Nach dem EU-Gipfel – EZB am Zuge
11.12.2011 | Klaus Singer
Die 17 Mitgliedsländer der Eurozone und sechs weitere EU-Länder wollen sich zu einer Fiskalunion umbauen. Hierzu wird ein eigener, jeweils bilateral zu schließender Vertrag vorgesehen mit verschärften Spar- und Kontrollauflagen, der bis März 2012 ausgehandelt sein soll. Das ist das Ergebnis des jüngsten EU-Gipfels.
Die von Deutschland und Frankreich geforderte Änderung des EU-Vertrages aller 27 Mitgliedstaaten scheiterte vor allem am Widerstand Großbritanniens. Der Vorsitzende der "Großen Hallig", Premierminister David Cameron, habe inakzeptable Forderungen gestellt, hieß es von empörten Teilnehmern des EU-Gipfels.
Die Reaktion der "Märkte" auf den Gipfel war am zurückliegenden Freitag zunächst verhalten. Im weiteren Tagesverlauf besannen sie sich dann, Aktien drehten ins Plus. Auch der Euro zeigte wieder etwas Stärke, der Dollar-Index kontrahierte in Richtung eines wichtigen Pegels.
Ganz anders nach der EZB-Sitzung am Donnerstag, einen Tag zuvor. Sie brachte das Ergebnis, was mehrheitlich erwartet worden war, eine Zinssenkung zurück auf Krisenniveau und eine langfristige Versorgung des Bankensektors mit unbegrenzter Liquidität, gekoppelt mit einer Senkung der Anforderungen an Sicherheiten. Sie brachte jedoch das nicht, was viele erhofft hatten, nämlich die Zusicherung der EZB, Anleihemüll der GIIPS, in sehr viel größerem Umfang zu kaufen als bisher. Die EZB verweigerte sich vor dem EU-Gipfel dem Ansinnen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen und erwartete von der Politik die entscheidenden ersten Schritte.
Hier, bei der EZB, reagierten die Finanzmärkte - mit deutlichen und breit angelegten Assetverkäufen. Da half es auch nur kurz, dass zeitgleich positive Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt hereinkamen. Die heftige Reaktion auf die EZB-Entscheidung zeigt deutlich, dass die "Märkte" eher eine geldpolitische Lösung favorisieren als Beschlüsse einer Politik, die jegliches Vertrauen verspielt hat, wie Merkel kürzlich so richtig sagte.
Die Politbürokratie kann nach dem Gipfel sagen: "Wir haben geliefert. Das Heft des Handelns liegt wieder bei der EZB." EZB-Präsident Draghi hat auch gleich reagiert: "Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die Euro-Zone. Das kommt einem guten Haushaltspakt sehr nahe.” Mit anderen Worten: "Ich habe verstanden, jetzt ist die EZB dran."
Und so wird man wohl bald von einer Ausweitung des SMP-Anleihekauf-Programms der EZB lesen und hören… Natürlich nur zeitlich befristet zur Begleitung der Umsetzung der auf der politischen Ebene beschlossenen Maßnahmen. Dass sich dies sehr lange hinziehen kann – wen stört das jetzt? Aus Sicht der "Märkte" je länger, je lieber, umso mehr nähert sich die Politik der EZB so der der Fed an.
Die Umsetzung der Beschlüsse wird in der Tat Zeit brauchen. Mag sein, dass man die Verträge bis März 2012 zustande bringt – schließlich wimmelt es in Brüssel von Juristen. Aber in Kraft sind sie dann noch lange nicht. Die Materie ist komplex, erst recht nachdem nun nur noch eine Teilmenge der EU-Mitgliedsstaaten mitmacht. Die vertraglichen Regelungen müssen in Einklang zu den bestehenden EU-Verträgen sein, gleichzeitig sind rechtliche Hürden in einzelnen Mitgliedssaaten zu überwinden. Z.B. hatte Irland schon angekündigt, dass zur Umsetzung in nationales wohl ein Referendum erforderlich ist. Das dürfte auch für Deutschland gelten, weil die Verfassung die Aufgabe nationaler Hoheitsrechte verbietet.
Vermutlich ist auch nicht entscheidend, wie viel Zeit das Ganze bis zur Verwirklichung benötigt - die Festlegung auf eine Fiskalunion (oder ein Hauch davon) war, denke ich, sowieso eher als Propaganda gedacht.
Was gibt es sonst noch zu den Ergebnissen des EU-Gipfels zu sagen? Mit dem Ausschluss künftiger Haircuts ist eine wichtige Hürde für die Akzeptanz durch die Finanzindustrie weggefallen. Dies war übrigens stets eine wichtige Forderung der EZB. Ordnungspolitisch ist die "no bailout"-Regel damit wieder einmal (oder noch einmal oder schon wieder) zu Grabe getragen worden.
Treten wir einen Schritt zurück von der geldpolitischen Betrachtung und rufen uns nochmals die Ursache des aktuellen Debakels ins Gedächtnis: Eine übermäßige Verschuldung der Finanzsektors stand am Anfang der Misere. Die kam zustande durch übermäßige Ausrichtung in Richtung US-Immobilien- und Euro-Staatsanleihen-Giftmüll. Hierbei spielten auch falsche Urteile der Rating-Agenturen eine Rolle. Im Falle der PIIGS-Staatsanleihen entscheidend waren einheitliche Zinsen und Einheitswährung, die die Marktmechanismen bei der Risikobewertung dieser Papiere aushebelten.
Im nächsten Schritt wurde die Verschuldung des Privatsektors durch Rettungsmaßnahmen, Garantien, Bürgschaften, Bank-Beteiligungen und Keynessche Anreize zum öffentlichen Sektor hin verschoben. Dessen Kosten explodierten, die Steuereinnahmen sind im Gefolge der Finanzkrise eingebrochen. Und so stehen wir jetzt vor der Überschuldung ganzer Staaten. Hauptsache, die Banken werden gerettet.
Maßnahmen, die darauf abzielen, wenigstens zu verhindern, dass sich eine solche Entwicklung wiederholt, sind auf dem EU-Gipfel nicht einmal angedacht worden. Im Gegenteil - mit dem Haircut-Verzicht wird der ordnungspolitisch richtige Weg, der bei der Griechenland-Rettung zögerlich beschritten wurde, wieder verlassen. Das Halten von PIIGS-Müll-Bonds wird wieder künstlich risikoarm gemacht. Das legt den Grundstein für die nächste Stufe in dieser Krise.
Die von Deutschland und Frankreich geforderte Änderung des EU-Vertrages aller 27 Mitgliedstaaten scheiterte vor allem am Widerstand Großbritanniens. Der Vorsitzende der "Großen Hallig", Premierminister David Cameron, habe inakzeptable Forderungen gestellt, hieß es von empörten Teilnehmern des EU-Gipfels.
Die Reaktion der "Märkte" auf den Gipfel war am zurückliegenden Freitag zunächst verhalten. Im weiteren Tagesverlauf besannen sie sich dann, Aktien drehten ins Plus. Auch der Euro zeigte wieder etwas Stärke, der Dollar-Index kontrahierte in Richtung eines wichtigen Pegels.
Ganz anders nach der EZB-Sitzung am Donnerstag, einen Tag zuvor. Sie brachte das Ergebnis, was mehrheitlich erwartet worden war, eine Zinssenkung zurück auf Krisenniveau und eine langfristige Versorgung des Bankensektors mit unbegrenzter Liquidität, gekoppelt mit einer Senkung der Anforderungen an Sicherheiten. Sie brachte jedoch das nicht, was viele erhofft hatten, nämlich die Zusicherung der EZB, Anleihemüll der GIIPS, in sehr viel größerem Umfang zu kaufen als bisher. Die EZB verweigerte sich vor dem EU-Gipfel dem Ansinnen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen und erwartete von der Politik die entscheidenden ersten Schritte.
Hier, bei der EZB, reagierten die Finanzmärkte - mit deutlichen und breit angelegten Assetverkäufen. Da half es auch nur kurz, dass zeitgleich positive Nachrichten vom US-Arbeitsmarkt hereinkamen. Die heftige Reaktion auf die EZB-Entscheidung zeigt deutlich, dass die "Märkte" eher eine geldpolitische Lösung favorisieren als Beschlüsse einer Politik, die jegliches Vertrauen verspielt hat, wie Merkel kürzlich so richtig sagte.
Die Politbürokratie kann nach dem Gipfel sagen: "Wir haben geliefert. Das Heft des Handelns liegt wieder bei der EZB." EZB-Präsident Draghi hat auch gleich reagiert: "Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die Euro-Zone. Das kommt einem guten Haushaltspakt sehr nahe.” Mit anderen Worten: "Ich habe verstanden, jetzt ist die EZB dran."
Und so wird man wohl bald von einer Ausweitung des SMP-Anleihekauf-Programms der EZB lesen und hören… Natürlich nur zeitlich befristet zur Begleitung der Umsetzung der auf der politischen Ebene beschlossenen Maßnahmen. Dass sich dies sehr lange hinziehen kann – wen stört das jetzt? Aus Sicht der "Märkte" je länger, je lieber, umso mehr nähert sich die Politik der EZB so der der Fed an.
Die Umsetzung der Beschlüsse wird in der Tat Zeit brauchen. Mag sein, dass man die Verträge bis März 2012 zustande bringt – schließlich wimmelt es in Brüssel von Juristen. Aber in Kraft sind sie dann noch lange nicht. Die Materie ist komplex, erst recht nachdem nun nur noch eine Teilmenge der EU-Mitgliedsstaaten mitmacht. Die vertraglichen Regelungen müssen in Einklang zu den bestehenden EU-Verträgen sein, gleichzeitig sind rechtliche Hürden in einzelnen Mitgliedssaaten zu überwinden. Z.B. hatte Irland schon angekündigt, dass zur Umsetzung in nationales wohl ein Referendum erforderlich ist. Das dürfte auch für Deutschland gelten, weil die Verfassung die Aufgabe nationaler Hoheitsrechte verbietet.
Vermutlich ist auch nicht entscheidend, wie viel Zeit das Ganze bis zur Verwirklichung benötigt - die Festlegung auf eine Fiskalunion (oder ein Hauch davon) war, denke ich, sowieso eher als Propaganda gedacht.
Was gibt es sonst noch zu den Ergebnissen des EU-Gipfels zu sagen? Mit dem Ausschluss künftiger Haircuts ist eine wichtige Hürde für die Akzeptanz durch die Finanzindustrie weggefallen. Dies war übrigens stets eine wichtige Forderung der EZB. Ordnungspolitisch ist die "no bailout"-Regel damit wieder einmal (oder noch einmal oder schon wieder) zu Grabe getragen worden.
Treten wir einen Schritt zurück von der geldpolitischen Betrachtung und rufen uns nochmals die Ursache des aktuellen Debakels ins Gedächtnis: Eine übermäßige Verschuldung der Finanzsektors stand am Anfang der Misere. Die kam zustande durch übermäßige Ausrichtung in Richtung US-Immobilien- und Euro-Staatsanleihen-Giftmüll. Hierbei spielten auch falsche Urteile der Rating-Agenturen eine Rolle. Im Falle der PIIGS-Staatsanleihen entscheidend waren einheitliche Zinsen und Einheitswährung, die die Marktmechanismen bei der Risikobewertung dieser Papiere aushebelten.
Im nächsten Schritt wurde die Verschuldung des Privatsektors durch Rettungsmaßnahmen, Garantien, Bürgschaften, Bank-Beteiligungen und Keynessche Anreize zum öffentlichen Sektor hin verschoben. Dessen Kosten explodierten, die Steuereinnahmen sind im Gefolge der Finanzkrise eingebrochen. Und so stehen wir jetzt vor der Überschuldung ganzer Staaten. Hauptsache, die Banken werden gerettet.
Maßnahmen, die darauf abzielen, wenigstens zu verhindern, dass sich eine solche Entwicklung wiederholt, sind auf dem EU-Gipfel nicht einmal angedacht worden. Im Gegenteil - mit dem Haircut-Verzicht wird der ordnungspolitisch richtige Weg, der bei der Griechenland-Rettung zögerlich beschritten wurde, wieder verlassen. Das Halten von PIIGS-Müll-Bonds wird wieder künstlich risikoarm gemacht. Das legt den Grundstein für die nächste Stufe in dieser Krise.