Die Inflationsmacher
10.11.2005 | Claus Vogt
Wir alle kennen die Szene aus zahlreichen Filmen und Slapsticks. Der gerade noch flüchtende Dieb bleibt hinter einer Wegbiegung stehen, setzt eine seriöse Miene auf, deutet in Richtung eines möglichst belebten Teils der Straße und ruft voller Inbrunst: "Haltet den Dieb!" Dieser Inbegriff an Chuzpe spielt sich in der modernen Finanzwelt in großem Stile nahezu börsentäglich ab.
Nein, wir meinen nicht die schwarzen Schafe unter den Analysten, die wider besseres Wissen Kaufempfehlungen für Aktien aussprechen, nur um Geschäft für die Investmentbanking-Abteilung der Bank zu akquirieren. Wir meinen auch nicht die Unternehmensmanager, die auf Pressekonferenzen und bei Analystengesprächen ihr Unternehmen und dessen Aussichten in höchsten Tönen loben, während sie gleichzeitig übereifrig eigene Aktien verkaufen. Wir reden auch nicht über die längst zum Normalfall gewordene Vorgehensweise zahlreicher Politiker, die nach einer gewonnenen Wahl das genaue Gegenteil dessen tun, wofür sie im Wahlkampf geworben haben. Nein, wir reden von den dank staatlicher Monopolgarantie die Finanzmärkte maßgeblich beeinflussenden Notenbanken.
Gerade in letzter Zeit, nachdem die als Preissteigerung eines amtlich berechneten und nahezu beliebiger Manipulation zugänglichen Warenkorbs definierten Inflationsraten weltweit zu steigen begonnen haben, hören wir die Notenbanker in unverhohlener Dreistigkeit "Haltet den Dieb!" rufen. Unter geradezu unverschämter Verdrehung der Wahrheit zeigen sie und die Politiker, denen sie ihre privilegierten Ämter verdanken, auf ausgewählte Sündenböcke. So hören wir fast täglich aus Notenbankkreisen, dass die steigenden Energiepreise eine Gefahr für die Preisstabilität darstellten. Politiker spitzen dieses falsche Argument noch deutlich zu und agitieren lautstark gegen "die Preistreiber und Spekulanten an den Energiemärkten". Die permanente und dank moderner Massenmedien flächendeckende Wiederholung dieser krassen Verdrehung der Wahrheit scheint tatsächlich die gewünschten Ergebnisse zu zeitigen. Die Lüge wird geglaubt.
Bei manchen Politikern halten wir es sogar für möglich, dass sie glauben, was sie sagen. Ökonomischer Sachverstand ist in diesen Kreisen schließlich nicht die Regel, sondern eher eine seltene Ausnahme. Bei Notenbankern gilt das Argument: "Sie wissen es wahrscheinlich nicht besser", jedoch nicht. Hier haben wir es schließlich mit Menschen zu tun, die üblicherweise eine valide ökonomische Ausbildung genossen haben. Und im Falle von Alan Greenspan und vielleicht noch mehr bei seinem designierten Nachfolger Ben Bernanke haben wir es mit hochbegabten Intellektuellen zu tun, die uns in jedem Rechtschreibe-Wettbewerb um Längen schlagen würden. Unwissenheit und Ignoranz kann bei dieser Personengruppe als Entschuldigung also nicht herangezogen werden, hier müssen andere Kräfte wirken.
Wie auch immer, dem seiden Notenbanker ist es gelungen, ihr mehr als fragwürdiges Monopol der Geldschaffung hinter dem Schleier angeblicher Inflationsbekämpfung zu verbergen. Sie, die Herrscher der Gelddruckmaschine, auf deren Aktionen letztendlich jede legale Geldschöpfung beruht, gaukeln ihrem Publikum regelmäßig eine angebliche Wirklichkeit vor, die es so nicht gibt. Immer wieder wollen sie uns glauben machen, Inflation bedrohe Wirtschaft und Gesellschaft auf ähnliche Art und Weise wie eine Naturkatastrophe, und nur ihrem überlegten, ja genialen Handeln sei es zu verdanken, wenn sie dennoch halbwegs im Zaum gehalten werden kann. Das ist Humbug, grober Unfug, dreiste Lüge.
Um das zu verstehen, lohnt es sich, zu den Grundlagen vorzudringen. In einer Marktwirtschaft werden Güter und Dienstleistungen gegeneinander ausgetauscht. Herr Bäcker backt Brot und tauscht es bei Herrn Schuster gegen ein Paar Schuhe ein. Um diesen Tausch zu vereinfachen, bedient er sich des Geldes. Er tauscht sein Brot gegen Geld, um anschließend die Schuhe bezahlen zu können. Ein vollkommen normaler und harmloser Vorgang. Beachtenswert ist allerdings die Reihenfolge: Zuerst muss er das Brot backen, um es dann unter Zuhilfenahme von Geld gegen Schuhe zu tauschen.
Betrachten wir jetzt den Geldfälscher, Herrn Blüte. Er produziert weder eine Ware, noch bietet er eine Dienstleistung feil. Er druckt einfach nur eine Geldnote. Diese tauscht er dann beispielsweise bei Herrn Bäcker gegen Brot. Herr Blüte tauscht also Nichts gegen Etwas. Er kann konsumieren, ohne zu produzieren. Sein Geldschein ist also nicht gedeckt durch Güter oder Dienstleistungen, er leistet keinen Beitrag zum Wohlstand der Gesellschaft, sondern konsumiert den von anderen geschaffenen Wohlstand ohne Gegenleistung. Weil die anderen Mitglieder der Gesellschaft das nicht wollen, genießt der Geldfälscher nicht nur kein hohes Ansehen. Seine Machenschaften gelten sehr zu Recht als kriminell.
Kann dieser einfache Zusammenhang etwa außer Kraft gesetzt werden, wenn Herr Blüte keine Einzelperson ist, sondern eine staatliche Institution? Kann es irgendeinen Unterschied machen, ob die Banknote im Keller von Herrn Blüte entstanden ist oder in einer staatlich kontrollierten Druckerpresse? Ja, es gibt tatsächlich einen sehr wichtigen Unterschied. Im ersten Fall spricht man von kriminellen Machenschaften, im zweiten hingegen von der hohen Kunst des Zentralbankwesens. Der Effekt auf die Wirtschaft hingegen bleibt unverändert. Es kommt zu einer Umverteilung des Wohlstands von produktiven Wirtschaftssubjekten hin zu unproduktiven. Letztere treten plötzlich als Nachfrager am Markt für Güter auf, die sie eigentlich nicht bezahlen können, da sie selbst nichts produziert haben. Die Gesamtmenge der vorhandenen Güter ändert sich dadurch natürlich nicht, aber die Nachfrage nach diesen Gütern nimmt zu und führt zu einer wichtigen Veränderung: Die Preise für die zusätzlich nachgefragten Güter werden steigen. Ganz allgemein ausgedrückt, bewirkt die Ausweitung der Geldmenge also einen Anstieg der Preise.
Dabei ist selbstverständlich nicht der Preisanstieg die Ursache für die Wohlstandsminderung der produktiven Mitglieder der Gesellschaft, sondern die Ausweitung der Geldmenge. Der Preisanstieg ist lediglich ein Symptom, die eigentliche Ursache hingegen ist das Geldmengenwachstum. Anders ausgedrückt: Inflation ist die Ausweitung der Geldmenge. Die Notenbanken bestimmen maßgeblich das Geldmengenwachstum. Also sind die Notenbanken Inflationsmacher und keine Inflationsbekämpfer. Haltet den Dieb!
Der Bock als Gärtner 1
Nehmen wir das Beispiel des demnächst in Rente gehenden US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan. Bereits jetzt, viele Wochen vor seinem Abgang Ende Januar 2006, hat ein wahrer Strom von Lobreden und gefälligem Schulterklopfen eingesetzt. Der Superstar des modernen Zentralbankwesens wird fast in den Himmel gehoben für seine angeblich großartigen geldpolitischen Leistungen. Dabei ist er nur ein staatlich eingesetzter Preisfixer, der entweder einen kurzfristigen Zinssatz kontrolliert oder eine bestimmte Geldmenge, niemals jedoch beides gleichzeitig, und schon gar nicht die als Preisveränderung eines Warenkorbs definierte Inflationsrate.
Wenn die Notenbank sich für die Kontrolle der Geldmenge entscheidet, dann ist der Zins die davon abhängende Variable. Die Notenbank muss dann den Zinssatz auf das Niveau steigen oder fallen lassen, bei dem die gewünschte Geldmenge nachgefragt wird. Paul Volcker, der Vorgänger Alan Greenspans auf dem Chefsessel der Fed, wählte diesen Ansatz. Wenn die Notenbank hingegen den Zinssatz fixiert, dann ist die Geldmenge die abhängige Variable. Die Geldmenge wird dann abhängig vom vorgegebenen Zins steigen oder fallen, ohne von der Notenbank beeinflusst werden zu können. Alan Greenspan folgte dieser Methode in seiner 1987 begonnenen Amtszeit.
Die Folgen seiner geldpolitischen Vorgehensweise liegen auf der Hand. Die Geld- und Kreditmengen erlebten einen gewaltigen Anstieg und die Kaufkraft des Geldes einen entsprechenden Niedergang. Auf der Website des zum U.S. Department of Labor gehörenden Bureau of Labor Statistics (www.bls.gov) befindet sich ein offizieller Inflationsrechner. Wenn man dort für das Jahr 1987, das Jahr des Amtsantritts Greenspans, 1 Dollar eingibt, dann wirft der Rechner für das Jahr 2005 1,75 Dollar aus. Mit anderen Worten, heute braucht man 1,75 $, um dieselben Waren kaufen zu können, die 1987 für 1 $ zu haben waren. Wie irgendjemand auf die geradezu absurde Idee kommen kann, dieses überaus traurige Ergebnis als überragenden geldpolitischen Erfolg zu feiern, übersteigt unseren Horizont sehr deutlich. Mit Geldwertstabilität hat diese Entwicklung jedenfalls nichts zu tun.
Preisfixer
Um die Rolle eines Preisfixers besser nachvollziehen zu können, ist es angebracht, einen anderen Preis als den des Geldes, den Zins, zu betrachten. Das Beispiel eines kommunistischen Zentralkomitees bietet sich hier natürlich an. In diesen erlauchten Kreisen war man bekanntlich der Überzeugung, den "richtigen" Preis von allen Gütern und Dienstleistungen zu kennen, beispielsweise den Preis einer herzhaften Salami. Dieser Preis wurde dann administriert und mit der Autorität eines totalen Staates im ganzen Lande durchgesetzt. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist weitläufig bekannt. War der Preis zu niedrig angesetzt, dann lohnte es sich plötzlich, billige Salami beispielsweise als Schweinefutter zu verwenden. Eine wichtige Ressource wurde also durch ein falsches Preissignal einer völlig unvernünftigen Nutzung zugeführt und regelrecht verschleudert. War der Preis hingegen zu hoch angesetzt, dann stapelten sich unverkäufliche Salamis und vergammelten. Die europäische Agrarpolitik verläuft übrigens nach ähnlichen Prinzipien.
Der Preis ist das wichtigste Steuerungsinstrument, um Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen. Steigende Preise setzen Anreize, das Angebot zu erhöhen und wirken dämpfend auf die Nachfrage. Fallende Preise wirken genau umgekehrt. Kein Mensch, weder ein Politiker noch ein Bürokrat, verfügt über das allumfassende Wissen, um den Preismechanismus adäquat ersetzen zu können. Wer dennoch so tut, als könne er das, ist entweder ein dreister Aufschneider oder seiner eigenen Hybris auf den Leim gegangen. Das gilt für Salami im selben Maße wie für Zinsen und betrifft kommunistische Preisfixer ebenso wie westliche Notenbanker.
Nein, wir meinen nicht die schwarzen Schafe unter den Analysten, die wider besseres Wissen Kaufempfehlungen für Aktien aussprechen, nur um Geschäft für die Investmentbanking-Abteilung der Bank zu akquirieren. Wir meinen auch nicht die Unternehmensmanager, die auf Pressekonferenzen und bei Analystengesprächen ihr Unternehmen und dessen Aussichten in höchsten Tönen loben, während sie gleichzeitig übereifrig eigene Aktien verkaufen. Wir reden auch nicht über die längst zum Normalfall gewordene Vorgehensweise zahlreicher Politiker, die nach einer gewonnenen Wahl das genaue Gegenteil dessen tun, wofür sie im Wahlkampf geworben haben. Nein, wir reden von den dank staatlicher Monopolgarantie die Finanzmärkte maßgeblich beeinflussenden Notenbanken.
Gerade in letzter Zeit, nachdem die als Preissteigerung eines amtlich berechneten und nahezu beliebiger Manipulation zugänglichen Warenkorbs definierten Inflationsraten weltweit zu steigen begonnen haben, hören wir die Notenbanker in unverhohlener Dreistigkeit "Haltet den Dieb!" rufen. Unter geradezu unverschämter Verdrehung der Wahrheit zeigen sie und die Politiker, denen sie ihre privilegierten Ämter verdanken, auf ausgewählte Sündenböcke. So hören wir fast täglich aus Notenbankkreisen, dass die steigenden Energiepreise eine Gefahr für die Preisstabilität darstellten. Politiker spitzen dieses falsche Argument noch deutlich zu und agitieren lautstark gegen "die Preistreiber und Spekulanten an den Energiemärkten". Die permanente und dank moderner Massenmedien flächendeckende Wiederholung dieser krassen Verdrehung der Wahrheit scheint tatsächlich die gewünschten Ergebnisse zu zeitigen. Die Lüge wird geglaubt.
Bei manchen Politikern halten wir es sogar für möglich, dass sie glauben, was sie sagen. Ökonomischer Sachverstand ist in diesen Kreisen schließlich nicht die Regel, sondern eher eine seltene Ausnahme. Bei Notenbankern gilt das Argument: "Sie wissen es wahrscheinlich nicht besser", jedoch nicht. Hier haben wir es schließlich mit Menschen zu tun, die üblicherweise eine valide ökonomische Ausbildung genossen haben. Und im Falle von Alan Greenspan und vielleicht noch mehr bei seinem designierten Nachfolger Ben Bernanke haben wir es mit hochbegabten Intellektuellen zu tun, die uns in jedem Rechtschreibe-Wettbewerb um Längen schlagen würden. Unwissenheit und Ignoranz kann bei dieser Personengruppe als Entschuldigung also nicht herangezogen werden, hier müssen andere Kräfte wirken.
Wie auch immer, dem seiden Notenbanker ist es gelungen, ihr mehr als fragwürdiges Monopol der Geldschaffung hinter dem Schleier angeblicher Inflationsbekämpfung zu verbergen. Sie, die Herrscher der Gelddruckmaschine, auf deren Aktionen letztendlich jede legale Geldschöpfung beruht, gaukeln ihrem Publikum regelmäßig eine angebliche Wirklichkeit vor, die es so nicht gibt. Immer wieder wollen sie uns glauben machen, Inflation bedrohe Wirtschaft und Gesellschaft auf ähnliche Art und Weise wie eine Naturkatastrophe, und nur ihrem überlegten, ja genialen Handeln sei es zu verdanken, wenn sie dennoch halbwegs im Zaum gehalten werden kann. Das ist Humbug, grober Unfug, dreiste Lüge.
Um das zu verstehen, lohnt es sich, zu den Grundlagen vorzudringen. In einer Marktwirtschaft werden Güter und Dienstleistungen gegeneinander ausgetauscht. Herr Bäcker backt Brot und tauscht es bei Herrn Schuster gegen ein Paar Schuhe ein. Um diesen Tausch zu vereinfachen, bedient er sich des Geldes. Er tauscht sein Brot gegen Geld, um anschließend die Schuhe bezahlen zu können. Ein vollkommen normaler und harmloser Vorgang. Beachtenswert ist allerdings die Reihenfolge: Zuerst muss er das Brot backen, um es dann unter Zuhilfenahme von Geld gegen Schuhe zu tauschen.
Betrachten wir jetzt den Geldfälscher, Herrn Blüte. Er produziert weder eine Ware, noch bietet er eine Dienstleistung feil. Er druckt einfach nur eine Geldnote. Diese tauscht er dann beispielsweise bei Herrn Bäcker gegen Brot. Herr Blüte tauscht also Nichts gegen Etwas. Er kann konsumieren, ohne zu produzieren. Sein Geldschein ist also nicht gedeckt durch Güter oder Dienstleistungen, er leistet keinen Beitrag zum Wohlstand der Gesellschaft, sondern konsumiert den von anderen geschaffenen Wohlstand ohne Gegenleistung. Weil die anderen Mitglieder der Gesellschaft das nicht wollen, genießt der Geldfälscher nicht nur kein hohes Ansehen. Seine Machenschaften gelten sehr zu Recht als kriminell.
Kann dieser einfache Zusammenhang etwa außer Kraft gesetzt werden, wenn Herr Blüte keine Einzelperson ist, sondern eine staatliche Institution? Kann es irgendeinen Unterschied machen, ob die Banknote im Keller von Herrn Blüte entstanden ist oder in einer staatlich kontrollierten Druckerpresse? Ja, es gibt tatsächlich einen sehr wichtigen Unterschied. Im ersten Fall spricht man von kriminellen Machenschaften, im zweiten hingegen von der hohen Kunst des Zentralbankwesens. Der Effekt auf die Wirtschaft hingegen bleibt unverändert. Es kommt zu einer Umverteilung des Wohlstands von produktiven Wirtschaftssubjekten hin zu unproduktiven. Letztere treten plötzlich als Nachfrager am Markt für Güter auf, die sie eigentlich nicht bezahlen können, da sie selbst nichts produziert haben. Die Gesamtmenge der vorhandenen Güter ändert sich dadurch natürlich nicht, aber die Nachfrage nach diesen Gütern nimmt zu und führt zu einer wichtigen Veränderung: Die Preise für die zusätzlich nachgefragten Güter werden steigen. Ganz allgemein ausgedrückt, bewirkt die Ausweitung der Geldmenge also einen Anstieg der Preise.
Dabei ist selbstverständlich nicht der Preisanstieg die Ursache für die Wohlstandsminderung der produktiven Mitglieder der Gesellschaft, sondern die Ausweitung der Geldmenge. Der Preisanstieg ist lediglich ein Symptom, die eigentliche Ursache hingegen ist das Geldmengenwachstum. Anders ausgedrückt: Inflation ist die Ausweitung der Geldmenge. Die Notenbanken bestimmen maßgeblich das Geldmengenwachstum. Also sind die Notenbanken Inflationsmacher und keine Inflationsbekämpfer. Haltet den Dieb!
Der Bock als Gärtner 1
Nehmen wir das Beispiel des demnächst in Rente gehenden US-Notenbankpräsidenten Alan Greenspan. Bereits jetzt, viele Wochen vor seinem Abgang Ende Januar 2006, hat ein wahrer Strom von Lobreden und gefälligem Schulterklopfen eingesetzt. Der Superstar des modernen Zentralbankwesens wird fast in den Himmel gehoben für seine angeblich großartigen geldpolitischen Leistungen. Dabei ist er nur ein staatlich eingesetzter Preisfixer, der entweder einen kurzfristigen Zinssatz kontrolliert oder eine bestimmte Geldmenge, niemals jedoch beides gleichzeitig, und schon gar nicht die als Preisveränderung eines Warenkorbs definierte Inflationsrate.
Wenn die Notenbank sich für die Kontrolle der Geldmenge entscheidet, dann ist der Zins die davon abhängende Variable. Die Notenbank muss dann den Zinssatz auf das Niveau steigen oder fallen lassen, bei dem die gewünschte Geldmenge nachgefragt wird. Paul Volcker, der Vorgänger Alan Greenspans auf dem Chefsessel der Fed, wählte diesen Ansatz. Wenn die Notenbank hingegen den Zinssatz fixiert, dann ist die Geldmenge die abhängige Variable. Die Geldmenge wird dann abhängig vom vorgegebenen Zins steigen oder fallen, ohne von der Notenbank beeinflusst werden zu können. Alan Greenspan folgte dieser Methode in seiner 1987 begonnenen Amtszeit.
Die Folgen seiner geldpolitischen Vorgehensweise liegen auf der Hand. Die Geld- und Kreditmengen erlebten einen gewaltigen Anstieg und die Kaufkraft des Geldes einen entsprechenden Niedergang. Auf der Website des zum U.S. Department of Labor gehörenden Bureau of Labor Statistics (www.bls.gov) befindet sich ein offizieller Inflationsrechner. Wenn man dort für das Jahr 1987, das Jahr des Amtsantritts Greenspans, 1 Dollar eingibt, dann wirft der Rechner für das Jahr 2005 1,75 Dollar aus. Mit anderen Worten, heute braucht man 1,75 $, um dieselben Waren kaufen zu können, die 1987 für 1 $ zu haben waren. Wie irgendjemand auf die geradezu absurde Idee kommen kann, dieses überaus traurige Ergebnis als überragenden geldpolitischen Erfolg zu feiern, übersteigt unseren Horizont sehr deutlich. Mit Geldwertstabilität hat diese Entwicklung jedenfalls nichts zu tun.
Preisfixer
Um die Rolle eines Preisfixers besser nachvollziehen zu können, ist es angebracht, einen anderen Preis als den des Geldes, den Zins, zu betrachten. Das Beispiel eines kommunistischen Zentralkomitees bietet sich hier natürlich an. In diesen erlauchten Kreisen war man bekanntlich der Überzeugung, den "richtigen" Preis von allen Gütern und Dienstleistungen zu kennen, beispielsweise den Preis einer herzhaften Salami. Dieser Preis wurde dann administriert und mit der Autorität eines totalen Staates im ganzen Lande durchgesetzt. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist weitläufig bekannt. War der Preis zu niedrig angesetzt, dann lohnte es sich plötzlich, billige Salami beispielsweise als Schweinefutter zu verwenden. Eine wichtige Ressource wurde also durch ein falsches Preissignal einer völlig unvernünftigen Nutzung zugeführt und regelrecht verschleudert. War der Preis hingegen zu hoch angesetzt, dann stapelten sich unverkäufliche Salamis und vergammelten. Die europäische Agrarpolitik verläuft übrigens nach ähnlichen Prinzipien.
Der Preis ist das wichtigste Steuerungsinstrument, um Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen. Steigende Preise setzen Anreize, das Angebot zu erhöhen und wirken dämpfend auf die Nachfrage. Fallende Preise wirken genau umgekehrt. Kein Mensch, weder ein Politiker noch ein Bürokrat, verfügt über das allumfassende Wissen, um den Preismechanismus adäquat ersetzen zu können. Wer dennoch so tut, als könne er das, ist entweder ein dreister Aufschneider oder seiner eigenen Hybris auf den Leim gegangen. Das gilt für Salami im selben Maße wie für Zinsen und betrifft kommunistische Preisfixer ebenso wie westliche Notenbanker.