Kapitalmarktausblick 2015: Willkommen in der Null-Prozent-Welt
26.12.2014 | Carsten Klude
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Und hier zeichnet sich derzeit nicht ab, dass die Phase sehr niedriger Inflationsraten bald zu Ende gehen könnte. Der Ölpreis und der Rückgang vieler anderer Rohstoffpreise wirkt ebenso disinflationär (wenn nicht sogar deflationär) wie die geringe Kapazitätsauslastung oder die kaum steigenden Lohnstückkosten. Inflation wird daher auch 2015 kein Thema sein, so dass die internationale Geldpolitik expansiv bleiben wird und sich an dem niedrigen Zinsniveau im nächsten Jahr nichts ändern wird.Weitere Kursgewinne sind daher vor allem bei europäischen Staatsanleihen durchaus noch möglich, zumal die EZB Anfang 2015 wohl damit beginnen wird, Staatsanleihen aufzukaufen. Selbst bei Bundesanleihen ist das Ende der Fahnenstange bei den Renditen noch nicht erreicht. So hat die Europäische Zentralbank das Ziel ausgegeben, ihre Bilanzsumme von gut zwei auf rund drei Billionen Euro zu erhöhen.
Zu diesem Zweck hat sie begonnen, Pfandbriefe und Asset-Backed-Securities aufzukaufen. Nachdem aber auch das zweite langfristige Refinanzierungsgeschäft (TLTRO) der EZB von den Banken Anfang Dezember nur in verhältnismäßig geringem Ausmaß in Anspruch genommen wurde (130 Milliarden Euro nach gut 80 Milliarden beim ersten TLTRO im September 2014), steht fest, dass die Notenbank wesentlich aggressiver zu Werke gehen muss, wenn sie ihr Ziel erreichen will. Von daher dürfte sie Ende Januar oder spätestens Anfang März (ab 2015 trifft sie die EZB nur noch alle sechs Wochen) ein umfangreiches Staatsanleihenaufkaufprogramm beschließen.
Um sich nicht dem Vorwurf der gezielten Staatsfinanzierung auszusetzen, wird die EZB vermutlich Staatsanleihen aller Länder der Eurozone gemäß ihrem jeweiligen Kapitalschlüssel an der EZB aufkaufen. Der Anteil Deutschlands am voll eingezahlten Kapital beträgt 25%. Somit könnte die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen in der ersten Jahreshälfte 2015 auf ein neues Rekordtief von unter 0,5 Prozent fallen. Zum Jahresende hin dürfte die erwartete konjunkturelle Verbesserung in der Eurozone und die Zinswende seitens der amerikanischen Notenbank wieder zu leicht steigenden Renditen führen.
Unsere Jahresendprognose für 10-jährige Bunds lautet von daher 0,75 Prozent. Bei europäischen Staatsanleihen empfehlen wir weiterhin, Staaten aus der Peripherie überzugewichten (2). Denn die EZB hat bereits angekündigt, mindestens bis 2016 an ihrer äußerst expansiven Geldpolitik festzuhalten, und was danach kommt, steht noch in den Sternen. Der weitere Anstieg der Schuldenquoten in fast allen Ländern der Eurozone macht es aus unserer Sicht zwingend erforderlich, dass die EZB noch sehr lange an ihrer Niedrigzinspolitik festhalten muss. Japan lässt grüßen!
Ein kurzes Beispiel mag diese Überlegung verdeutlichen: Japan hat zwar eine Staatsverschuldung von über 240 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, zahlt darauf im Durchschnitt aber nur gut ein Prozent Zinsen. Die Zinslast für Japan beträgt also 2,4% des BIP. Italien hat mit gut 130 Prozent zwar eine geringere Staatsverschuldung, zahlt hierfür aber im Durchschnitt aktuell fast vier Prozent Zinsen. Daraus errechnet sich eine Zinslast von mehr als 5 Prozent des BIP, was zeigt, dass es für die italienische Regierung sehr viel schwieriger ist, ihren Zinsverpflichtungen nachzukommen.
Geht man davon aus, dass die italienische Schuldenquote in einigen Jahren sogar auf 150 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigt, wird klar, warum die Europäische Zentralbank alles dafür tut, dass Zinsniveau zu senken. Denn damit wird den verschuldeten Ländern ihre Refinanzierung über den Kapitalmarkt erleichtert. Heute muss der italienische Staat noch rund 2 Prozent bezahlen, wenn er eine Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren emittiert.
Von daher wird das Zinsniveau aller ausstehenden Anleihen in einigen Jahren von heute vier auf unter zwei Prozent sinken, selbst wenn die Zinsen nur stabil bleiben. Kommt es zu dem von uns erwarteten Anstieg der Staatsschuldenquote auf 150 Prozent, würde die Zinslast dann von über fünf auf nur noch drei Prozent sinken.
Jedem Anleger sollte von daher klar sein: Die EZB macht keine Geldpolitik für den Sparer, sondern für die verschuldeten Staaten, damit diese einem sonst möglichen Zahlungsausfall entgehen.
Im Unterschied zur Eurozone und zur EZB ist es für die USA wesentlich schwieriger einzuschätzen, wie die Federal Reserve 2015 und in den Folgejahren ihre Geldpolitik gestalten wird. Die gute gesamtwirtschaftliche Lage mit einem Wirtschaftswachstum von rund drei Prozent, vor allem aber der robuste Arbeitsmarkt könnten als Argument dienen, dass die US-Notenbank schon in der ersten Jahreshälfte 2015 beginnen wird, die Zinsen zu erhöhen.
In einem solchen Szenario wäre bis Jahresende 2015 mit einer Reihe von Zinsschritten zu rechnen. Allerdings wird die Fed unserer Meinung nach nicht allein auf die Konjunktur, sondern auch auf die Inflationsrate schauen. Und von dieser Seite droht wenig Ungemach; im Gegenteil: der Ölpreis ist stark gesunken und wirkt deshalb eher deflationär, und auch die Lohnstückkosten steigen nur moderat. Von daher wird die US-Inflationsrate in den kommenden Monaten eher sinken als steigen. Zudem wirkt schon die Erwartung einer restriktiveren Geldpolitik über eine Aufwertung des US-Dollar und die zu erwartenden negativen Vermögenseffekte wie ein automatischer Bremsschirm für die Wirtschaft.