Japan: Abenomics und der pure Wahnsinn
01.11.2014 | Klaus Singer
Die japanische Notenbank (BoJ) erhöht ihr Ziel für die Ausweitung der Geldmenge auf rund 80 Bio. Yen pro Jahr. Bislang war ein Plus von 60 bis 70 Bio. Yen im Jahr abgepeilt worden. Der Ankauf von Staatsanleihen soll um ein Volumen von 30 Bio. Yen jährlich erhöht werden, die Haltedauer der Papiere soll auf bis zu zehn Jahre steigen. Außerdem will die BoJ japanische Aktien-ETF und Immobilienanlagen in noch größerem Umfang kaufen als bisher.
Die Entscheidung kommt unmittelbar nach Auslaufen der QE-Maßnahmen der Fed - sie hat die Akteure an den Finanzmärkten überrascht. Zuvor war schon berichtet worden, dass der weltgrösste Pensionsfonds (GPIF) den Anteil ausländischer Anleihen von 11% auf 15% erhöhen will. Als unmittelbare Reaktion steigt der Nikkei-Index um 4,8% auf ein sieben-Jahres-Hoch, der Yen fällt gegenüber dem Dollar auf ein sechs-Jahres-Tief. Die Aktienbullen fühlten sich weltweit angespornt und schalten in den Kaufrausch-Modus.
Als Grund für ihre Entscheidung nannten die japanischen Währungshüter die schwache Nachfrage und die niedrigen Erdölpreise. Die Massnahmen seien nötig, um das Inflationsziel von 2% zu halten und die Deflationsmentalität zu besiegen. Die japanische Inflationsrate kam im September auf hohe 3% ohne Lebensmittel, jedoch einschließlich Ölprodukte; sie ist gegenüber dem Vormonat leicht gefallen. Die Arbeitslosenquote ist im September auf 3,6% gestiegen nach 3,5% im August. In der erstmals seit drei Jahren rückläufigen Zahl der verfügbaren Stellen wird die Gefahr gesehen, dass der Arbeitsmarkt an Schwung verliert.
Regierungsvertreter beteuerten die Bereitschaft, ein neues Konjunkturprogramm aufzulegen. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, heißt es. Im zweiten Quartal war die japanische Wirtschaft so stark geschrumpft wie seit der Atom-Katastrophe im März 2011 nicht mehr. Als Grund gilt die deutliche Anhebung der Mehrwertsteuer zum April, die Käufe seitens der Verbraucher hat vorziehen lassen.
Das Jahr 2012 leitete eine Zeitenwende für Japan ein (auch Zeit ist relativ...). Nach zwei Dekaden wirtschaftlicher Stagnation in Folge des Platzens der Asset-Blase in den frühen 1990er Jahren startete Premierminister Shinzo Abe ein Programm zur Belebung der Wirtschaft. Diese "Abenomics" haben drei Pfeile im Köcher. Der erste umfasst geldpolitische Maßnahmen zum Anheizen der Inflation. Der zweite sieht umfangreiche staatliche Anreizprogramme vor. Der dritte zielt auf breit angelegte strukturelle Reformen ab.
Es steht außer Frage, dass die ersten beiden Pfeile nicht ohne Wirkung blieben. Das gilt für jeden geld- und fiskalpolitischen Stimulus, wenn er nur bezogen auf die jeweilige Situation stark genug ist. Genauso gilt, dass diese Maßnahmen lediglich ein Strohfeuer entfachen, das eher früher als später erlischt und die Situation dann ins Gegenteil verkehrt, wenn nicht gleichzeitig die strukturellen Ursachen angegangen werden, die zur Malaise geführt haben. Dieser dritte Pfeil in der Terminologie der Abenomics entscheidet am Ende, ob dieses Experiment Erfolg hat oder in einem Desaster endet.
Die geldpolitischen Maßnahmen haben dazu geführt, dass der Yen über 30% an Wert verloren hat, was die internationale Wettbewerbssituation Japans entsprechend verbessert. Die Yen-Abwertung hat jedoch nur eine unterproportionale Wirkung auf den Export, weil japanische Unternehmen massiv in China und in den ASEAN-Ländern investiert haben.
Die weltweiten Rohstoffpreise einschließlich Energie sind gleichzeitig eher gesunken, wodurch der Effekt der schwächeren Währung auf die Teuerung begrenzt blieb. Offenbar ist man in Regierung und BoJ der Meinung, dass immer noch nicht genügend erste und zweite Pfeile abgeschossen worden sind, was man umgekehrt auch als Zeichen für ihre unzureichende und v.a. nicht nachhaltige Wirkung ansehen muss.
Wohin der dritte Pfeil der strukturellen Reformen zielt, ist bis heute nicht klar. Mit konkreten Aussagen und Vorhaben hält man sich bedeckt. Ausländische Beobachter sehen den Fokus auf der Angebotsseite der Wirtschaft. So müsse der Arbeitsmarkt flexibilisiert und das Angebot erweitert werden (sprich, die Löhne müssen sinken).
Gleichzeitig müssten die Unternehmenssteuern weiter sinken, der Markt dür Unternehmensanleihen müsse ausgeweitet werden. Durch eine Trans-Pazifische Partnerschaft müsse das Land für ausländische Investitionen attraktiver werden. Da Japan die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde ist, hätte eine solche Entwicklung positive Auswirkungen auf die Nachbarstaaten und die Weltwirtschaft insgesamt, heißt es.
Die nachfolgenden Charts stammen aus der Studie "The Yen Sets, but Does the Sun Rise? Abenomics and the Future of Japan" von Ross DeVol, Donald Markwardt und Nan Zhang (Veröffentlichung des Milken-Instituts).
Der erste Chart zeigt sehr deutlich, was das QE-Programm der Jahre 2001 bis 2006 gebracht hat - nämlich nichts. Der Chart stellt die Auswirkungen auf der monetären Seite dar: Die Liquidität ist in dieser Zeit um lediglich 2% jährlich angestiegen, in den Jahren von 1993 bis 2000 betrug die durchschnittliche Zuwachsrate 3,4%. Die Kreditaktivitäten der Banken sanken zwischen 2001 und 2006 um 15%.
Wie schlecht sich das BIP in Japan im Vergleich zu anderen entwickelten Volkswirtschaften seit 1990 entwickelt hat, zeigt der folgende Chart.
An der Arbeitsproduktivität kann das nicht gelegen haben, wie dieser Chart zeigt:
Die Entscheidung kommt unmittelbar nach Auslaufen der QE-Maßnahmen der Fed - sie hat die Akteure an den Finanzmärkten überrascht. Zuvor war schon berichtet worden, dass der weltgrösste Pensionsfonds (GPIF) den Anteil ausländischer Anleihen von 11% auf 15% erhöhen will. Als unmittelbare Reaktion steigt der Nikkei-Index um 4,8% auf ein sieben-Jahres-Hoch, der Yen fällt gegenüber dem Dollar auf ein sechs-Jahres-Tief. Die Aktienbullen fühlten sich weltweit angespornt und schalten in den Kaufrausch-Modus.
Als Grund für ihre Entscheidung nannten die japanischen Währungshüter die schwache Nachfrage und die niedrigen Erdölpreise. Die Massnahmen seien nötig, um das Inflationsziel von 2% zu halten und die Deflationsmentalität zu besiegen. Die japanische Inflationsrate kam im September auf hohe 3% ohne Lebensmittel, jedoch einschließlich Ölprodukte; sie ist gegenüber dem Vormonat leicht gefallen. Die Arbeitslosenquote ist im September auf 3,6% gestiegen nach 3,5% im August. In der erstmals seit drei Jahren rückläufigen Zahl der verfügbaren Stellen wird die Gefahr gesehen, dass der Arbeitsmarkt an Schwung verliert.
Regierungsvertreter beteuerten die Bereitschaft, ein neues Konjunkturprogramm aufzulegen. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, heißt es. Im zweiten Quartal war die japanische Wirtschaft so stark geschrumpft wie seit der Atom-Katastrophe im März 2011 nicht mehr. Als Grund gilt die deutliche Anhebung der Mehrwertsteuer zum April, die Käufe seitens der Verbraucher hat vorziehen lassen.
Das Jahr 2012 leitete eine Zeitenwende für Japan ein (auch Zeit ist relativ...). Nach zwei Dekaden wirtschaftlicher Stagnation in Folge des Platzens der Asset-Blase in den frühen 1990er Jahren startete Premierminister Shinzo Abe ein Programm zur Belebung der Wirtschaft. Diese "Abenomics" haben drei Pfeile im Köcher. Der erste umfasst geldpolitische Maßnahmen zum Anheizen der Inflation. Der zweite sieht umfangreiche staatliche Anreizprogramme vor. Der dritte zielt auf breit angelegte strukturelle Reformen ab.
Es steht außer Frage, dass die ersten beiden Pfeile nicht ohne Wirkung blieben. Das gilt für jeden geld- und fiskalpolitischen Stimulus, wenn er nur bezogen auf die jeweilige Situation stark genug ist. Genauso gilt, dass diese Maßnahmen lediglich ein Strohfeuer entfachen, das eher früher als später erlischt und die Situation dann ins Gegenteil verkehrt, wenn nicht gleichzeitig die strukturellen Ursachen angegangen werden, die zur Malaise geführt haben. Dieser dritte Pfeil in der Terminologie der Abenomics entscheidet am Ende, ob dieses Experiment Erfolg hat oder in einem Desaster endet.
Die geldpolitischen Maßnahmen haben dazu geführt, dass der Yen über 30% an Wert verloren hat, was die internationale Wettbewerbssituation Japans entsprechend verbessert. Die Yen-Abwertung hat jedoch nur eine unterproportionale Wirkung auf den Export, weil japanische Unternehmen massiv in China und in den ASEAN-Ländern investiert haben.
Die weltweiten Rohstoffpreise einschließlich Energie sind gleichzeitig eher gesunken, wodurch der Effekt der schwächeren Währung auf die Teuerung begrenzt blieb. Offenbar ist man in Regierung und BoJ der Meinung, dass immer noch nicht genügend erste und zweite Pfeile abgeschossen worden sind, was man umgekehrt auch als Zeichen für ihre unzureichende und v.a. nicht nachhaltige Wirkung ansehen muss.
Wohin der dritte Pfeil der strukturellen Reformen zielt, ist bis heute nicht klar. Mit konkreten Aussagen und Vorhaben hält man sich bedeckt. Ausländische Beobachter sehen den Fokus auf der Angebotsseite der Wirtschaft. So müsse der Arbeitsmarkt flexibilisiert und das Angebot erweitert werden (sprich, die Löhne müssen sinken).
Gleichzeitig müssten die Unternehmenssteuern weiter sinken, der Markt dür Unternehmensanleihen müsse ausgeweitet werden. Durch eine Trans-Pazifische Partnerschaft müsse das Land für ausländische Investitionen attraktiver werden. Da Japan die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde ist, hätte eine solche Entwicklung positive Auswirkungen auf die Nachbarstaaten und die Weltwirtschaft insgesamt, heißt es.
Die nachfolgenden Charts stammen aus der Studie "The Yen Sets, but Does the Sun Rise? Abenomics and the Future of Japan" von Ross DeVol, Donald Markwardt und Nan Zhang (Veröffentlichung des Milken-Instituts).
Der erste Chart zeigt sehr deutlich, was das QE-Programm der Jahre 2001 bis 2006 gebracht hat - nämlich nichts. Der Chart stellt die Auswirkungen auf der monetären Seite dar: Die Liquidität ist in dieser Zeit um lediglich 2% jährlich angestiegen, in den Jahren von 1993 bis 2000 betrug die durchschnittliche Zuwachsrate 3,4%. Die Kreditaktivitäten der Banken sanken zwischen 2001 und 2006 um 15%.
Wie schlecht sich das BIP in Japan im Vergleich zu anderen entwickelten Volkswirtschaften seit 1990 entwickelt hat, zeigt der folgende Chart.
An der Arbeitsproduktivität kann das nicht gelegen haben, wie dieser Chart zeigt: