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Alter schützt vor Torheit ebenso wenig wie ein Nobelpreis für Wirtschaft

30.03.2006  |  Claus Vogt
- Seite 3 -
Weißes Haus publiziert Prognose zur Entwicklung der US-Immobilienblase

Die US-Regierung publizierte am 13. Februar den "Economic Report of the President". Normalerweise lohnt es sich natürlich nicht, die wirtschaftliche Lagebeurteilung irgendeiner Regierung zu beachten, da hier der Schönfärberei freien Lauf gelassen wird. Dennoch halte ich die aktuelle Ausgabe dieses Berichts für beachtenswert, weil die Autoren darin auch auf den US-Immobilienmarkt zu sprechen kommen: "During the next five years, the Administration expects the pace of homebuilding to decrease gradually because of demographic trends and slowly rising long-term interest rates. A gradual slowing of homebuilding appears more likely than a sharp drop because the elevated level of house prices will sustain homebuilding as a profitable enterprise for some time." (Die Regierung rechnet in den kommenden fünf Jahren mit einem allmählichen Rückgang der Hausbauaktivitäten aufgrund demographischer Trends und langsam steigender langfristiger Zinsen. Eine allmähliche Verlangsamung der Hausbauaktivitäten erscheint wahrscheinlicher als ein scharfer Rückgang, weil das erhöhte Immobilienpreisniveau für geraume Zeit dafür sorgen wird, dass der Hausbau ein profitables Unterfangen bleibt.)

Herrlich! Gleich zwei staatliche Prognosen in einem Satz. Die Bürokraten prognostizieren für die kommenden fünf Jahre kein Platzen der Immobilienblase und langsam steigende langfristige Zinsen. Als vor jedem Wettbewerb abgeschottete Bewohner eines staatlich geschützten Biotops können sie sich natürlich völlig risikolos derart aus dem Fenster lehnen, da sie nichts zu verlieren haben. Wer sonst würde es wagen, für einen Fünfjahreszeitraum langsam steigende Zinsen vorherzusagen? Schließlich ist an den Finanzmärkten nichts ungewöhnlicher als lang anhaltende langsame Bewegungen. Und in fünf Jahren kann außerordentlich viel passieren.

Ich schließe mich an dieser Stelle der rhetorischen Frage des Hedgefondsmanagers Bill Fleckenstein an: "Sind diese Kerle, die eine weiche Landung prognostizieren, dieselben, die behauptet haben, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen?"


Privatier Greenspan nimmt Hyperinflation vorweg

Kaum war der 79-jährige Alan Greenspan, der 18½ Jahre Präsident der US-Notenbank war, in den Ruhestand verabschiedet, machte er schon wieder Schlagzeilen. Damit ist die von mir erhoffte Erlösung von den seit vielen Jahren zu meiner Pflichtlektüre gehörenden Greenspan-Verlautbarungen noch immer nicht eingetreten. Der überaus agile und rüstige Pensionär, den ich stets um seine Fähigkeit beneidet habe, selbst mehrstündige Anhörungen im US-Kongress ohne die seinem Alter angemessenen Pinkelpausen zu überstehen, hielt Presseberichten zufolge bereits wenige Tage nach seinem offiziellen Abschied von der Notenbank seine erste Rede als Privatmann. Dabei soll er eine These aufgestellt haben, die ich für bemerkenswert halte, und zwar für bemerkenswert falsch.


Steigt Gold aufgrund zunehmender Terrorgefahren?

Greenspan soll gesagt haben, der weltweite Goldpreisanstieg sei kein Zeichen für Inflation, sondern eine Folge zunehmender terroristischer Bedrohungen. Es gebe Menschen, die an den Einsatz der Atombombe innerhalb der nächsten fünf Jahre glauben.

Ist die terroristische Bedrohung Europas im vergangenen Jahr tatsächlich in Analogie zum Goldpreis um rund 40% gestiegen, während sie in den Jahren 2001 bis 2004 auf niedrigem Niveau konstant war? Hat sich in den USA seit Anfang 2002, also deutlich nach den Anschlägen vom 11. September 2001, die terroristische Bedrohung ebenso wie der Goldpreis verdoppelt? Gibt es hier tatsächlich den von Greenspan behaupteten Zusammenhang? Oder hängen steigende Goldpreise vielleicht doch eher mit laxer Geld- und Fiskalpolitik, mit steigenden Geldmengen und ausufernder Staatsverschuldung zusammen?


Gold schützt vor Geldentwertung

Früher wusste jedes Kind, dass Gold langfristig ein perfekter Inflationsschutz ist. Schließlich macht es seine Besitzer immun gegen Attacken des Staates und seiner Notenbank auf die Kaufkraft des Geldes. Dass Gold auch ein Terrorschutz sein soll, das ist mir zumindest neu - und wenig einleuchtend. Welchen Schutz kann Gold mir bieten, wenn ein Selbstmordattentäter sich entschließt, ausgerechnet mich als seinen Begleiter auf dem Weg ins Paradies auszuwählen?

Natürlich weiß ich, dass Gold ganz allgemein als attraktives Investment in Krisenzeiten bezeichnet wird. Ich weiß aber auch, was hinter dieser vereinfachenden Bezeichnung steckt. Gold schützt seine Besitzer natürlich nicht vor Krieg und Krise, sondern vor der stereotypen Antwort der Herrschenden auf Krisen jedweder Art, nämlich Schulden machen und Geld drucken. Der Zusammenhang zwischen Krisen bzw. Kriegen und steigenden Goldpreisen ist also kein direkter, sondern nur ein indirekter. Da historisch gebildete Anleger wissen, wie Politiker in bestimmten Situationen reagieren, beginnen sie bereits im Frühstadium einer Krise Gold zu kaufen. Sie tun das nicht, um sich vor der Krise zu schützen. Sie tun es, um ihr Vermögen vor der geld- und fiskalpolitischen Antwort auf die Krise in Sicherheit zu bringen.


Unmittelbar nach dem 11. September 2001 erläuterte ich bereits den Zusammenhang zwischen Krieg und Inflation

Im Anschluss an die Terroranschläge vom 11. September 2001 schrieb ich: "Ob sich die Vereinigten Staaten im Lauf der nächsten Monate oder gar Jahre in eine regelrechte Kriegswirtschaft manövrieren werden, bleibt derzeit noch offen. Wenn ja, dann werden die Auswirkungen deutlich sein. Kriegswirtschaft ist inflationär, weil sie unproduktiv ist. Kriege, wie gerechtfertigt oder unvermeidlich sie gegebenenfalls auch sein mögen, verursachen Kosten, denen keine Erträge gegenüberstehen, sondern Zerstörung. Außerdem werden sie gewöhnlich über Steuererhöhungen oder Schulden finanziert. (...) Kriegswirtschaft bedeutet aber auch ein Abrücken von freien Märkten. Staatliche Beschränkungen und direkte Markteingriffe aus angeblich übergeordneten sicherheitspolitischen Gründen sind üblich und problemlos durchzusetzen."

Die mittlerweile erlassenen Gesetze zur Terrorbekämpfung und der Aufbau eines Department of Homeland Security, ein Begriff, den man etwas zynisch mit Ministerium für Staatssicherheit übersetzen kann, zeugen von der Richtigkeit meiner damaligen Befürchtungen.


Empirische Untersuchungen stützen Greenspans These nicht

Der renommierte Schweizer Professor und Regierungsberater Peter Bernholz hat mit seinem wichtigen und interessanten Buch "Monetary Regimes and Inflation. History, Economic and Political Relationships" (Währungssysteme und Inflation. Geschichte, wirtschaftliche und politische Beziehungen) eine empirische Untersuchung von Inflationen vorgelegt. Darin kommt er zu folgendem klar formulierten Ergebnis: "Hyperinflations are always caused by public budget deficits which are largely financed by money creation." (Hyperinflationen sind immer verursacht durch Defizite des Staatshaushalts, die überwiegend durch Geldschöpfung finanziert werden.)

Aus dieser einfachen historischen Wahrheit kann ich als Anleger natürlich eine wichtige Schlussfolgerung ziehen: Wann immer ich mit der oben beschriebenen Situation von Haushaltsdefiziten, die durch Geldschöpfung finanziert werden, konfrontiert bin, dann muss ich mit Geldentwertung rechnen. Um mich davor zu schützen, muss ich mein Geld in realen Vermögenswerten wie Gold und Rohstoffe anlegen. Dass deren Preise dann zu steigen beginnen, dürfte niemanden verwundern.

Weltweit sind die meisten Staatshaushalte nun schon seit langem geradeheraus gesagt unseriös, während die Notenbanken fröhlich neues Geld kreieren. Damit sind die Bedingungen für eine bevorstehende Geldentwertung erfüllt, und die Preissteigerungen der Edelmetall- und Rohstoffmärkte lassen sich problemlos ohne den Rückgriff auf terroristische, womöglich nukleare Bedrohungen erklären.


Aktienmärkte stützen Greenspans These nicht

Auch die Aktienmärkte liefern keinerlei Anhaltspunkte zur Stützung von Greenspans These. Müssten sie nicht einen Risikoabschlag aufweisen, wenn die von Greenspan postulierte Bedrohung das Anlegerverhalten bestimmen würde? Nichts dergleichen ist derzeit der Fall. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S &P 500 Index beträgt zurzeit 19. Damit befindet es sich auf einem historisch gesehen nur sehr selten erreichten hohen Niveau und spiegelt größte Zuversicht und Optimismus wider. Gleichzeitig notiert der US-Volatilitätsindex (VIX) auf einem äußerst niedrigen Niveau und bestätigt die Aussage der KGV-Betrachtung. Von Angst keine Spur.

Den steigenden Goldpreis will Greenspan mit zunehmender Terrorgefahr erklären. Gleichzeitig spiegelt die hohe Bewertung des US-Aktienmarktes Euphorie und Sorglosigkeit der Marktteilnehmer wider. Diese Konstellation macht einfach keinen Sinn. Ich halte Greenspans Erklärungsversuch für ein Ablenkungsmanöver, mit dem er die einfachen Zusammenhänge zwischen seiner expansiven Geldpolitik der vergangenen Jahre und ihren Wirkungen verschleiern möchte.


Fürstliche Entlohnung

Den Presseberichten zufolge soll Greenspan für seinen per Videokonferenz inszenierten Auftritt 150.000 US-Dollar und für seine noch nicht geschriebenen Memoiren 6 Mio. erhalten haben. Angesichts der Qualität seines Beitrags muss man diese wahrhaft fürstliche Entlohnung sicherlich als hyperinflationär bezeichnen. Damit nimmt er das Ergebnis einer dauerhaft expansiven Geldpolitik bereits vorweg: Geldentwertung. Allerdings kann ich ihm für diese marktwirtschaftlichen Transaktionen meine Anerkennung nicht versagen. Den Wechsel vom Gelddrucker zum Geldverdiener hat er mit derselben Leichtigkeit gemeistert wie einst den Wandel vom radikal-liberalen Theoretiker zum planwirtschaftlichen Praktiker.


Kaufen Sie Gold

Da auch sein Nachfolger Ben Bernanke ein überzeugter Inflationist ist, müssen Sie Ihr Vermögen schützen. Kaufen Sie für 5% bis 10% ihres Finanzvermögens Goldmünzen und Barren. Dabei schlagen Sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Sollte sich der Goldpreisanstieg lediglich als eine normale langfristige Hausse ohne weiterreichende ökonomische und gesellschaftliche Implikationen erweisen, dann sind Sie in einem steigenden Markt investiert und machen schöne Gewinne. Dabei kann es Ihnen egal sein, ob der Goldpreisanstieg mit Terrorgefahr oder mit geld- und fiskalpolitischen Argumenten begründet wird. Sollte hingegen das größte ökonomische Experiment seit der Umsetzung des Kommunismus, nämlich das erst 1971 eingeführte, auf ungedeckten Währungen basierende Weltwährungssystem ebenso kläglich scheitern wie der Kommunismus - und es gibt sehr gute Gründe für diese Annahme - dann werden Sie einen wichtigen Teil ihres Vermögens erhalten haben. Kaufen Sie Gold!


© Claus Vogt
Leiter Research der Berliner Effektenbank



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