Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Prof. Dr. Gunther Schnabl im Interview - Risiko und Wirkung der Finanzkrise

06.05.2015  |  Presse
Open in new windowProf. Dr. Gunther Schnabl promovierte und habilitierte an den Universitäten Tübingen, Tokio, Stanford und Leuven und arbeitete als Advisor bei der EZB.

Seit dem Jahr 2006 hat er die Leitung des Institutes für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig inne, wo er auch als Professor für Volkswirtschaftslehre tätig ist.

Die Schwerpunkte seiner Forschung umfassen die Wechselkurse, die Währungspolitik, die Finanzmärkte in aufstrebenden Volkswirtschaften sowie monetäre Überinvestitionstheorien und Krisen.


philoro: Die EZB hat den Leitzinssatz auf ein historisch niedriges Niveau herabgesetzt und gleichzeitig ein Anleihekaufprogramm von 1,1 Billionen initiiert. Die Inflation müsste jetzt doch riesige Blüten treiben. Warum kommt die Inflation nicht spürbar beim Bürger an?

Schnabl: Was wir derzeit beobachten ist ein Inflationsanstieg, nicht bei Konsumgütern, jedoch bei den Vermögenswerten. Die Preise für Aktien, Immobilien, zum Teil auch von Rohstoffen und Gold steigen stark an. Dies wird jedoch von der Zentralbank im Konsumentenpreisindex, der Grundlage für die Geldpolitik ist, nicht gemessen.

Speziell auf Deutschland bezogen sind es derzeit vor allem der Aktien- und der Immobilienmarkt, wo wir einen sehr starken Preisanstieg beobachten. Über die Exzesse auf den Vermögensmärkten kommen die negativen Effekte der ultra-lockeren Geldpolitik auch ohne Inflation beim Bürger an.


philoro: Wir können also nicht von einem nachhaltigen Konjunkturaufschwung reden, da das viele EZB-Geld lediglich die Preise von Vermögenswerten aufbläht?

Schnabl: Es gibt ganz klar einen Strukturbruch in der Transmission der Geldpolitik. Traditionell gehen wir davon aus, dass die Zentralbank den Geschäftsbanken zusätzliche Kredite zur Verfügung stellt. Dieses erhöhte Kreditvolumen wird dazu genutzt, Investitionen von Unternehmen zu finanzieren oder Konsumentenkredite zu vergeben. Verzögert steigen Löhne und Preise.

Heutzutage scheint es jedoch so zu sein, dass das zusätzliche Kreditvolumen, das den Banken gewährt wird, eher im Finanzsektor verbleibt und vermehrt in Vermögenswerte fließt. Es werden zum Beispiel mehr Immobilienkäufe finanziert, so dass die Immobilienpreise steigen. Auch die Aktienpreise schießen nach oben, es entstehen Preisblasen.

Beide Entwicklungen schlagen sich nur sehr bedingt auf die Konsumentenpreise nieder oder nur sehr spät. Weil die Zentralbank deshalb das Kreditvolumen nur sehr spät verknappt, können sich große Spekulationsblasen auf den Vermögensmärkten bilden. Wenn diese platzen, kommt es zu großen Krisen, ohne dass je die Konsumentenpreise angestiegen sind.


philoro: Was ist die Ursache dieses Bruchs, dass das billige Geld in Vermögenspreise wandert und nicht in z.B. Unternehmenskredite oder Start-up-Finanzierungen?

Schnabl: Darüber kann ich nur spekulieren. Aus meiner Sicht besteht ein unterschiedlicher Versicherungsmechanismus gegen Risiken. Wenn Sie als Unternehmen einen Kredit bei einer Geschäftsbank aufnehmen, um eine Investition zu finanzieren, dann tragen Sie als Unternehmer und indirekt auch die Bank das Risiko. Scheitert die Investition, dann muss der Unternehmer die Verluste verkraften, was für die Bank bis zum Kreditausfall führen kann.

Investieren Sie im Gegensatz dazu in die Finanzmärkte, also in Aktien oder Immobilien, dann greifen die Sicherheitsmechanismen der EZB, wenn eine Krise droht. Die Leitzinsen werden sofort gesenkt oder Vermögenswerte direkt angekauft, wenn die Vermögenspreise fallen. Man weiß also, dass, wenn man in den Finanzmärkten spekuliert, man einerseits Gewinne privatisieren kann, andererseits die Risiken für einen Komplettverlust gering sind. Dies führt dazu, dass die Investitionen im realen Sektor abnehmen und die Spekulation im Finanzsektor zunimmt.


philoro: Dennoch wird die Politik des billigen Geldes rigoros weitergeführt als gäbe es keine Alternative, obwohl es offensichtlich ist, dass Blasen auf den Finanzmärkten entstehen.

Schnabl: Mit dem kontinuierlichen Verfall der Zinsen, und das ist ja mittlerweile ein Trend, der sich seit Mitte der 80er Jahre fortsetzt, sind die Finanzmärkte stetig gewachsen. Sobald sie drohen zu implodieren, wird mehr Liquidität nachgeschossen. Das war schon unter dem Ex-Fed Präsidenten Greenspan so.

Stichwort: “Jackson Hole Consensus“: Die Zentralbanken behaupten in Boom-Phasen auf den Finanzmärkten, dass sie spekulative Übertreibungen nicht erkennen können. Deshalb gibt es auch kein Mandat gegenzusteuern. Wenn die Preise auf den Finanzmärkten jedoch stark fallen, dann sieht man ein sehr klares Mandat, gegen diesen Preisverfall zu intervenieren. Das ist eine einseitige Geldpolitik, die wie ein Versicherungsmechanismus gegen Verluste bei Finanzmarktspekulation wirkt. Man muss sich fragen, warum sie so konsequent bei immensen negativen Nebeneffekten immer weiter betrieben wird.


philoro: Worin bestehen diese negativen Nebeneffekte?

Schnabl: Diese sind vielfach. Zum einen wird - wie Japan zeigt - der Bankensektor schleichend verstaatlicht, da die Banken von der Zufuhr von billigem Geld durch die Zentralbank abhängig werden. Die Banken führen dann bestehende Kredite an Unternehmen weiter, auch wenn die Projekte nicht mehr gewinnträchtig sind.

Die Banken wollen dadurch vermeiden, dass ihre Schieflagen nach dem Platzen der Blase sichtbar werden. "Zombie-Banken" erhalten "Zombie-Unternehmen“ mit geringer Produktivität am Leben. Zudem werden immer mehr Kredite an Unternehmen durch Kredite an den hoch verschuldeten Staat ersetzt. Die Zombie-Banken finanzieren damit immer weniger neue innovative Investitionsprojekte.

Ein weiterer einschneidender Nebeneffekt ist die sogenannte finanzielle Repression: Sichere Sparformen wie Sparbücher, Bankeneinlagen oder Staatspapiere werden aufgrund der sehr expansiven Geldpolitik trotz steigenden Risikos nur noch sehr gering oder gar nicht verzinst. Das untergräbt insbesondere auch die Alterssicherung vieler Menschen. Renditen können nur noch die erwirtschaften, die auf Kursgewinne auf den Vermögensmärkten setzen. Dazu braucht man Mut und ausreichende Kenntnisse, die der durchschnittliche Haushalt aus der Mittelschicht oft nicht besitzt. Hier haben meist die Profis auf den Finanzmärkten die Nase vorn.


philoro: Was gäbe den Banken Ihrer Meinung nach denn einen Anreiz, wieder mehr Kredite an den Unternehmenssektor weiterzureichen? -

Schnabl: Die logische Konsequenz ist eine Zinserhöhung. Das scheint eine ungewöhnliche wirtschaftspolitische Empfehlung, aber ich habe im Wesentlichen zwei Gründe für diese Forderung.

Der Zins hat eine Signalfunktion. Das heißt, er muss Risiken adäquat anzeigen. Jemand, der hohe Risiken hat, muss auch einen hohen Zins bezahlen. Diese Signalfunktion ist ausgesetzt, wenn die Zentralbanken die Zinsen gegen Null drücken. Damit fließt viel Kapital in risikoreiche, spekulative Projekte. Der Zins hat er auch eine Allokationsfunktion, da er "gute" Investitionen von "schlechten" trennt.

Bei einem hohen Zinssatz würden Sie als Unternehmer nur Investitionen tätigen, die auch eine hohe erwartete Rendite haben. Wenn der Zins gedrückt wird, dann ist das ein Anreiz, Investitionen mit einer geringen erwarteten Rendite zu finanzieren. Eine gewünschte Wachstumsdynamik, die langfristig nur von Investition und Innovation ausgeht, wird nicht erreicht.

Wenn wir diesen Mechanismus jetzt umdrehen - also den Zins erhöhen - dann würden die Risiken wieder adäquat angezeigt. Es gäbe wieder einen Anreiz, weniger zu spekulieren und stattdessen Investitionen mit hohen erwarteten Renditen zu tätigen. Das traditionelle Geschäftsmodell der Banken, die Finanzierung von Investitionen, würde wieder hergestellt. Mit einer steigenden Produktivität könnten auch die Löhne für breite Bevölkerungsschichten wieder steigen.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"