Finanzmärkte aktuell: Nun wieder Risk-on?
13.07.2015 | Klaus Singer
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Für das zweite Quartal wird geschätzt, dass die US-Unternehmens-Gewinne im Jahresvergleich um 3,1% geschrumpft sind. Das wird hauptsächlich dem starken Dollar zugeschrieben, aber auch den schwachen Rohstoffpreisen, die die Kurse der in den Indices stark vertretenen Rohstoff- und Energie-Unternehmen drücken, wobei das eine, die Rohstoffpreise, auch mit dem anderen, dem festen Dollar, zusammenhängt.Vier Faktoren sind zu beachten: China, wie dargestellt, die Zinsentwicklung, die Rezessionwahrscheinlichkeit und der Außenwert des Dollar. Der könnte mit der Entspannung hinsichtlich Eurozone nun allerdings an Bedeutung verlieren. Der Dollar-Index zeigt im Wochenchart (siehe Chart!) den Bruch einer steilen Aufwärtslinie (rot). Euro/Dollar hat sich von unten am Freitag intraday an die von den jüngsten Tiefs ausgehende Aufwärtslinie herangearbeitet. Beides zusammen zeigt gegenwärtig eine “angespannte” Wartesituation - “Griechenland” dürfte hier die nächsten richtungweisenden Impulse geben.
Da Aktien auf die Zukunft hin gehandelt werden, könnte sich bald alles darauf ausrichten, dass der Dollar schwächer wird, was die Gewinnsituation der US-Multis stützt. Europäische Aktien dürften zunächst ebenfalls von diesem Entspannungsimpuls profitieren, so dass aktuell die Chancen für eine Wiederaufnahme des Bull-Run in Aktien größer sind als das Gegenteil.
Das gilt auch unter zyklischen Aspekten. Wir haben seit Ende April bezogen auf die Volumenverteilung an der NYSE die längste Distributionsphase zumindest der zurückliegenden beiden Jahre gesehen. Momentan verliert sie an Dynamik, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich in Kürze Akkumulation ausprägt, was per se bullisch für Aktienkurse ist.
Im Zusammenhang Aktien zu Zinsen und Staatsanleihen ist zu beachten:
Auf Basis der Gewinnschätzungen für das nächste Jahr liegt die geschätzte EPS-Rendite aktuell bei 6,2%, das ist attraktiv im Vergleich zu Verzinsung der amerikanischen 10yr-Treasurys von gegenwärtig gut 2,4%. Der Spread zwischen beiden kommt auf 3,8%, abzüglich historisches Mittel von rund 3% bleiben 0,8% „Vorteil“ für Aktien.
Der folgende Chart zeigt den Zusammenhang, wobei hier der Kurs des S&P 500 und die invertierte Rendite (TNX) gegenübergestellt werden (beide standarisiert über eine längere Zeitspanne) (siehe Chart!). Liegt der Kehrwert der Rendite signifikant höher als der Aktienkurs hat das "bärische" Implikationen für Aktien (siehe rote Zeitreihe oben im Chart!). Aktuell ergeben sich hier eher bullische Einflüsse.
Zu berücksichtigen ist auch hier, dass die Zinsen durch die Niedrigzinspolitik manipuliert sind, was sich nicht bis in alle Ewigkeit durchhalten lässt. Dies vorausgeschickt - was passiert, wenn die TNX-Rendite z.B. auf 3,5% hoch schnellt, sei es durch einen Fehler der Fed (sie sagt ein falsches Wort oder hebt die Zinsen zu schnell zu stark an) oder durch einen deutlichen Inflationsimpuls?
Inflation ist ja das, worauf die Notenbanken im Interesse der Schuldner seit Jahr und Tag hinarbeiten. Sie kommt auch eines Tages (vermutlich noch nicht so bald). Dass es dann so geschieht, wie Thomas Mayer in "Die neue Ordnung des Geldes" schreibt, ist nicht unwahrscheinlich:
Die Zentralbanken klopfen so lange auf den Boden der Ketchup-Flasche, bis der gesamte Inhalt auf einmal auf dem Teller landet. Der Spread zu Aktienkursen würde dann im historischen Kontext neutralisiert, und stützte die relative Bevorzugung von Aktien gegen Bonds nicht mehr. Wenn die Bond-Kurse dann einen Boden finden und für Neuengagements attraktiv aussehen, dürfte das die Entwicklung bei Aktien belasten.
Der vierte Punkt, der beachtet werden muss, ist die Rezessionwahrscheinlichkeit. Über den Zusammenhang mit China hatten wir schon gesprochen. Es gibt verschiedene Wege, die Wahrscheinlichkeit einer Rezession einzuschätzen. Gegenüber den hier gemachten Ausführungen hat sich wenig geändert. Der “Macro Market Risk Index” (MMRI) bewegt sich allerdings weiter auf seine Vorwarnschwelle zu, worin sich vor allen die Schwäche der Ölpreise wiederspiegelt, da die Entwicklung über die zurückliegenden 12 Monate zugrunde gelegt wird (siehe Chart!). Auch hier würde eine Bodenbildung bei Rohstoffen (die durch einen schächeren Dollar begünstigt würde) helfen, dass der Index nicht in "gefährliches" Fahrwasser gerät.
Fazit:
Nun wieder Risk-off an den Finanzmärkten? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, insbesondere dann, wenn “Griechenland” aus den Schlagzeilen verschwindet. Wichtig ist, dass der mehr für die vordergründige Stimmung zuständige Crash chinesischer Aktien, zunächst zum Halten kommt, sich aber v.a. die Meinung durchsetzt, die schwache wirtschaftliche Entwicklung in China bleibt eingegrenzt.
Wichtige Fingerzeige dürfte der Dollar geben, bzw. Euro/Dollar. Schwäche beim ersten und Stärke beim zweiten geben expansive Signale. Dennoch bleibt in der Sommer-Phase die Volatilität, also auch die Anfälligkeit für externe Meldungen und Ereignisse, erhöht.
Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben finden Sie hier.
© Klaus G. Singer
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