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Opium fürs Volk

28.01.2006  |  Robert Rethfeld
Zwischen den USA und China herrscht ein Gleichgewicht des Schreckens, von dem niemand Interesse hat, dass es aufgehoben wird. Die USA konsumieren die in China hergestellten Waren, die chinesischen Unternehmen erhalten dafür US-Dollar und legen diese bei den Banken an. Die chinesische Zentralbank steuert dem - durch die Handelsbilanzüberschüsse ausgelösten - permanenten Aufwertungsdruck des Renminbi entgegen, indem sie US-Anleihen kauft. Dies hält wiederum die US-Zinsen niedrig und ermöglicht es dem US-Konsumenten, mit Hilfe preiswerter Kredite noch mehr Güter aus China zu erwerben.

Wenn man sich fragt, welches Element diesen derzeit stabilen Kreislauf unterbrechen und in einen Teufelskreis verwandeln könnte, so sind es weder die chinesischen Unternehmer noch die chinesische Zentralbank. Es ist auch nicht die Fed und nicht die US-Regierung. Das schwache Glied in der Kette ist der US-Konsument.

Auf der 21. Kapitalanleger-Tagung in Zürich wurde deshalb dem US-Konsumenten besondere Aufmerksamkeit zuteil. Nachdem in den vergangenen Jahren vor allen Dingen permanente Negativ-Denker und „Doomsayer“ das Ende des US-Konsumrauschs vorhersagten und damit wieder und wieder schief lagen, dürften die derzeitigen Aussagen von Großbanken wie der Credit Suisse die Ansicht unterstützen, dass der US-Konsum in diesem Jahr hinter seinem Potentialwachstum zurückbleiben wird. Dieser Konsumrückgang kann auch nicht durch verstärkte Capex-Ausgaben ausgeglichen werden, so Philipp Vorndran, CEO der Credit Suisse Asset Management Deutschland.

Vorndran erinnerte daran, dass der Westen bereits einmal in ein großes Handelsbilanzdefizit mit China hineinlief. Im 17. und 18. Jahrhundert schwärmte der Westen für Tee und Seide und führte sie in großen Mengen aus China ein. Umgekehrt hatte China kein Interesse an westlichen Waren, so dass die Devisenabflüsse nach China im Westen zu einer spürbaren Silberverknappung führte, was teils dramatische Folgen für die westlichen Volkswirtschaften hatte.

Wie löste der Westen das Problem? Indem allen voran die Briten mit dem verstärkten Export von Opium nach China begannen, um die Chinesen vom Rauschgift abhängig zu machen. Laut einem Artikel in Wikipedia.de verfünffachte sich zwischen 1821 und 1837 die umgeschlagene Menge. China versuchte sich zu wehren, Großbritannien entsandte Kriegsschiffe nach China. Der erste Opiumkrieg dauerte von 1839 bis 1842 und führte zum Niedergang Chinas. Das Reich verkam in der Folgezeit zu einem westlichen Protektorat. Ist das Opium von damals der US-Dollar von heute? Damals erhielt China für Tee und Seide gezwungenermaßen Opium, heute erhält das Reich für Geschenkartikel, Porzellan und Pullover eine Papierwährung namens US-Dollar. Der Westen hat gelernt und ist so schlau, die eigentlichen Währungsreserven (Gold und Silber) nicht nach China fließen zu lassen.

Im Gegensatz zu damals scheint heute niemand an einem einseitigen Abbruch der Waren- und Kapitalströme interessiert zu sein, und deshalb erscheint eine Lösung im Rahmen eines Krieges nicht wahrscheinlich: Noch funktioniert der Kreislauf. Probleme gibt’s erst dann, wenn das Gleichgewicht des Schreckens aufgehoben wird. Und würde man auf ein Glied in der Kreislaufkette wetten, so müsste man aus heutiger Sicht auf den US-Konsumenten als das potentiell schwächste Glied hinweisen. Nicht zuletzt, weil sich ein Ende des Hausbaubooms jetzt auch in Zahlen niederschlägt, aber auch, weil die Löhne in den USA kaum steigen.



Was war Konsensus in Zürich? Ein fallender US-Dollar ja, aber nicht in den ersten Monaten. Europa vorn? Ja, ein zyklischer Aufschwung dürfte eine positive Überraschung sein. Asien wurde ebenfalls weiteres Aufwärtspotential zugetraut, ein positiver Investmentcase Japan war ein Lieblingsthema der Referenten. Ein anderes großes Thema in Zürich waren die Rohstoffe. Der Trend, in Rohstoffe zu investieren, beginnt für die großen Versicherungen und Pensionskassen erst jetzt. Auch auf Immobilieninvestments in Asien und Indien wurde hingewiesen. Inflation in USA? Das sahen nur wenige. Einzig das Bankhaus Metzler kann sich deutlich steigende Inflationswerte in diesem Jahr vorstellen. An den Aktienmärkten sah man allgemein Gefahren für das 2. Halbjahr.

Enttäuschend und unengagiert vorgetragen war der Vortrag von Stephen Roach, dem Chef-Ökonom von Morgan Stanley. Insgesamt war die Veranstaltung jedoch lohnenswert, insbesondere deshalb, weil wir das Vergnügen hatten, das Wall-Street-Urgestein Ralph Acampora zu interviewen. Acampora ist der Dow Jones Index nicht ganz geheuer, Komponenten wie General Electric, General Motors oder Johnson & Johnson befinden sich in massiven Abwärtstrends. Für positive Überraschungen dürften Sony, Hitachi, Corning und Akamai sorgen.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de







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