Streik!
22.01.2006 | Robert Rethfeld
In loser Folge vergleichen wir zeithistorische Phänomene mit den jeweiligen Situationen an den Aktienmärkten. Zuletzt schrieben wir am 19. August 2005 über Börsenboomzeiten und der Jagd nach dem Wolkenkratzer-Höhenweltrekord.
In dieser Wochenendkolumne nähern wir uns dem Thema Streiks. Arbeitsniederlegungen gab es schon im alten Ägypten. Mit der beginnenden Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts und der zunehmenden Beschäftigung von Menschen in Fabriken gewannen die Streiks in der Neuzeit an Bedeutung.
Streiks im öffentlichen Dienst sind diejenigen, die eine Bevölkerung besonders zu spüren bekommt. Beispielsweise haben Mitarbeiter von Müllabfuhren oder Verkehrsbetrieben (Bahn, Flugverkehr) die Möglichkeit, weite Teile der Bevölkerung innerhalb kurzer Zeit negativ zu beeinträchtigen. Man denke nur an den Streik auf dem Flughafen London Heathrow im vergangenen Jahr.
Gerade der öffentliche Nahverkehr ist anfällig für Arbeitskämpfe. Dennoch sind Streiks nicht häufig. Da muss schon einiges Zusammenkommen, wenn die in den Verhandlungen üblichen Streikandrohungen tatsächlich zu einem Streik führen. Einer der größten Streiks in der Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs fand vor etwa einem Monat in New York statt. Die Bediensteten der Metropolitan Transport Authority (MTA) legten für drei Tage das gesamte U-Bahn- und Bus-Netz in der Weltmetropole lahm. Kurz vor Weihnachten 2005 einigte man sich auf einen neuen Tarifvertrag. Es war der dritte Streik gegen die New Yorker Personenbeförderungsgesellschaft. Der erste fand im Januar 1966, der zweite im April 1980 statt. In beiden Fällen wurde der Verkehr 11 bzw. 12 Tage lang lahm gelegt.
Die Besonderheit der drei New Yorker Arbeitskämpfe, die jedes Mal die Lebensroutine von Millionen von Menschen beeinträchtigten, sind deren Zeitpunkte. Im April 1980 ging ein lang andauernder Bärenmarkt dem Ende entgegen, aber nur die wenigsten Analysten sahen dies. Geld verdient wurde an der Wallstreet kaum noch, die Börsenmagazine beschworen den „Tod der Aktien“. Die Inflationsrate befand sich bei 15 Prozent, die Rohstoffe für Öl und Gold waren gerade dabei, ihren Zenit zu überschreiten. Der Dow Jones Index befand sich zu diesem Zeitpunkt auf einem markanten Tief und zog dann an; 1982 begann der neue Bullenmarkt, der sich bis ins Jahr 2000 hinzog.
1980 einigten sich Gewerkschaften und die New Yorker Transport Authority auf eine Gehaltserhöhung von 9 Prozent im ersten und 8 Prozent im zweiten Jahr.
Im Januar 1966 war die Ausgangssituation für den Streik eine andere. Der nachfolgende Chart zeigt, dass der Streik wiederum zu einem ganz markanten Zeitpunkt stattfand: Der Nachkriegsbullenmarkt - und dort insbesondere die Phase seit 1962 - erreichte just in diesem Moment den Höhepunkt. An der Wall-Street wurden die fetten Jahre gefeiert, Investmentfonds erlebten einen Boom. Die US-Inflationsrate lag bei 2 Prozent und die US-Arbeitslosenquote bei 4 Prozent. Es ist kein Wunder, dass es tief im New Yorker Untergrund grummelte und eine Verteilungsdiskussion in Gang kam, die sich zugunsten der Streikenden auflöste (3,5 Prozent mehr Gehalt).
Fast genau 40 Jahre nach dem ersten Streik (Ende Dezember 2005) fand Streik Nr. 3 der New Yorker ÖPNV-Bediensteten statt. Die Parallelen zu 1966 sind durchaus interessant: Die Rallybewegung befindet sich im vierten Jahr, an der Wallstreet werden die üppigsten Boni seit Jahren ausgezahlt, die offizielle Inflationsrate befindet sich bei 3,5 Prozent und die Arbeitslosenquote mit 4,9 Prozent auf sehr niedrigem Niveau. Das sind Bedingungen, die denjenigen des Jahres 1996 ähnlich sind.
Zur Erinnerung: Die beiden bisherigen Streiks fanden an markanten, auf Jahre hinaus bedeutsamen Wendepunkten an den Aktienmärkten statt. Das mag Zufall sein, aber es ist wohl eher so, dass die gesellschaftlichen Bedingungen, die zu einem Streik bei der New Yorker ÖPNV-Bediensteten im Jahre 1966 führten, durchaus mit denjenigen von heute vergleichbar sind (Stichwort Neiddebatte). Hinzu kommt, dass das Jahr 1966 wie auch 2006 ein 6er-Jahr und ein Zwischenwahljahr war und damit auch für unseren Jahresausblick eine wichtige Bedeutung hatte. Auch war das Jahr 1965 das schwächste 5er-Jahr der letzten 120 Jahre - mit Ausnahme des Jahres 2005. Wir nehmen an, dass sich die Parallelen zwischen den 60er und 00er Jahren weiter fortsetzen werden.
In eigener Sache: Knapp 100 Seiten, mehr als 100 Abbildungen: unsere bisher umfangreichste Jahresprognose ist erschienen. Als Sonderthema haben wir uns in diesem Jahr für das Thema "Inflation" entschieden. Wir versuchen die Treiber der Inflation zu identifizieren und nennen Frühwarnindikatoren für einen Inflationshöhepunkt. Wir betrachten neben dem Aktienmarkt die Rohstoffe (inklusive Gold und Kupfer) sowie die Anleihen und die Währungen, weil diese Märkte nicht unabhängig voneinander analysiert werden können. Nähere Informationen zu Bezug, Inhalten und Abbildungsverzeichnis unter www.wellenreiter-invest.de/ausblick2006.html.
© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de
In dieser Wochenendkolumne nähern wir uns dem Thema Streiks. Arbeitsniederlegungen gab es schon im alten Ägypten. Mit der beginnenden Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts und der zunehmenden Beschäftigung von Menschen in Fabriken gewannen die Streiks in der Neuzeit an Bedeutung.
Streiks im öffentlichen Dienst sind diejenigen, die eine Bevölkerung besonders zu spüren bekommt. Beispielsweise haben Mitarbeiter von Müllabfuhren oder Verkehrsbetrieben (Bahn, Flugverkehr) die Möglichkeit, weite Teile der Bevölkerung innerhalb kurzer Zeit negativ zu beeinträchtigen. Man denke nur an den Streik auf dem Flughafen London Heathrow im vergangenen Jahr.
Gerade der öffentliche Nahverkehr ist anfällig für Arbeitskämpfe. Dennoch sind Streiks nicht häufig. Da muss schon einiges Zusammenkommen, wenn die in den Verhandlungen üblichen Streikandrohungen tatsächlich zu einem Streik führen. Einer der größten Streiks in der Geschichte des öffentlichen Nahverkehrs fand vor etwa einem Monat in New York statt. Die Bediensteten der Metropolitan Transport Authority (MTA) legten für drei Tage das gesamte U-Bahn- und Bus-Netz in der Weltmetropole lahm. Kurz vor Weihnachten 2005 einigte man sich auf einen neuen Tarifvertrag. Es war der dritte Streik gegen die New Yorker Personenbeförderungsgesellschaft. Der erste fand im Januar 1966, der zweite im April 1980 statt. In beiden Fällen wurde der Verkehr 11 bzw. 12 Tage lang lahm gelegt.
Die Besonderheit der drei New Yorker Arbeitskämpfe, die jedes Mal die Lebensroutine von Millionen von Menschen beeinträchtigten, sind deren Zeitpunkte. Im April 1980 ging ein lang andauernder Bärenmarkt dem Ende entgegen, aber nur die wenigsten Analysten sahen dies. Geld verdient wurde an der Wallstreet kaum noch, die Börsenmagazine beschworen den „Tod der Aktien“. Die Inflationsrate befand sich bei 15 Prozent, die Rohstoffe für Öl und Gold waren gerade dabei, ihren Zenit zu überschreiten. Der Dow Jones Index befand sich zu diesem Zeitpunkt auf einem markanten Tief und zog dann an; 1982 begann der neue Bullenmarkt, der sich bis ins Jahr 2000 hinzog.
1980 einigten sich Gewerkschaften und die New Yorker Transport Authority auf eine Gehaltserhöhung von 9 Prozent im ersten und 8 Prozent im zweiten Jahr.
Im Januar 1966 war die Ausgangssituation für den Streik eine andere. Der nachfolgende Chart zeigt, dass der Streik wiederum zu einem ganz markanten Zeitpunkt stattfand: Der Nachkriegsbullenmarkt - und dort insbesondere die Phase seit 1962 - erreichte just in diesem Moment den Höhepunkt. An der Wall-Street wurden die fetten Jahre gefeiert, Investmentfonds erlebten einen Boom. Die US-Inflationsrate lag bei 2 Prozent und die US-Arbeitslosenquote bei 4 Prozent. Es ist kein Wunder, dass es tief im New Yorker Untergrund grummelte und eine Verteilungsdiskussion in Gang kam, die sich zugunsten der Streikenden auflöste (3,5 Prozent mehr Gehalt).
Fast genau 40 Jahre nach dem ersten Streik (Ende Dezember 2005) fand Streik Nr. 3 der New Yorker ÖPNV-Bediensteten statt. Die Parallelen zu 1966 sind durchaus interessant: Die Rallybewegung befindet sich im vierten Jahr, an der Wallstreet werden die üppigsten Boni seit Jahren ausgezahlt, die offizielle Inflationsrate befindet sich bei 3,5 Prozent und die Arbeitslosenquote mit 4,9 Prozent auf sehr niedrigem Niveau. Das sind Bedingungen, die denjenigen des Jahres 1996 ähnlich sind.
Zur Erinnerung: Die beiden bisherigen Streiks fanden an markanten, auf Jahre hinaus bedeutsamen Wendepunkten an den Aktienmärkten statt. Das mag Zufall sein, aber es ist wohl eher so, dass die gesellschaftlichen Bedingungen, die zu einem Streik bei der New Yorker ÖPNV-Bediensteten im Jahre 1966 führten, durchaus mit denjenigen von heute vergleichbar sind (Stichwort Neiddebatte). Hinzu kommt, dass das Jahr 1966 wie auch 2006 ein 6er-Jahr und ein Zwischenwahljahr war und damit auch für unseren Jahresausblick eine wichtige Bedeutung hatte. Auch war das Jahr 1965 das schwächste 5er-Jahr der letzten 120 Jahre - mit Ausnahme des Jahres 2005. Wir nehmen an, dass sich die Parallelen zwischen den 60er und 00er Jahren weiter fortsetzen werden.
In eigener Sache: Knapp 100 Seiten, mehr als 100 Abbildungen: unsere bisher umfangreichste Jahresprognose ist erschienen. Als Sonderthema haben wir uns in diesem Jahr für das Thema "Inflation" entschieden. Wir versuchen die Treiber der Inflation zu identifizieren und nennen Frühwarnindikatoren für einen Inflationshöhepunkt. Wir betrachten neben dem Aktienmarkt die Rohstoffe (inklusive Gold und Kupfer) sowie die Anleihen und die Währungen, weil diese Märkte nicht unabhängig voneinander analysiert werden können. Nähere Informationen zu Bezug, Inhalten und Abbildungsverzeichnis unter www.wellenreiter-invest.de/ausblick2006.html.
© Robert Rethfeld
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