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Tyrann der Nachbarschaft: Amerika markiert den Dicken

20.08.2014  |  Peter Schiff
Am 30. Juni gaben die US-Behörden bekannt, man werde die französische Bank BNP Parisbas aufgrund von Verletzungen der US-Finanzsanktionen gegen den Iran, Sudan und Kuba zu einer Strafe von 9 Milliarden US $ verurteilen. BNP hatte wiederholt Geschäfte mit Ländern gemacht, die die Vereinigten Staaten von Amerika diplomatisch zu isolieren versucht hatten (manchmal einseitig wie im Fall Kuba).

Obgleich BNP, theoretisch betrachtet, nicht dem Rechtbereich der amerikanischen Behörden unterliegt (und offenbar auch kein im Heimatland geltendes Recht verletzt hatte), verhängten die USA die bislang größte Strafe überhaupt und zugleich auch die größte Strafe, die jemals gegen eine Firma mit Sitz außerhalb der USA verhängt wurde.

Wie das US-Finanzministerium und die Federal Reserve deutlich machten, werde die französische Bank von den Vereinigten Staaten an der Teilnahme an dollarbasierten internationalen Transaktionen gehindert - falls sie nicht jene 9 Mrd. $ rüberreiche (immerhin das Äquivalent der Umsatzerlöse eines Jahres). Für eine Institution, die ihr Hauptgeschäft mit solchen Transaktionen bestreitet, ist eine derartige Sanktionierung gleichbedeutend mit der Todesstrafe. Die Strafe wird bezahlt.

Die Gerüchte verdichten sich, dass nun auch die deutsche Commerzbank als nächste europäische Finanzinstitution mit Washingtons Zorn rechnen muss. Den Gerüchten zufolge hat sie eine Strafe von mindestens 500 Millionen $ zu befürchten - was in etwa dem Jahresgewinn der Bank entspricht.

Als gleich man nächsten Tag dann auch noch das Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) offiziell als Gesetz in Kraft trat, musste man fast schon daran glauben, dass hier ein Finanzgott mit bissigem Sinn für Humor die Fäden zog. FACTA ist ein neues Gesetzeswerk, das allen ausländischen Finanzinstitutionen routine- und regelmäßige Rechenschaftslegung an das US-Finanzamt (US Internal Revenue Service) abverlangt - und zwar über die Finanzaktivitäten aller US-amerikanischen Kunden.

Darüber hinaus werden die Finanzinstitutionen in diesem Gesetz verpflichtet, auch über alle nicht-amerikanischen Kunden Auskunft zu erteilen, die in den USA gearbeitet haben oder aber über Personen, die “umfangreiche“ Beziehungen den USA haben (wie unangenehm, dass das Gesetz nicht ausdrücklich definiert, was "umfangreich" zu bedeuten hat). Bei Nichtauskunft wird das US-Finanzamt mit einem automatischen Steuereinbehalt in Höhe von 30% auf alle dollarbasierten Transaktionen jener Kunden ahnden, welche als US-amerikanisch eingestuft wurden - entweder nach Geburt, Heirat oder aber durch einfache Zuordnung.

Nun sind die Vereinigten Staaten eines jener zwei Länder weltweit (Eritrea ist das andere), das seine Bürger nach erhaltenem Einkommen besteuert, ganz gleich, wo dieses verdient wurde und wo der Bürger lebte, als er sein Einkommen verdiente. Das heißt also auch, dass die FACTA-Gesetzgebung ein Versuch ist, das US-Steuerrecht und die US-amerikanische Steuergerichtsbarkeit (durch unilaterales Diktat) auf den Rest der Welt auszudehnen.

Das Economist Magazine, das nicht gerade für panische Berichterstattung bekannt ist, beschreibt FACTA als “Ausprägung von Extraterritorialität, die selbst nach Washingtoner Maßstäben zu urteilen verblüffend ist“. (Falls jemand im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst hat: "Exterritorialität" ist der Versuch eines Landes, die eigene Gesetzgebung auch außerhalb der eigenen Grenzen durchzusetzen.)

Schlimmer noch sind alle Folgekosten, die bei der Einhaltung dieser Gesetze anfallen. Nach Schätzungen vieler Steuerberatungsunternehmen und Analysten wird die Einhaltung der US-Vorschriften jenen nicht in den USA angebundenen Banken (welche nur eingeschränkte Möglichkeiten der Lobbyarbeit und Einfluss auf die US-Gesetzgeber haben) bei Weitem mehr Kosten verursachen wird, als jene optimistisch geschätzten 800 Millionen $ Mehreinnahmen, von denen die Befürworter des Gesetzes ausgehen.

Im Artikel von 28. Juni zitiert der Economist einen Anwalt für internationales Steuerrecht mit den folgenden Worten: FACTA "wirft die Vermögensanlagen des Privatsektors auf den Scheiterhaufen, so dass der Staat die Asche einsammeln kann."

Besonders lästig werden die Gesetze schon deshalb, weil die Vereinigten Staaten sich in der Regel nicht denselben Standard unterwerfen wollen, welche sie von anderen einfordern. Wenn andere Staaten Washington um Auskunft über Finanzdetails ihrer Bürger bitten, führt die US-Regierung heuchlerisch den Schutz der Privatsphäre ins Feld und stellt sich auf den Altar der Freiheitsrechte. Trotz des erklärten Krieges gegen Steueroasen sind die Vereinigten Staaten für Nicht-Amerikaner in Wirklichkeit aber die größte Steueroase der Welt.

Den ausländischen Banken bleibt, wie auch schon BNP, kaum eine andere Wahl als nachzugeben. Angesichts der enormen Bedeutung der US-dollarbasierten Transaktionen für das operative Tagesgeschäft blasen letztendlich die US-Behörden den Marsch. Die Komplexität und Undurchsichtigkeit des Gesetzeswerks hat die US-Behörden dann doch noch zu ein wenig Nachsicht bewogen, so dass ausländischen Banken etwas mehr Zeit zur Umsetzung der Bestimmungen eingeräumt wurde. In vielerlei Hinsichten ähnelt das der Art und Weise, wie die Obama-Administration ihr ObamaCare-Mandat auf eine ständig verwirrte und überwältigte US-Öffentlichkeit ausgedehnt hatte. Ein schwacher Trost.

Im Vorfeld der Geschehnisse um FACTA und BNP hatten die USA schon einen Monat zuvor die Daumenschrauben bei verschiedenen Schweizer Banken angezogen, welche versucht hatten, sich auf das in ihrem Land geltende Bankgeheimnis zu berufen. Mit groben Mitteln sorgen die US-Behörden dafür, dass Schweizer Banken internationale Finanztransaktionen unmöglich gemacht wurden - falls sie nicht mit Washington kooperieren und alle Informationen weiterreichen, die sie über ihre US-Kunden besitzen. Und wer hätte es gedacht, die USA setzten sich durch!

In Juni gab es ein weiteres Ereignis: das absurde Ende der deutschen Bemühungen, hunderte Tonnen Gold zurückzuholen, die angeblich in der Federal Reserve von New York verwahrt werden. Deutschland hatte vor zwei Jahren Gold angefordert hatte, nachdem es in der in der Folgezeit lediglich Bruchteile dieser Mengen ausgeliefert bekam, machten die Deutschen aus der Not eine Tugend und ließen ihre Goldrückforderung insgesamt fallen (dazu das Interview von Andrew Schiff mit Peter Boehringer).

Dennoch scheint das Schicksal BNPs aber stärkere Wellen zu schlagen, die weit mehr sind als das typische Grummeln, das US-amerikanische Muskelspiele normalerweise auslösen. Wenige Tage nach Verhängung der Strafe zweifelte der französische Finanzminister Michel Sapin ihre Rechtmäßigkeit an und verwies darauf, dass die beanstandeten Transaktionen unter französischem Recht eben nicht illegal seien. (Den Berichten zufolge soll die Obama-Administration die Forderungen des Präsidenten Francois Hollande nach einer Reduzierung der Strafe ignoriert haben.)




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