Antal Fekete: Gold-Backwardation und der Einsturz der Tacoma Bridge (Teil 1/2)
06.09.2013
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Daily Bell: Ist es möglich, dass es in einer Wirtschaft der freien Märkte zu wenig Gold gibt? Würden Sie sagen, dass die Menschen in einem solchen Fall mit dem Horten aufhören würden und ihr gehortetes Gold am Markt umsetzen würden?Anatal Fekete: Sie haben es erfasst. Die Menschen würden ihre gehorteten Bestände auflösen, wenn die Knappheit die Zinssätze in die Höhe treibt. Im 19. Jahrhundert gab es den Spruch, mit einem Diskontsatz von 5% könne die Bank of England sogar Gold vom Mond ansaugen.
Daily Bell: Was bedeutet “zu viel“ oder “zu wenig“ Gold? Wie kann die Wirtschaft das abschätzen?
Antal Fekete: Unter dem Goldstandard sind die umlaufenden Goldmengen in der Tendenz genau richtig. Falls die Menschen den Eindruck haben, es gäbe zu viel, dann könnten sie ihre eigenen Standard-Umlaufmünzen aus Gold einschmelzen lassen, horten oder exportieren. Sollten sie den Eindruck haben, es gäbe zu wenig, dann könnten sie von ihrem durch die Verfassung garantiertem Recht der freien Münzprägung Gebrauch machen und ihren alten Schmuck oder aber frisch gefördertes Gold zur Prägeanstalt bringen und dieses gegen Standard-Umlaufmünzen aus Gold eintauschen. Dieser Goldfluss zur Prägeanstalt und zurück hat die Folge, dass die Zahl der umlaufenden Münzen immer optimal ist, konform mit den Wünschen der Menschen (und nicht den Wünschen der Bank oder des Staates).
Ludwig von Mises lehnte die Idee ab, dass Gold einen konstanten Grenznutzen habe. Ihm zufolge würde ein konstanter Grenznutzen auch unendliche Nachfrage nach Gold implizieren, was widersprüchlich sei. Das ist der größte Makel in der Wirtschaftslehre Mises‘ - die Zurückweisung des essentiellen Kausalzusammenhangs zwischen Gold und Zins. Mises verspottet John Fullarton dafür, dass dieser den deus ex machina der Gold-Hortung heraufbeschworen habe. Das war so unfair wie auch unwahr. Das Konzept des konstanten Grenznutzens ist NICHT widersprüchlich, denn der Zinssatz ist ein Hindernis für das Gold-Horten. Wenn er ausreichend hoch ist, lässt das Anhäufen von Goldbeständen nach und weicht schließlich einer Auflösung der Bestände.
Genauso wichtig ist auch Folgendes: Wenn der Zinssatz zu niedrig ist, oder um es präziser auszudrücken, wenn er vom Staat und Bankensystem unter das Niveau der marginalen Zeitpräferenzrate gesenkt wird, dann setzt das Gold-Horten ein. Dann gehen die Menschen mit ihren Banknoten zu den Banken, um diese einzulösen oder sie verringern ihre Bankguthaben, indem sie in Form von Goldmünzen abheben. Die Bankenreserven schrumpfen. Die Bank muss ihre marginalen Darlehen zurückfordern. Gold-Hortung ist keine Verirrung oder Anomalie: Sie ist eine der Hauptstärken des Goldstandards. Sie ist grundlegender Bestandteil des Systems gegenseitiger Kontrollen. Sie schränkt die Banken und Staaten ein und verhindert, dass sie Kredit vermehren oder endlose Haushaltsdefizite einfahren oder sich verschulden, ohne absehen zu können, wie diese Schulden jemals getilgt werden sollen. Sie verleiht der Zeitpräferenz Nachdruck, die ansonsten nur ein frommer Wunsch wäre. Wer dem Volk das Gold entzieht, gibt den Banken freie Hand bei der unbegrenzten Vermehrung von Kredit und gibt dem Staat freie Hand für den Aufbau eines babylonischen Schuldenturms.
Daily Bell: Wenn es allem Anschein nach zu viel Gold gibt, werden die Menschen dann zu horten beginnen?
Antal Fekete: Anstatt zu sagen, dass es zu viel oder zu wenig Gold gibt, wäre es akkurater zu sagen, dass der Zinssatz zu hoch oder zu niedrig ist. Unter dem unverfälschten Goldstandard kalibriert der Zinssatz die umlaufende Goldmenge, die für das optimale Funktionieren der Wirtschaft notwendig ist. Laut Mises ist der Zins KEIN Marktphänomen; er ist ‘apodiktisch‘ - die Erscheinungsform der Zeitpräferenz. Doch wie der Grenznutzen existiert auch die Zeitpräferenz nicht im Abstrakten. Sie bezieht sich immer auf ein Individuum, ob dieses nun ein Geizhals ist oder ein verschwenderischer Sohn. Die Zeitpräferenz variiert von Person zu Person. Von ihr zu sprechen macht also nur dann Sinn, wenn damit die MARGINALE Zeitpräferenz gemeint ist. Mises hatte diese Verfeinerung aber nicht vorgenommen.
Daily Bell: Wenn es zu viel oder zu wenig Gold gibt, reagieren die Minenbetreiber dann mit Öffnen oder Schließen von Bergbauprojekten darauf? Zeigt sich darin nicht eine Angebot-Nachfrage-Reaktion im Sinn der freien Märkte?
Antal Fekete: Ich habe eine ganz niedrige Meinung vom IQ der durchschnittlichen Manager einer Goldmine. Wahrscheinlich können sie aber Gewinn und Verlust auseinanderhalten. Das Problem ist aber, dass die Verzögerung oder die Reaktionszeit zwischen der Erhöhung des Minenoutputs und dessen, was Sie 'zu wenig Gold' nennen, viel zu lang ist. In den 1980ern erfand der Goldbergbausektor das “Hedging”, das in Wirklichkeit überhaupt kein Hedging (Absicherung) war. Er waren Terminverkäufe, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass Short-Positionen letztendlich eingedeckt werden müssen, was auch dazu führt, dass sich die Goldbergbauunternehmen gemeinsam und gleichzeitig durch den Ausgang drängeln, wenn die Preis explodieren.
In den 1990ern warnte ich Jamie Sakolsky von Barrick ganz persönlich (damals Finanzvorstand und heute Unternehmenschef), aber er wies mich zurück. “Hedging” war sein Baby, und keiner durfte dessen Schönheit in Frage stellen. Dann wuchs das Baby und wurde zum Monster, das Barrick immer noch heimsucht, wie die abrupte Aufgabe des Pascua Lama-Projekts wieder zeigt. Warum Schächte absenken, wenn der Goldpreis in einer Spanne zwischen 300 $ - 400 $ dahindümpelte? Sie hätten stattdessen an den Eigentumsrechten für das Projekt arbeiten sollen. Der Punkt ist, dass der Goldbergbausektor nicht wirklich etwas von seinem Produkt verstanden hat - monetäres Metallgold. Die Bergbaufirmen behandelten es, als wäre es nur ein Basismetall unter vielen, wie Kupfer. Sie hatten nicht den leisesten Schimmer vom anormalen Verhalten des Goldes hinsichtlich der Gesetze von Angebot und Nachfrage. Die Goldminen verkauften am laufenden Band Gold, in guten wie in schlechten Zeiten, aber sie KAUFTEN NIE WELCHES, was sie manchmal aber machen sollten. Sie würden auch nicht in Betracht ziehen, die Goldproduktion in Zeiten schwächelnder Goldpreise zu drosseln.
Daily Bell: War Gold schon immer Geld? Wurde Gold nur dann als Geld betrachtet, wenn es vom Staat geprägt wurde?
Antal Fekete: Noch vor Gold war Silber Geld. Die ersten Münzen wurden aus Elekturm gemacht, eine natürliche Legierung aus Gold und Silber - im 6. Jahrhundert v. Chr. Wir wissen, dass gegossene Silber- und Goldblöcke schon lange vor der Erfindung der Münze (und der Seignorage) durch den Staat im Umlauf waren.