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Die EZB bringt 1.140.000.000.000 neue Euro in Umlauf

02.02.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Euroraum steht vor einer Politik der Geldmengenvermehrung, die noch schwindelerregende Dimensionen annehmen könnte.

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am 22. Januar 2015 beschlossen, zusätzlich zu Hypothekenpfandbriefen und Bankkrediten auch noch Euro-Staatsanleihen aufzukaufen. Ab März 2015 wird die EZB monatlich Kreditschulden in Höhe von insgesamt 60 Mrd. Euro erwerben - die mit neuen, aus dem Nichts geschaffenen Euro bezahlt werden. Bis September 2016 sollen auf diese Weise zusätzlich 1,14 Billionen Euro (in Zahlen: 1.140.000.000.000) geschaffen werden.

Doch das ist vermutlich nur der Anfang einer großangelegten Monetisierung der Euro-Schulden. Die Anleihekäufe wecken politische Begehrlichkeiten, die kaum mehr beherrschbar sind - vor allem von Seiten der Staaten und Banken. Schon bald könnte sich zeigen, dass eine zusätzliche Geldmenge in Höhe von 1,14 Billion Euro nicht ausreicht. 1,14 Billion Euro erscheinen in der Tat ein "recht kleiner Betrag" zu sein, wenn man sich die Bilanz des Euro-Bankenapparates vor Augen führt. Sie hatte im Oktober 2014 ein Volumen von insgesamt 31,2 Billionen Euro.

Die jederzeit fälligen Verbindlichkeiten der Euro-Geldhäuser betrugen 4,9 Billionen (also 4.858 Milliarden Euro), während sich die Kassenguthaben aller Euro-Banken bei der EZB auf weniger als 200 Milliarden Euro beliefen. Um die Euro-Banken jederzeit zahlungsfähig zu halten, könnte die EZB also quasi gezwungen sein, bis zu 4,7 Billionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Das Ausweiten der Geldmenge wird sich als preistreibend erweisen: Die Preise werden höher ausfallen im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet werden würde. Wo der Preiseffekt zuerst in Erscheinung tritt, lässt sich vorab nicht sagen. Es ist gut möglich, dass zunächst die Preise für Bestandsgüter (wie Aktien, Anleihen und Häuser) in die Höhe gehen, bevor dann auch die Preise der Lebenshaltung ansteigen. Soviel ist sicher: Die Kaufkraft des Euro wird durch die EZB-Politik absehbar verringert.

Der Beschluss, Staatsanleihen zu kaufen, sollte allen, die sehen und hören wollen, klar gemacht haben: Der Einheitswährungsraum lässt sich, wenn überhaupt, nur zusammenhalten, wenn die nationalen Staats- und Bankschulden kollektiviert werden und auch die Kaufkraft des Euro entwertet wird. Ob der Euroraum dabei in seiner aktuellen Zusammensetzung überlebt, ist ungewiss.

Die EZB-Räte haben keine Allmacht, solange es Märkte gibt. Und genau aus diesem Grund könnte die Entwicklung eine ungeahnte Wendung nehmen. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn die Investoren - angesichts der neuen Euroflut - die Flucht aus der Gemeinschaftswährung antreten; wenn sie zum Beispiel ihre Euro-Schuldpapiere verkaufen und nicht mehr bereit sind, fällige Euro-Kredite, die Staaten und Banken aufgenommen haben, zu erneuern. Dann stünde vermutlich eine ausgewachsene Währungskrise ins Haus - und diese Überlegung leitet über zum Aufsatz auf der nachfolgenden Absätze.


Achtung: Währungskrise

Die Geldpolitik der ungehemmenten Geldmengenvermehrung läuft Gefahr, einen Vertrauensverlust in die Kaufkraft des Geldes auszulösen.

Die Erschütterungen in den internationalen Finanzmärkten in 2008/2009 waren Symptome einer Ursache, und diese Ursache war eine Kreditkrise: Sparer und Investoren fürchteten, dass hoch verschuldete Staaten und Banken ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten.

Erinnern wir uns: Ausgehend von der "Subprime-Krise" in den USA schwand das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit vieler Schuldner. Kreditgeber waren nicht mehr bereit, ihnen neue Kredite zu geben - oder wenn, dann nur zu sehr hohen Zinsen. Die Kreditnehmer traf das unerwartet. Sie konnten ihre fälligen Kredite nicht zurückzahlen - weil sie darauf gesetzt hatten, dass sie bei Fälligkeit ihrer Verbindlichkeiten neue Kredite bekommen würden. Zudem waren die Schuldner auch nicht willens oder in der Lage, für neue Kredite hohe Zinsen zu bezahlen.

Der drohende Systemkollaps wurde abgewendet, indem die Zentralbanken die Zinsen drastisch absenkten und die Geldschleusen öffneten. Auf diese Weise gelang es, die Kreditausfallsorgen aus den Finanzmärkten zu vertreiben. Ein "Kunststück" war das nicht: Schließlich sind die Zentralbanken ja die Monopolproduzenten des Geldes und können jeden Schuldner mit jeder benötigten Geldmenge versorgen.

Tiefzins- und Geldmengenausweitungspolitik konnten die Konjunkturen zwar stabilisieren, aber die eigentlichen Probleme, die zur Kreditkrise geführt haben, wurden dadurch nicht gelöst, sondern lediglich übertüncht. Vor allem die erdrückend hohen Schulden sind seither vielerorts noch weiter angestiegen. Das gilt insbesondere für den Euroraum und Japan.

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Quelle: Thomson Financial.
*Basisgeldmenge für Japan in Billionen Yen. Annahme, dass die monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 80 Billionen Yen pro Monat bis September 2016 fortgeführt werden.
**Basisgeldmenge für den Euroraum in Milliarden Euro.




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