Sind Bundesanleihen noch der sichere Hafen?
08.05.2015 | Carsten Klude
Vom "sicheren Hafen" spricht man im Asset Management dann, wenn eine Assetklasse oder ein Wertpapier mit dem Ziel gekauft wird, in stürmischen Zeiten Stabilität in das Portfolio zu bringen. Aus der Sicht eines deutschen Anlegers ist der typische sichere Hafen eine Bundesanleihe mit langer Restlaufzeit; in den USA ist dies spiegelbildlich eine langlaufende amerikanische Staatsanleihe.
In den letzten zehn Jahren hat eine Bundesanleihe mit zehn Jahren Restlaufzeit im Durchschnitt um rund 0,5% zugelegt, wenn im gleichen Zeitraum der deutsche Aktienmarkt (gemessen am DAX) um 5% verloren hat. Genau aus diesem Grund können auch bei extrem konservativen Investoren Aktienquoten von etwa 10% gerechtfertigt sein, da in Krisenzeiten selbst ein substanzieller Wertverlust auf der Aktienseite durch die Anleiheseite aufgefangen werden kann.
Und da dieser interne Absicherungsmechanismus langfristig gut funktioniert, ist es sogar fast zwingend erforderlich, einem Rentenportfolio zumindest einen kleinen Aktienanteil beizumischen, da auf diese Weise die zu erwartende Wertentwicklung gesteigert werden kann, ohne dass es zu stärkeren Draw-Downs auf Ebene des gesamten Portfolios kommt.
Da Staatsanleihen langfristig als sicherer Hafen gelten und prinzipiell auch so funktionieren, sind grundsätzlich auch größere Aktienanteile in Portfolios bei begrenzten Risikobudgets darstellbar. Das setzt allerdings voraus, dass dieser sog. "Hedge" nicht nur im Durchschnitt funktioniert, sondern zu jedem Zeitpunkt. Genau hier liegt der Haken, denn es ist natürlich nicht sicher, dass sich Bundesanleihen in einer Krisensituation gegenläufig zu Aktien verhalten. So sind Marktphasen denkbar, in denen die Risikoaversion derartig gering ausgeprägt ist, dass auch Anleihen mit bester Bonität nicht die Rolle des sicheren Hafens einnehmen, da dieser offensichtlich gar nicht gesucht wird.
Vielleicht kann diese Situation mit der eines Seglers verglichen werden, der nur vom allerbesten Wetter ausgeht und die Gefahr eines heranziehenden Sturmes komplett ausblendet. Ein derartiger Segler wird nicht auf der Suche nach einem sicheren Hafen sein; und zwar selbst dann nicht, wenn es erste untrügliche Anzeichen für ein mögliches Umschlagen des Wetters gibt. Eine derartige Situation lag beispielsweise in den Jahren 2005 und 2006 vor.
Damals waren die Folgen des Platzens der Internetblase sowie der Terroranschläge von New York überwunden, und die guten Konjunkturdaten in den USA und in Europa sowie hohe Wachstumsraten in den Schwellenländern (vor allem in Brasilien, Russland, Indien und China) ließen die Sorgen der vorherigen Jahre verblassen. Ganz im Gegenteil - die Investoren suchten mehrheitlich bewusst das Risiko, und der sichere Hafen wurde nicht angesteuert.
Dieser Sachverhalt lässt sich auch empirisch gut nachvollziehen. Zu diesem Zweck haben wir eine statistische Analyse durchgeführt, mit der wir anhand einer Regressionsrechnung die hypothetische Frage beantworten können, wie Bundesanleihen in der Funktion des sicheren Hafens reagiert hätten, wenn über einen Zeitraum von fünf Handelstagen der DAX um 5% gefallen wäre.
Wie unsere Analyse ergibt, wäre die Reaktion der Bundesanleihen in diesem Zeitraum nicht sehr ausgeprägt gewesen. Es hätte sogar kurze Zeiträume gegeben, in denen Bundesanleihen (vollkommen kontraintuitiv) mit den Aktien im Gleichklang gefallen wären. Dies mag zwar ein kurzfristiges statistisches Artefakt sein, jedoch lässt sich nicht leugnen, dass bis Ende 2006 deutsche Staatsanleihen nur sehr bedingt die Funktion des sicheren Hafens erfüllt haben.
Das änderte sich schlagartig mit den ersten Nachrichten über die beginnende Immobilien- und Subprimekrise in den USA und die daraus resultierenden Verwerfungen im globalen Bankensektor ab Mitte 2007. Spätestens hier war auch für den unerfahrenen Marktteilnehmer erkennbar, dass sich das Wetter signifikant verschlechtert hatte. Nun wurde der sichere Hafen endlich aktiv gesucht, und die erhöhte Fokussierung auf das Thema "sicherer Hafen" führte zu einer höheren Reagibilität von Bundesanleihen relativ zur Entwicklung am Aktienmarkt. Unsere Berechnungen zeigen, dass ab 2007 ein Rückgang im DAX um 5% zeitweise zu einer Wertentwicklung von bis zu einem Prozent und mehr bei Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren führte.
Bei Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 30 Jahren lag die Reagibilität wie zu erwarten noch deutlich höher - rein rechnerisch war zeitweise mit einer Wertentwicklung von +2% oder mehr zu rechnen, wenn im gleichen Zeitraum der DAX um 5% gefallen wäre. In der Zeit von Mitte 2007 bis Frühjahr 2013 funktionierte ganz offensichtlich der Mechanismus des sicheren Hafens. Ab Mai 2013 wurde dieser statistische (und kausale) Zusammenhang dann jedoch kurzfristig durch die Tapering-Diskussion unterbrochen.
Damals kündigte der US-Notenbankchef Bernanke an, eine Reduktion des laufenden QE-Programms in Erwägung zu ziehen und damit den Umfang der expansiven USGeldpolitik zu reduzieren. Diese Ankündigung erzeugte an den Rentenmärkten weltweit gewisse "Schockwellen", weil befürchtet wurde, dass die Fed nach Beendigung ihres Anleiheaufkaufprogramms schnell dazu übergehen würde, die Zinsen zu erhöhen. Die "normalen" statistischen Zusammenhänge zwischen Aktien und Anleihen wurden temporär verzerrt, was auch unseren Berechnungen zu entnehmen ist.
In den letzten zehn Jahren hat eine Bundesanleihe mit zehn Jahren Restlaufzeit im Durchschnitt um rund 0,5% zugelegt, wenn im gleichen Zeitraum der deutsche Aktienmarkt (gemessen am DAX) um 5% verloren hat. Genau aus diesem Grund können auch bei extrem konservativen Investoren Aktienquoten von etwa 10% gerechtfertigt sein, da in Krisenzeiten selbst ein substanzieller Wertverlust auf der Aktienseite durch die Anleiheseite aufgefangen werden kann.
Und da dieser interne Absicherungsmechanismus langfristig gut funktioniert, ist es sogar fast zwingend erforderlich, einem Rentenportfolio zumindest einen kleinen Aktienanteil beizumischen, da auf diese Weise die zu erwartende Wertentwicklung gesteigert werden kann, ohne dass es zu stärkeren Draw-Downs auf Ebene des gesamten Portfolios kommt.
Da Staatsanleihen langfristig als sicherer Hafen gelten und prinzipiell auch so funktionieren, sind grundsätzlich auch größere Aktienanteile in Portfolios bei begrenzten Risikobudgets darstellbar. Das setzt allerdings voraus, dass dieser sog. "Hedge" nicht nur im Durchschnitt funktioniert, sondern zu jedem Zeitpunkt. Genau hier liegt der Haken, denn es ist natürlich nicht sicher, dass sich Bundesanleihen in einer Krisensituation gegenläufig zu Aktien verhalten. So sind Marktphasen denkbar, in denen die Risikoaversion derartig gering ausgeprägt ist, dass auch Anleihen mit bester Bonität nicht die Rolle des sicheren Hafens einnehmen, da dieser offensichtlich gar nicht gesucht wird.
Vielleicht kann diese Situation mit der eines Seglers verglichen werden, der nur vom allerbesten Wetter ausgeht und die Gefahr eines heranziehenden Sturmes komplett ausblendet. Ein derartiger Segler wird nicht auf der Suche nach einem sicheren Hafen sein; und zwar selbst dann nicht, wenn es erste untrügliche Anzeichen für ein mögliches Umschlagen des Wetters gibt. Eine derartige Situation lag beispielsweise in den Jahren 2005 und 2006 vor.
Damals waren die Folgen des Platzens der Internetblase sowie der Terroranschläge von New York überwunden, und die guten Konjunkturdaten in den USA und in Europa sowie hohe Wachstumsraten in den Schwellenländern (vor allem in Brasilien, Russland, Indien und China) ließen die Sorgen der vorherigen Jahre verblassen. Ganz im Gegenteil - die Investoren suchten mehrheitlich bewusst das Risiko, und der sichere Hafen wurde nicht angesteuert.
Dieser Sachverhalt lässt sich auch empirisch gut nachvollziehen. Zu diesem Zweck haben wir eine statistische Analyse durchgeführt, mit der wir anhand einer Regressionsrechnung die hypothetische Frage beantworten können, wie Bundesanleihen in der Funktion des sicheren Hafens reagiert hätten, wenn über einen Zeitraum von fünf Handelstagen der DAX um 5% gefallen wäre.
Wie unsere Analyse ergibt, wäre die Reaktion der Bundesanleihen in diesem Zeitraum nicht sehr ausgeprägt gewesen. Es hätte sogar kurze Zeiträume gegeben, in denen Bundesanleihen (vollkommen kontraintuitiv) mit den Aktien im Gleichklang gefallen wären. Dies mag zwar ein kurzfristiges statistisches Artefakt sein, jedoch lässt sich nicht leugnen, dass bis Ende 2006 deutsche Staatsanleihen nur sehr bedingt die Funktion des sicheren Hafens erfüllt haben.
Das änderte sich schlagartig mit den ersten Nachrichten über die beginnende Immobilien- und Subprimekrise in den USA und die daraus resultierenden Verwerfungen im globalen Bankensektor ab Mitte 2007. Spätestens hier war auch für den unerfahrenen Marktteilnehmer erkennbar, dass sich das Wetter signifikant verschlechtert hatte. Nun wurde der sichere Hafen endlich aktiv gesucht, und die erhöhte Fokussierung auf das Thema "sicherer Hafen" führte zu einer höheren Reagibilität von Bundesanleihen relativ zur Entwicklung am Aktienmarkt. Unsere Berechnungen zeigen, dass ab 2007 ein Rückgang im DAX um 5% zeitweise zu einer Wertentwicklung von bis zu einem Prozent und mehr bei Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren führte.
Bei Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 30 Jahren lag die Reagibilität wie zu erwarten noch deutlich höher - rein rechnerisch war zeitweise mit einer Wertentwicklung von +2% oder mehr zu rechnen, wenn im gleichen Zeitraum der DAX um 5% gefallen wäre. In der Zeit von Mitte 2007 bis Frühjahr 2013 funktionierte ganz offensichtlich der Mechanismus des sicheren Hafens. Ab Mai 2013 wurde dieser statistische (und kausale) Zusammenhang dann jedoch kurzfristig durch die Tapering-Diskussion unterbrochen.
Damals kündigte der US-Notenbankchef Bernanke an, eine Reduktion des laufenden QE-Programms in Erwägung zu ziehen und damit den Umfang der expansiven USGeldpolitik zu reduzieren. Diese Ankündigung erzeugte an den Rentenmärkten weltweit gewisse "Schockwellen", weil befürchtet wurde, dass die Fed nach Beendigung ihres Anleiheaufkaufprogramms schnell dazu übergehen würde, die Zinsen zu erhöhen. Die "normalen" statistischen Zusammenhänge zwischen Aktien und Anleihen wurden temporär verzerrt, was auch unseren Berechnungen zu entnehmen ist.