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Kursanomalien im Goldmarkt

30.11.2005  |  Dimitri Speck
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Die Differenz zwischen dem New Yorker Schlußkurs und dem AM Fixing in London ist somit eine Näherung für den Intraday-Kursverlauf während der New Yorker Handelszeit (>NY=), mathematisch formuliert als NYClose - AMFix. Entsprechend läßt sich die Kursentwicklung während der übrigen Handelszeit (>Overseas=) darstellen als Londoner Vormittagsfixing abzüglich dem New Yorker Vortagesschluß (AM Fix NY Vortagesschluß). Zieht man nun den einen Term von dem anderen ab, erhält man die relative Kursentwicklung während dieser Tageszeiten ((NYClose AM Fix) (AM Fix NY Vortagesschluß)). Chart 4 zeigt diese relative Kursentwicklung geglättet (125 Tage). Ist die Linie unterhalb des Nullniveaus, bedeutet das, daß sich der Kurs in New York schlechter entwickelte als während der übrigen Handelszeit. Ist er oberhalb, war es umgekehrt. Zudem ist darunter der Verlauf des Goldkurses angezeigt

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Chart 2


Deutlich sichtbar ist, daß sich der Goldpreis während der New Yorker Handelszeit tendenziell deutlich schlechter entwickelte als während der übrigen Handelszeit. Der Beginn dieser Anomalie läßt sich auf den Tag genau festlegen. Sie begann am 5. August 1993. Dies ist von weitergehender Bedeutung, denn es lassen sich so die Begleitumstände klarer herausarbeiten, die zur Anomalie führten. Erwähnt sei noch der September 1999, als nach dem Washington Agreement (WAG) Gold sprunghaft stieg. In der jüngeren Zeit liegt die Linie oberhalb des Nullniveaus. Seitdem steigt der Kurs zum New Yorker Schlußkurs hin. Allerdings bestand auch im laufenden Jahr (2005) weiterhin die Anomalie des scharfen Rückgangs zum Nachmittagsfixing hin. Am grundsätzlichen Sachverhalt von typischen scharfen Einbrüchen während der Comex-Sitzung hat sich nichts geändert. Das aus Datengründen gewählte Verfahren ist für die jüngere Vergangenheit nur zu ungenau.

Auf eine Sicht von über zehn Jahren mit mehreren tausend Intradaybewegungen wäre zu erwarten, daß die Linie gleichermaßen oberhalb wie unterhalb des Nullniveaus aufhält, was bedeuten würde, daß der Goldkurs mal in New York steigt, mal während der übrigen Handelszeit, und vice versa. Dem ist aber nicht so. Wir betrachten hierzu alle vier möglichen Paare an Kursbewegungen. Bei den Tagen mit gleichgerichteten Kursbewegungen ist dabei alles im zu erwartenden Bereich. Es kommen etwa gleich viele Tage vor, an denen der Kurs sowohl in New York als auch während der übrigen Handelszeit steigt (717), als auch umgekehrt (699 mal fällt er beidemale). Ganz anders sieht es aus, wenn man die gegenläufigen Kursbewegungen betrachtet: Es gab 948 Tage, an denen die Kurse in New York fielen, wenn sie während der übrigen Handelszeit stiegen. Umgekehrt war es aber nur 543 der Fall (Tage mit unveränderten Kursen blieben unberücksichtigt). Vor dem Mai 2001 betrug das Verhältnis sogar deutlich mehr als zwei. Diese massive Anomalie ist weit von dem entfernt, was man unter Random Walk versteht. Angesichts der hohen Anzahl an Tagen, über die diese Untersuchung durchgeführt wurde und während der die Auffälligkeit auftritt, ist sie zudem als statistisch hochsignifikant zu werten. Was kann der Grund für dieses Kursverhalten sein?

Seit langem halten sich im Markt Gerüchte, daß von offizieller Seite gegen den Goldkurs interveniert würde. Es wurde sogar eine Organisation gebildet (Gata), die eine Vielzahl an Hinweisen darauf gesammelt hat. Sie haben zumeist Einzelfallcharakter, ergeben in ihrer Summe jedoch bereits ein recht stichhaltiges Bild. Zugleich liegt mit den aufgezeigten Intradaykursverläufen eine nicht wegzudeutende Kursanomalie vor, für die sich keine marktgerechte Erklärung finden läßt. Sie läßt sich aber nun genau durch solche Interventionen erklären. Denn Interventionen sind nicht zufällig, sondern gezielt. Naheliegenderweise wird der Terminmarkt mit seiner Hebelkraft bevorzugt. So untermauert die Kursanomalie als statistischer Beweis das aus Einzelbeobachtungen bestehende Gesamtbild systematischer Kursdrückungen.

Wie der Watergate-Enthüller Woodward mit seinen mittlerweile guten Kontakten in seinem Greenspan-Buch dargelegt hat, wurde im Aktienkrach von 1987 ebenfalls die Kursbeeinflussung über die Terminmärkte gewählt. Diese Aktion ist offenkundig das Vorbild für die Goldpreisdrückung. Dies gilt auch für die Tätigkeit im Geheimen, die anscheinend erfolgsversprechender ist. Eine dritte Parallele besteht darin, daß Privatbaken die Arbeit im Detail ausführen, während die offiziellen Institutionen eine Garantie aussprechen und Koordinationstätigkeiten übernehmen.

Das immer wieder notwendige physische Gold stellen die Zentralbanken dabei nicht nur durch Verkäufe zur Verfügung, sondern auch durch Verleihungen. Dabei verleiht die Zentralbank an eine Privatbank das Gold, welche es im Markt verkauft. Diese Verträge können laufend prolongiert werden, denn die Zentralbanken können sich so verhalten, als bräuchten sie das Gold nicht zurück. Das Ausmaß der Verleihungen wird nämlich nicht publiziert, das verliehene Gold wird wie vorhandenes bilanziert. Es ist der Öffentlichkeit nicht bekannt, wieviel Gold noch in den Tresoren lagert, und wieviel durch Verleihungen physisch auf den Markt gelangt ist. Diese spezielle Buchführungskunst kann übrigens sogar zu Inkorrektheiten wie doppelt gebuchtem Gold führen (denn das verliehene Gold könnte ja bei einer anderen Zentralbank erscheinen).

Doch was veranlaßt die Zentralbanken, sich derart um ein Metall zu kümmern, das kaum noch als Geld genutzt wird? Die Antwort finden wir auf der Fed-Sitzung im Juli 1993, der letzten vor Beginn der Kursanomalie. Gouverneur Angell äußert sich besorgt über den damals gestiegenen Goldkurs, er könne die Inflationserwartungen schüren. Außerdem spricht er den Zusammenhang zwischen dem Langfristzins und dem Goldpreis an, sowie den zwischen Gold und Dollar. Zusammengefaßt könnte man sagen, daß das Warengeld Gold im Wettbewerb mit dem Papiergeld steht. Was kann dabei eine Goldpreisdrückung bewirken? Sie trägt z.B. wie folgt zu niedrigen Zinsen bei: Wenn die Aktienmärkte schwach verlaufen, zugleich aber Gold durch Drückungen unattraktiv gehalten wird, fließt das Geld eher in die Anleihenmärkte. Die Goldpreisdrückung kann die Inflationserwartung niedrig halten, was auch eine niedrigere Inflation zur Folge haben kann, wenn Sparer, Unternehmen oder Arbeitnehmer sich entsprechend verhalten. Auch ein fester Dollar gehörte zu den beabsichtigten Effekten, denn Gold ist auch der größte Wettbewerber der Weltreservewährung Dollar. Man sprach dementsprechend im gleichen Monat, im August 1993, erstmals von offizieller Seite von der "strong dollar policy".

Als unbeabsichtigter Nebeneffekt trug die Drückung freilich auch zum Bubble an den Assetmärkten bei, denn nicht verkonsumierte Gelder und niedrige Zinsen befördern die Preise der Vermögenswerte. Zur Abrundung der Begleitumstände sei noch auf folgendes hingewiesen: Angell bemerkte auch, daß ein Vielfaches der Jahresproduktion an Gold in den Tresoren der Zentralbanken lagert. Eine solche Menge ist aber die Voraussetzung der Drückung. In anderen Warenmärkten ist eine vergleichbare Situation nicht gegeben, es stünde dort bei weitem nicht genügend Material aus Verleihungen zur Verfügung. Besonders bemerkenswert ist aber, daß Angell selbst den Wunsch nach einem gedrückten Goldpreis explizit formulierte, sowie die Möglichkeit dazu: "We can hold the price of gold very easily."

Nachvollziehbare, wenn auch kurzsichtige Überlegungen haben zur systematischen Drückung des Goldpreises geführt. Dies kann bei begrenztem Material nicht ewig weitergehen. Erste Anzeichen weisen darauf hin, daß es zunehmend schwerer fällt, den Goldpreis unten zu halten. Die Goldpreisdrückung ist in den vergangenen zwölf Jahren der bedeutendste Einflußfaktor auf die Goldkursentwicklung gewesen. Sie könnte es, reziprok, auch bei ihrem Ende sein. Der Goldpreis ist niedriger, als er ohne diese Interventionen wäre, und hat somit ein höheres Potential. Zudem wurde das Marktgleichgewicht gestört, etwa zu wenig neue Minen erschlossen. Außerdem könnte sich bei ihrem Ende die Goldpreisdrückung im Falle einer Vertrauenskrise als Boomerang erweisen und das Vertrauen in die Zentralbanken schwächen.


© Dimitri Speck


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Quellen und weiterführende Links:
- www.gata.org (engl)
- www.gold-eagle.com/research/bolserndx.html (engl.)
- www.gold-eagle.com/research/clawarndx.html (engl.)
- www.gold-eagle.com/research/speckndx.html (engl.)
- http://dimitrispeck.goldseiten.de (dt.)




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