Kapitalmarktausblick 2015: Willkommen in der Null-Prozent-Welt
26.12.2014 | Carsten Klude
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So müssen im Falle erwarteter Zinserhöhungen durch die Fed zumindest temporäre Rückschläge am Aktienmarkt einkalkuliert werden, und auch der Immobilienmarkt reagiert sehr sensibel auf höhere Hypothekenzinsen. Wir gehen daher davon aus, dass die US-Notenbank erst zur Jahresmitte und danach auch nur sehr behutsam die Zinsen erhöhen wird. Bis zum Jahresende dürfte die Fed Funds Rate nicht über einem Prozent liegen, die Rendite für 10-jährige USTreasuries wird vom heutigen Niveau ausgehend nur geringfügig auf 2,75 Prozent ansteigen.Das wirtschaftliche Umfeld, verbunden mit einer sehr niedrigen Inflationsrate und der Aussicht auf eine weiterhin äußerst expansive Geldpolitik der meisten Notenbanken sprechen bei DAX & Co. für Kursgewinne im kommenden Jahr. Deutsche Aktien dürften in den kommenden zwölf Monaten nach einem eher verhaltenen Jahr 2014 wieder eine bessere Wertentwicklung zeigen, weil von den Frühindikatoren erste Signale ausgehen, dass die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland ihren Tiefpunkt hinter sich gelassen hat.
Das reale Bruttoinlandsprodukt wächst in unserem Basisszenario saison-, aber nicht kalenderbereinigt um 1,4% (2015 gibt es zwei Arbeitstage mehr als 2014), mögliche positive Effekte durch die sinkende Ölrechnung noch nicht eingerechnet.
Auch wenn wir die Gewinnprognosen der Unternehmensanalysten für die Jahre 2015 und 2016 (jeweils +10% lt. I/B/E/S) für zu optimistisch halten, profitieren die deutschen Unternehmen kostenseitig von gesunkenen Rohstoffpreisen, dem günstigeren Euro-Wechselkurs und den geringen Finanzierungskosten. Von daher sollten die Gewinne um fünf bis sechs Prozent zulegen können.
Für das Erreichen oder Nichterreichen der Gewinnprognosen spielt vor allem die Deutsche Bank eine entscheidende Rolle. Bei der erwarteten Veränderung der DAX-Gewinne in den nächsten beiden Jahren hat sie einen Anteil von jeweils rund 20 Prozent. Den zweitgrößten Anteil am gesamten DAXGewinn haben die Gewinne von Volkswagen mit jeweils rund 12 Prozent.
Da die Bewertung deutscher Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 12,5 auf Basis der in 12 Monaten erwarteten Unternehmensgewinne die niedrigste in dem von uns beobachteten Universum von Börsenplätzen in den Industrieländern ist, könnte sich der Bewertungsmultiplikator im nächsten Jahr sogar ausweiten.
Auf der anderen Seite ist das niedrige KGV ein guter Puffer für etwaige negative Gewinnrevisionen. Geht man davon aus, dass die Firmen in den nächsten beiden Jahren ihre Gewinne nur um fünf bis sechs Prozent steigern, dann würde sich bei einer moderaten Ausweitung des KGVs auf 13,5 ein Kursziel von 10.900 Punkten für das Jahresende 2015 errechnen. Für den Euro Stoxx 50 kommen wir bei analoger Vorgehensweise zu einem Kursziel von 3.480 Punkten.
2014 hat es sich ausgezahlt, ein möglichst hohes Exposure an US-Aktien im Portfolio zu haben. Zum einen haben sich die US-Börsen besser entwickelt als die meisten anderen Aktienmärkte, zum anderen profitierten europäische Anleger zusätzlich von der Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro.
In der Zwischenzeit sind US-Aktien zwar recht teuer geworden - das KGV auf Basis der erwarteten Gewinne beträgt für den S&P 500 rund 16, womit es höher als im langjährigen Durchschnitt ist - eine "Blase" am Aktienmarkt sehen wir aber noch nicht. Dank der sehr guten wirtschaftlichen Lage sollten die Kurse 2015 weiter ansteigen: bis auf 19.100 Punkte beim Dow Jones und bis auf 2.250 Punkte beim S&P 500. Da wir davon ausgehen, dass der US-Dollar 2015 gegenüber dem Euro bis auf 1,17 EUR/USD aufwertet, sollten Anleger den USA somit vorerst die Treue halten.
Bleibt zum Schluss die Frage nach den Risiken und was 2015 schiefgehen kann. Zu den potenziellen Risiken gehören die geopolitischen Krisenherde in Osteuropa, genauso wie der IS-Terror im Mittleren und Nahen Osten. Auch die US-Notenbank kann die Kapitalmärkte kräftig durcheinanderwirbeln, falls sie die Zinsen doch stärker und schneller erhöht als gedacht. Und nicht zuletzt könnte ein zu starker US-Dollar - ähnlich wie in den 1990er Jahren - dafür sorgen, dass Schwellenländer mit hohen US-Dollar-Schulden in die Bredouille geraten.
Risiken gibt es also zur Genüge, aber wie stellt man sich auf sie ein? Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Probleme, über die im Vorfeld alle sinniert und sich Gedanken gemacht haben, meistens nicht die waren, die im Folgejahr die Kurse beeinflusst haben. Wer hat schließlich Ende des vergangenen Jahres auf dem Schirm gehabt, welchen politischen Konfrontationskurs Russland einschlagen würde? Wer hat den Einbruch des Ölpreises prognostiziert?
Anlegern wird deshalb auch 2015 nichts anderes übrig bleiben, nach den Überraschungen Ausschau zu halten, die heute niemand prognostiziert und die genau aus diesem Grund die Kurse bewegen werden. Denn eines ist sicher: Schwarze Schwäne sind nicht ausgestorben und werden auch 2015 für ein spannendes und abwechslungsreiches Börsenjahr sorgen.
© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel, Martin Hasse, Rebekka Haller
M.M.Warburg Investment Research
(1) Vergleiche hierzu Konjunktur & Strategie 50/2014 vom 5. Dezember 2014: "Konjunkturausblick 2015: Ölpreisrückgang als Katalysator des lang erhofften Aufschwungs?"
(2) Zu den Details siehe unseren Rentenmonitor vom 5. Dezember 2014: "Anleihemärkte 2015: Total Return positiv, aber deutlich niedriger als 2014"
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