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Die Zins-Geister, die ich rief

26.10.2015  |  Klaus Singer
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Alle Geldflut hat nichts genutzt, mittlerweile ist die japanische Wirtschaft in Deflation zurückgefallen. Zur Begründung wird auf die niedrigen Energiepreise verwiesen und beteuert, es drohe keine neue Rezession. Das wäre dann die vierte in den zurückliegenden fünf Jahren. Ministerpräsident Abé hat versucht, den Teufelskreis aus Nullzinsen und sinkender Produktivität mit aller Gewalt zu durchbrechen und mittels Geldflut Wohlstand zu schaffen.

Ein Bestandteil seines Rezeptes besteht darin, weiter Schulden zu machen - das Budgetdefizit kommt derweil auf rund 10%, die Schuldenquote auf rund 250% des BIP. Der dritte "Pfeil“ der Abenomics besteht in strukturellen Reformen, z.B. soll die Erwerbsquote von Frauen zunehmen, gleichzeitig sollen sie mehr Kinder bekommen.

Mit dem Ankauf von internationalen Wertpapieren durch die BoJ erreichte man zwar eine starke Abwertung des Yen, jedoch trat der damit beabsichtigte Exportboom nicht im erhofften Umfang ein. Die nach 25 Jahren Schuldenabbau bilanziell solide japanische Industrie kassierte im Export Extraprofite, aber weder Investitionen noch Löhne stiegen in nennenswerter Größenordnung. Dadurch blieb die inländische Nachfrage flach, die privaten Einkommen stagnierten. Die schwache Währung führte zu steigenden Importpreisen, also nahmen die Lebenshaltungskosten zu, nicht aber das Wachstum.

Die erste Lehre aus Japan: Geldflut schafft keinen Wohlstand. Das Experiment von Abé kann als gescheitert gelten.

Noch etwas macht uns Japan vor: Die Auswirkungen einer alternden Gesellschaft. Daniel Stelter schätzt, dass die Bevölkerung bis 2060 von 127 auf 87 Millionen absinken wird. Selbst wenn das BIP pro Kopf weiter solide wachsen sollte, wird dadurch das reale Wachstum in den kommenden Jahrzehnten gedrückt. Zum Thema "Demographie und Wachstum“ siehe auch hier! In einer solchen Situation müssten alle Anstrengungen unternommen werden, die Produktivität zu steigern.

In einem weiteren Punkt ist uns Japan voraus: Die japanische Regierung wird ihre Schulden nicht zurückzahlen können. Die Bank of Japan kauft immer mehr Staatsschulden auf, sie dürfte bald den Großteil ausstehenden Titel besitzen. Wenn sie auf Tilgung verzichtet und die Zinseinnahmen aus den Schuldtiteln an das Finanzministerium zurücküberweist, wäre das Schuldenproblem gelöst.

Wie Stelter schreibt, wird diese Möglichkeit zur Lösung der Schuldenkrise seit längerem diskutiert. Die eine Seite sieht dabei nur ein begrenztes Risiko, so lange das nur ein einziges Mal gemacht wird. Da das Geld zudem schon im Umlauf ist, droht von daher auch keine Inflation. Die andere Seite verweist auf das Risiko eines Vertrauensverlustes in das Geldsystem insgesamt. Dann wäre die Konsequenz die völlige Entwertung des Geldes, zumindest Hyperinflation.

Und viertens führt uns Japan die Auswirkungen des Fehlers vor Augen, den wir (in Europa und in den USA) seit geraumer Zeit ebenfalls machen: Wir spielen auf Zeit. Wir hoffen, dass sich das Problem der Schulden von selber löst. Durch noch mehr Schulden geht das nicht, wie Japan zeigt. Eine aktive Bereinigung nicht bedienbarer Schulden wäre wie ein reinigendes Gewitter - kurzfristig gäbe es erhebliche Erschütterungen, mittelfristig wären dann aber viele Belastungsfaktoren vom Tisch, die Schuldenkrise wäre rascher ausgestanden.

Genau das wäre von einer Notenbank zu fordern, die nach der Finanzkrise 2008 neben der Führung in der Geld- und auch die in der Wirtschaftspolitik beansprucht (gemeint ist das im August 2012 aus der Taufe gehobene “neue Central banking”). Jetzt sind sie verstrickt in den Konsequenzen ihrer eigenen Politik (falls sie jemals andere Ziele hatten). Wenn die Notenbanken meinen, die Zinsen weltweit nach unten manipulieren zu müssen, müssen sie die dazu passende Geldmenge liefern.

Denn in einem marktwirtschaftlichen Umfeld kann man entweder Preise oder Menge kontrollieren, aber nicht beides gleichzeitig. Diese Geldmenge strömt dann wie durch kommunizierende Röhren über Währungsrelationen zu einem jeweils neuen temporären internationalen Gleichgewicht. Dieser sogenannte Währungskrieg, auch „beggar-your-neighbour“-Politik genannt, lässt die Geldflut v.a. in den Taschen von Großspekulanten strömen.

Fazit:

Die EZB hat am vergangenen Donnerstag die Türen zur Ausweitung ihrer QE-Politik offengelassen (was der Ankündigung einer indirekten Zinssenkung entspricht), die PBoC hat am Freitag die Leitzinsen gesenkt, die Fed wird in der kommenden Woche die Leitzinsen sicher nicht erhöhen.

Der Euro hat gegen Dollar und Yen kräftig verloren, sehr wahrscheinlich vermittels neuer Carry-Trade-Kredite in Euro. Lauter “gute” Nachrichten - Aktien sind stark gestiegen. Da will schon gerade gar keiner die Suppe versalzen und wenn die japanischen Lehren noch so eindeutig sind.

Ergänzung: Zur Frage des adäquaten Zinsniveaus hatte ich hier Überlegungen angestellt. Ein erster Zinsschritt von 0,25% wäre eben auch wirklich nur ein erster Schritt, der für sich alleine kaum etwas bewirkt. Ein Niveau von 2% wäre aktuell angemessen.


Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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