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Regierungen brauchen Inflation, Wirtschaften nicht!

21.10.2014  |  Peter Schiff
In seinem Artikel, erschienen im britischen Telegraph am 10. Oktober, legt der altgediente Wirtschaftskorrespondent Ambrose Evans-Pritchard eine ganz basale Wahrheit frei, die sich hinter dem nun fast allgemein akzeptierten ökonomischen Patentrezept der “Inflation" verbirgt. Während Politiker, Manager und Ökonomen über Nachfrageförderung und die Gefahr einer deflationären Falle reden, erinnert Evans-Pritchard uns daran, dass es bei Inflation immer und überall um Schuldenmanagement geht.

Jahr für Jahr klettert die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP - das gilt für Schwellenländer wie für entwickelte Wirtschaften. Da diese Schuldstandsquoten inzwischen ungekannte Höhen erreicht haben (insbesondere in den südlichen Regionen Europas), bietet sich nur noch ein einziges probates Mittel, um einen Schuldenausfall hinauszuzögern: “Weginflationierung" per Schuldenmonetisierung.

Evans-Pritchard zitiert einen Analysten der Bank of America, der meint, dass “niedrige Inflation“ (ganz zu schweigen von echter Deflation) sogar “die größte Bedrohung für die Dynamik der Staatsverschuldung“ sei. Christine Lagarde, geschäftsführende Direktorin des IWF, verfiel in noch schärfere Darstellungen, als sie die Deflation gegenüber dem Washington Press Club als “Ungeheuer, das entschieden bekämpft werden muss“ bezeichnete. Mit anderen Worten: Um überlebensfähig zu bleiben, brauchen Staaten Inflation. Sie ist die Droge, ohne die es nicht geht.

Leider ist diese simple Wahrheit zu kompromittierend, um sie öffentlich einzugestehen. Also haben Politiker und Zentralbanker (wie auch Akademiker, Journalisten und Finanzapologeten) eine ganze Auswahl an gequälten Theorien zusammengestellt, die zeigen sollen, warum Inflation nicht nur gut für überschuldete Staaten ist, sondern auch von ganz essentiellem ökonomischem Nutzen für die Allgemeinheit.

Dank eines Propagandasiegs, auf den selbst Goebbels neidisch wäre, gilt es nun als allgemeinhin akzeptiert, dass zugunsten von Wirtschaftswachstum die Kaufkraft sinken muss.

Auch wenn ökonomische Erfahrungen aus Jahrhunderten das Gegenteil belegen, wird heute wieder wie folgt argumentiert: Verbraucher geben kein Geld aus, wenn die Inflation unter 2% liegt, folglich stellen die Unternehmen keine Leute ein und die Wirtschaft wird in eine nicht zu durchbrechende Todesspirale der Deflation stürzen.

Um das zu verhindern, so lautet die Empfehlung, sollten die Staaten mehr staatliche Gelder ausgeben, ohne die Steuern zu erhöhen. Diese Maßnahme würde nicht nur direkte, staatlich finanzierte Stimuli umfassen. Das zur Defizitfinanzierung durch die Zentralbank geschöpfte Geld würde gleichzeitig die Preise in die Höhe treiben und das wäre, so das Argument, sehr gesund für die Wirtschaft. “Wie praktisch!“ könnte man da nur in Anlehnung an die “Church Lady“ sagen [bigotte Kirchgängerin aus gleichlautender US-Comedyserie; Anm. d. Red.].

Den Wählern etwas gratis ohne Gegenleistung zu offerieren, ist der Heilige Gral der Politik. Wirklichkeitsbezogene Wähler sollten aber wissen, dass Gratispakete immer mit bestimmten Kosten aufwarten. Wirtschaftswissenschaft ist das nicht - das ist Physik.

Wenn steigende Staatsausgaben über Steuererhöhungen bezahlt werden, merkt der Arbeiter das an der schrumpfenden “Lohntüte“. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass Staatsausgaben durchaus ihren Preis haben. Schwerer zu erkennen ist dieser klare Zusammenhang, wenn die Staatsausgaben über Inflation (Geldschöpfung) finanziert werden. Für den Verbraucher kommt unterm Strich aber dasselbe raus.

Inflation verringert nicht den Nominalbetrag einer Gehaltszahlung. Steigende Preise lassen aber die Menge der Güter und Dienstleistungen sinken, die man damit kaufen kann. Wenn der Staat also ein Defizit einfährt, haben die Arbeiter die Rechnung zu begleichen. Ihr Lebensstandard wird sich verringern, egal ob sie in Form steigender Steuern oder in Form von Inflation bezahlen. Der große Unterschied ist folgender: Bei Steuererhöhungen wissen die Arbeiter, wem sie die Schuld geben müssen - dem Staat. Das erklärt auch, warum Inflation das bevorzugte Mittel ist.

Um dieser Präferenz Sichtschutz und Rückendeckung zu verschaffen, haben sich Ökonomen ein eigentümliches Konzept einfallen lassen, das da lautet: Sinkende, oder auch stabile Preise, ersticken die Nachfrage und unterdrücken den Konsum.

Man gibt sich folgender Vorstellung hin: Wenn die Verbraucher wissen, dass etwas in Zukunft billiger werde (auch wenn es nur 2% wären), so würden sie ihre Käufe unendlich lange aufschieben - vielleicht sogar solange, bis der Preis der von ihnen begehrten Produkte oder Dienstleistungen fast gegen null geht. Die Schlussfolgerung lautet: Ein solches Verhalten würde die Wirtschaft in eine deflationäre Spirale stoßen, aus der es nie wieder einen Ausweg gäbe.

Dieses Konzept lässt aber den Zeitwert von Produkten oder Dienstleistungen unberücksichtigt (dass Menschen tendenziell mehr bezahlen, um früher und nicht später in den Genuss einer Sache zu kommen). Ausgeklammert wird auch ein ökonomisches Gesetz, das besagt, dass die Nachfrage steigt, wenn der Preis sinkt. Allerdings haben gesunder Menschenverstand und aktuelle ökonomische Praxis überhaupt nichts mehr gemeinsam. Das beherrschende Argument lautet hingegen, dass Inflation benötigt wird, um in der Wirtschaft die Nachfrage zu säen.




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