etwa 2010). Es gab auch Jahre mit Vorlieben für andere Tageszeiten. So wurden in manchen Jahren die Kurseingriffe stark an den Handelszeiten der New Yorker Terminbörse Comex ausgerichtet. Der nachfolgende Chart zeigt exemplarisch den durchschnittlichen Intraday-Verlauf des Silbers im Jahr 2002.
Chart 3
Wir können deutlich erkennen, daß die Kursrückgänge gehäuft zur Eröffnung und dann wieder zum Schluß der Comex-Handelssitzung auftraten. Motiv für den häufigen Eröffnungsschock dürfte gewesen sein, die Anleger gleich zu Beginn der Sitzung negativ zu stimmen. Der Grund für die Rückgänge zum Handelsschluß dürfte hingegen wieder dem Wertmaßstab geschuldet sein, insbesondere für den nächsten Handelstag. Die Unterschiede zu Chart 1 verdeutlichen, daß es keine starre Vorgehensweise gibt, wie es auch naheliegend ist für eine jahrelange Tätigkeit.
Es gibt Preisschocks zu den Zeiten, für die sich die Akteure jeweils entscheiden. Die Schwerpunkte wandeln sich dabei im Laufe der Zeit. Deswegen treten die Schocks mal gehäuft zum Fixing, mal zum Eröffnungs- oder Schlußkurs auf. Chart 3 weist im übrigen keinen erkennbaren Rückgang zum Fixing aus. Das unterstreicht, daß die in Chart 1 erkennbaren Rückgänge zum Fixing nicht aus marktechnischen Gründen wie Handelsgewohnheiten entstanden, sondern Kurseingriffen geschuldet sind.
Am 5. August 1993 begannen systematische Interventionen gegen Gold und Silber. Sie halten bis heute an. Ein wichtiges Mittel dazu sind schockartige Kursrückgänge. Die Akteure bevorzugen für die Kursschocks bestimmte Zeitpunkte, so daß sie sich in durchschnittlichen Intraday-Charts nachweisen lassen. Die Kursrückgänge beim Silber sind dabei nicht nur der hohen Korrelation zu Gold geschuldet. Vielmehr zeigen die durchschnittlichen Intraday-Charts bei Silber mit ihren Unterschieden zu Gold, daß es eigenständige Kurseingriffe im Silbermarkt gibt.
© Dimitri Speck
Dimitri Speck entwickelt für den Assetmanager Staedel Hanseatic Handelsstrategien. Einen weiteren Themenschwerpunkt seiner Arbeit bilden Gold und Rohstoffe. Er ist Herausgeber der Website www.SeasonalCharts.de, auf der über hundert saisonale Charts gezeigt werden. Im Finanzbuchverlag ist sein Buch "Geheime Goldpolitik" erschienen.