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Too much?

03.08.2015  |  Klaus Singer
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Schon vermuten Beobachter, das der Crash in China eine Rezession dort signalisiert. Ruchir Sharma, Schwellenländer-Chef bei Morgan Stanley, sieht, dass eine anhaltende Abkühlung in China das Weltwirtschaftswachstum in den nächsten Jahren unter zwei Prozent drücken könnte. Üblicherweise stellt die Marke von rund 3% Wachstum der Weltwirtschaft die Grenze zu einer weltweiten Rezession dar.

Die inzwischen zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt trug laut Morgan Stanley im vergangenen Jahr 38% zum weltweiten Wachstum bei nach 23% in 2010. Das Land ist weltgrößter Importeur von Kupfer, Aluminium und Baumwolle und wichtiger Handelspartner für viele Emerging Markets. Der IWF hat unter Verweis auf eine Konjunkturschwäche in den USA vor kurzem seinen weltweiten Wachstumsausblick für 2015 auf 3,3% gesenkt nach 3,5% im April.

Für China blieb die Prognose unverändert bei 6,8%, das wäre das geringste Wachstum seit 1990. Es gebe größere Schwierigkeiten beim Übergang des Landes zu einem neuen Wachstumsmodell, das sei ein Risiko für die globale Konjunkturerholung, heißt es. Sharma verweist auf den hohen Schuldenstand in China, weswegen sich die Wirtschaft weiter abkühlen werde. Schwächt sich das Wachstum um zwei Prozent ab, könnte das die Weltwirtschaft in eine Rezession führen, sagt er.

Beobachter raten der chinesischen Führung anstelle des eingeschlagenen markt-interventionistischen Weges zu einer anderen Form der Intervention. Die PBoC sollte die chinesischen Märkte mit Geld fluten und den Reminbi abwerten lassen. Genau das erscheint aber aktuell problematisch. Denn im November will der IWF über den Status des Renminbi hinsichtlich Sonderziehungsrechten entscheiden, eine nach unten manipulierte Währung würde dabei wohl nicht gut geheißen.

Sie ist wegen der Kapitalabflüsse sowieso schon unter Druck, weswegen die PBoC zur Stützung genötigt sein könnte, US-Treasurys im Volumen von 300 bis 500 Mio. Dollar zu verkaufen. Eine deutliche Abwertung der chinesischen Währung würde die Wettbewerbsstellung des Landes auf den Weltmärkten verbessern und so helfen, die konjukturelle Delle in China abzufedern, so die Verfechter der geldpolitischen Intervention. Nur so ließe sich das “Drehbuch 1929″ vermeiden, heißt es.

Neu wäre, dass die USA bei einem solchem, von China ausgehenden globalen Abschwung gute Chancen hätten, sich einer Schrumpfung der eigenen Wirtschaft weitgehend zu entziehen, schreibt Minerd. Geht nämlich die Wachstumsverlangsamung in China weiter, bringt das die Preise für Rohstoffe, Gas und Öl weiter unter Druck. Davon könnten die US-Konsumenten über geringere Energiekosten und die US-Unternehmen über steigende Gewinne profitieren.

Dies dürfte bis zu einem gewissen Grad auch auf Europa zutreffen, allerdings ist insbesondere die exportlastige deutsche Wirtschaft von dem, was in China vor sich geht, stärker betroffen. Die lässt sich z.B. an den schwachen Kursen der Autobauer gut ablesen.

Selbst wenn eine mögliche weitere Konjunkturabkühlung in China in ihren globalen Auswirkungen eingegrenzt werden kann, so dürfte die Volatilität an den internationalen Finanzmärkten zunächst erhöht bleiben. "Risk-off" dürfte die Nachfrage nach Staatsanleihen eher stützen und die Rendite der 10yr-TNotes womöglich wieder unter 2% treiben (aktuell 2,2%). Kredit-Spreads würden wohl eher weiter steigen (siehe hier!). Niedrigere Zinsen und sinkende Energiekosten dürften aber die Aktivitäten auf dem Hausbausektor in den USA und wohl auch in Europa anheizen.

"Risk-off" dürfte die US-Währung tendenziell stärken, wenn die globale Kreditexpansion stockt, bzw. wenn sich wegen der Aussicht auf Verschiebung des Beginns eines neuen Zinszyklus der Fed das Zinsdifferential zwischen USA und Eurozone langsamer entwickelt als erwartet (Stichwort Euro-"Carry-Trades"). Mancher Gold-Bulle hofft darüber hinaus, dass sich chinesische Anleger nun verstärkt Gold zuwenden, nachdem sie von Aktien enttäuscht wurden.

Das US-BIP ist in Q2 nach erster Schätzung um 2,3% angestiegen, für Q1 wurde es auf +0,6% hochrevidiert (von -0,2% aus) (Quelle). Der Zuwachs wurde von den Verbraucherausgaben getragen. Zusätzlich entwickelten sich die realen verfügbaren Einkünfte mit 3,7% im Quartalsvergleich deutlich stärker als in Q1 (+1,8%), was erwarten lässt, dass dies auch das dritte Quartal stützt. Die Entwicklung legt nahe, dass die sinkenden Energiekosten allmählich in steigende Konsumausgaben umgesetzt werden.

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Ein unmittelbares Rezessionsrisiko besteht für die US-Wirtschaft gegenwärtig nicht, wie sich u.a. am Verlauf des „Makro Market Risk Indicator“ (Hintergrund hier!) ablesen lässt. Höhenflüge sind allerdings auch nicht zu erwarten. Zu dieser Einschätzung kommt man auch, wenn man den „Leading Indicator Index“ analysiert.

Die Perspektive der Aktienmärkte war hier zuletzt anhand des S&P 500 diskutiert worden. In der Auswertung des Linearitätsmaßes ist eine Abwärtsbewegung festzustellen von 96% im Dezember auf 94% im Juni und jetzt aktuell auf 91%. Eine kritische Grenze liegt bei 90%. Wird sie unterschritten, muss zumindest mit dem Einsatz einer deutlichen Korrektur gerechnet werden. Die Volumenverteilung an der NYSE ist mittlerweile wieder in Akkumulation gestolpert, was tendenziell für die bullische Seite bei Aktien spricht. Allerdings ist die Dynamik dieser Entwicklung nach wie vor gering, sprich nicht allzu überzeugend.

Die Gewinnerwartung im S&P 500 steht aktuell für Q2 bei +0,9% y/y (nach -1,9% vor zwei Wochen, -3% Anfang Juli und +5,9% zu Jahresbeginn). Die Umsätze werden mit -3,3% erwartet (nach -4% vor zwei Wochen und damit so niedrig wie seit fast sechs Jahren nicht).

Das ist zumindest keine sich verschlechternde Entwicklung, so dass sich von dieser Seite her erwarten lässt, dass der im S&P 500 vorherrschende Seitwärtsbereich zwischen 2045 und 2131 wohl zunächst Bestand hat. Katalysatoren für einen Ausbruch nach oben muss man wahrscheinlich vorrangig in China suchen, z.B. wenn sich die PBoC dazu entschließen sollte, die Geldschleusen aufzureißen. Und umgekehrt: Falls der Crash dort unvermindert weitergeht und insbesondere das oben genannte Retracement durchbrochen wird, dürfte ein erneuter Test der unteren Begrenzung der Handelsspanne anstehen.


Fazit:

Too much? Der feste Dollar tangiert die Gewinne der US-Multis, fallende Ölpreise lassen die Kurse der im S&P 500 stark vertretenen Energiewerte einbrechen, "Griechenland" zeigt erneut die Fehlkonstruktion der Eurozone auf, vom Kurssturz in China ausgehend wird vielfach mit einer Abkühlung der Weltwirtschaft gerechnet. Das sind nur einige der Belastungsfaktoren, die auf die Finanzmärkte wirken. Hinzu kommt die elaborierte Bewertung der Aktienkurse.

Makroökonomisch ist in den USA aktuell keine unmittelbare Rezessionsgefahr auszumachen. Ob sich die US-Wirtschaft allerdings einer von China ausgehenden Rezession entziehen könnte? Sie dürfte wohl besser davonkommen als z.B. die Wirtschaft in Europa, aber eine gute Nachricht für Aktionäre wäre auch das nicht.

Die technische Auswertung des Kursverlaufs des S&P 500, des Welt-Leit-Index für Aktien, zeigt eine zunehmend angespannte Lage, aber noch keine unmittelbare Korrekturgefahr. Und so besteht das Risiko, dass es auf mittlere Sicht bald “zu viel” wird für Aktienbullen.

Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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