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"Crash"-Sorgen

31.03.2014  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Boom-und-Bust

Weltweit hängen die Konjunkturen und auch Finanzmärkte jetzt mehr denn je von der Fortführung der Tiefzinspolitik und dem Ausweiten der Kredit- und Geldmengen ab.

Je höher die Aktienmärkte steigen, je tiefer die Zinsen sind, desto größer scheint die Sorge vor einem möglichen "Crash" zu werden, einem Zusammenbruch von Konjunktur, Börsen sowie Häuser- und Rohstoffpreisen.

Die Sorgen sind nicht unbegründet. Die Zentralbanken erwirken mit ihrer Tiefzinspolitik und dem fortgesetzten Ausweiten der Papiergeldmengen einen Scheinaufschwung“ (Boom).

Dieser wird früher oder später zusammenbrechen, soviel kann die Nationalökonomie dazu sagen. Was sie nicht vorhersagen kann, ist der Zeitpunkt, in dem der Abschwung (Bust) einsetzt.

Entscheidend dürfte für Investoren an dieser Stelle die folgende Frage sein: Wie reagieren die Zentralbanken, sollten die Konjunkturen stark nachgeben, sollten die Börsen drohen abzustürzen?


Szenarien

Zwei (Extrem-)Szenarien seien an dieser Stelle angedacht: (1) Die Zentralbanken greifen nicht ein, oder (2) sie stemmen sich mit allen verfügbaren Mitteln und Instrumenten gegen den Crash.

In Szenario (1) würde die Krise losgetreten, die es bislang zu verhindern galt: Rezession-Depression. Nach Jahren der Tiefzinspolitik und Schuldenmehrung könnte sie so etwas dramatischer ausfallen als noch in 2008/2009.

Die Zinsen stiegen, die Schuldenpyramide geriete ins Wanken. Der Kreditzustrom, der die Konjunkturen bislang getragen hat, versiegt. Zahlungsausfälle von Banken und Staaten wären die Folge.

In Szenario (2) öffnen die Zentralbanken die Geldschleusen. Banken und Staaten erhalten, wenn nötig, von den Zentralbanken Direktkredite in unbegrenzter Höhe.

Für das Papiergeldsystem ist es überlebenswichtig, dass Kreditausfallsorgen gewissermaßen im Keim erstickt werden. Die Furcht vor Zahlungsausfällen ist der Feind des Papiergeldsystems, sie könnte es zu Fall bringen.

In diesem zweiten Szenario würde ein "Crash", ein Einbruch von Konjunktur und Börsen, ein ungehemmtes Geldmengenvermehren zur Begleichung offener Rechnungen nach sich ziehen.


Ausblick

Die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken trägt die weltweite Konjunktur, ihre Wirkung ist noch nicht verpufft. Und vermutlich legen Investoren aktuell ihren Entscheidungen tendenziell Szenario (2) zugrunde, nicht Szenario (1).

Wenn sie Recht behalten, wären "Crash"-Sorgen - ein Absturz der Börsen wie 2008/2009 - derzeit vermutlich überzogen. Die Sorgen der Investoren sollten vielmehr den Folgen der künftigen Geldmengenvermehrung gelten: Der Inflation, die derzeit kleingeredet wird.


Wo liegt er, der richtige Zins?

Wenn argumentiert wird, die Zentralbanken hätten den Zins zu stark herabgesenkt, lautet eine häufig gestellte Frage: Wo liegt er denn, der richtige Zins?

Der richtige Zins ist derjenige Zins, der sich im Markt durch das freie Angebot von und die freie Nachfrage nach Kredit bildet. Es gibt ihn, doch leider lässt er sich nicht direkt beobachten. Denn auf den Kreditmärkten sind weder das Angebot noch die Nachfrage frei: Angebot und Nachfrage sind vielmehr von staatlicher Einflussnahme verzerrt.

Investoren setzten zum Beispiel darauf, dass die Zentralbanken strauchelnde Banken und Staaten mit Liquiditätsspritzen über Wasser halten. Das mindert ihre gesunde Risiko-scheu, und sie kaufen Anleihen, die sie ohne Zentralbankeingriffe nicht kaufen würden, und zwar zu sehr tiefen Zinsen.

Im heutigen Papiergeldsystem besteht das Kreditangebot nicht nur aus echten Ersparnissen (denen ein Konsumverzicht gegenübersteht), sondern Banken schaffen auch neue Kredite "aus dem Nichts". Dieses Kreditangebot senkt die Kreditzinsen künstlich ab (und zwar im Vergleich zu einer Situation, in der nur Kredite vergeben werden, die durch echte Ersparnis gedeckt sind).

Wenn sowohl das Kreditangebot als auch die Kreditnachfrage verzerrt sind, liegt es nahe, dass auch die Zinsen, die sich im Kreditmarkt bilden, verzerrt sind. Die aktuellen Marktzinsen liegen vermutlich - verstärkt durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken - merklich unter dem richtigen Zins, der sich einpendeln würde, wenn im Kreditmarkt das Angebot von und die Nachfrage nach Krediten frei von staatlicher Einflussnahme wären.

Künstlich niedrige Zinsen sorgen für Wirtschaftsstörungen. Sie setzen reditfinanzierte Ausgaben in Gang, die ohne den gedrückten Zins nicht angegangen worden wären. Es kommt zum "Scheinaufschwung", der aber nachfolgend in sich zusammensackt, in eine Rezession führt.

Eine Daumenregel lässt sich an dieser Stelle formulieren: Solange Zentralbanken und Geschäftsbanken neue Kredite vergeben, die nicht durch echte Ersparnis gedeckt sind, wird der Zins künstlich gedrückt - und legt die Saat für Boom-und-Bust-Zyklen. Diese Situation scheint derzeit weltweit gegeben zu sein.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



(1) Siehe hierzu auch die Ausführungen im Degussa Marktreport vom 14. März 2014.



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