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"Viel Krieg um die Rohstoffe" - Interview mit Dr. Karin Kneissl

23.05.2006  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
Dr. Karin KneisslFrau Dr. Karin Kneissl ist freie Journalistin, Dozentin und OPEC-Beraterin. Sie promovierte nach Ihrem Studium der Rechtswissenschaften und der Arabistik in Völkerrecht. Von 1990 bis 1998 arbeitete sie im diplomatischen Dienst der Republik Österreich.

Seit Herbst 1998 ist Karin Kneissl als unabhängige Korrespondentin für die Tageszeitungen Die Welt, Die Presse, Kurier sowie für mehrere Monatspublikationen tätig. Außerdem unterrichtet sie als Lehrbeauftragte an den Universitäten Wien und Innsbruck sowie der Diplomatischen Akademie Wien, dem Centre International des Sciences de l’Homme Byblos/Libanon, der Donau Universität Krems und der Europäischen Journalismus Akademie. Vor wenigen Wochen erschien ihr erstes Buch mit dem Titel: "Der Energiepoker - Wie Erdöl und Erdgas die Weltwirtschaft beeinflussen".



V. R: Guten Tag Frau Kneissl. Vielen Dank, dass Sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im Nahen Osten, vor allem angesichts des Atomstreits mit dem Iran? Aber auch bzgl. der Auswirkung auf die Energiepreise, da ja der Ölpreis bereits einen sehr starken Vorlauf zeigt? Was passiert, wenn sich die Krise weiter zuspitzt, könnten wir dann wirklich einen Ölpreis bei 100 USD sehen oder überwiegt aktuell das spekulative Element in den Preisen?

K. Kneissl: Derzeit ist zweifellos genügend Rohöl auf den Märkten vorhanden. Rohöl wohlgemerkt! Was die Preise seit dem Jahr 2004 vor allem getrieben hat ist die Nachfrage nach Ölprodukten, wie beispielsweise Treibstoff aus den Schwellenländern, da hier die Motorisierung sehr schnell um sich greift. Andererseits wurde die letzte Raffinerie in den USA gebaut als Elvis Presley noch auftrat, dies war Mitte der 1970er Jahre. Seit damals ist im Raffineriebereich sehr wenig geschehen und dieser Bruch in der Verarbeitungskette ist ein Faktor der sehr stark preistreibend wirkt.

Das aktuelle Ausmaß der Spekulationsprämie auf den Ölpreis wird auf ca. 20% geschätzt, es ist also durchaus möglich, dass diese Prämie daher irgendwann in sich zusammen brechen kann. Hierzu ein kleines Illustrationsbeispiel: Als vor kurzem der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad diesen berühmten Brief an George Bush geschrieben hat, ist der Preis schon binnen Sekunden zurückgegangen, am nächsten Tag als Condoleezza Rice meinte, dass ihr der Brief nicht gefalle ist der Preis wieder gestiegen. Das sind minimale Indizien. Nehmen wir an man käme dahinter, dass Herr Rumsfeld Geheimverhandlungen mit Teheran führt um aus dem Schlamassel herauszukommen, dann gehe ich davon aus, dass der Ölpreis angesichts solch einer Nachricht sofort um 10 USD bis 15 USD fallen würde.

Daher ist das alles sicherlich spekulatives Element. Hierzu kommen noch die Risiken der Produktionsstaaten gegen die man sich absichern will, wie beispielsweise in Nigeria und Venezuela, wo es jeden Tag zu einem Putsch kommen könnte. Gegen diese Risiken möchte man sich eben schon im Vorhinein absichern, indem man für die zukünftigen Termingeschäfte von vorneherein höhere Preise veranschlagt. Aber es ist nicht nur Spekulation und geopolitische Unsicherheit was aktuell zum hohen Ölpreis führt, es ist auch die gewachsene Nachfrage die eben aus den Entwicklungsländern stammt und es geht auch darum wie viel Erdölreserven noch vorhanden sind. Gerade auch darüber herrschen auch unterschiedliche Meinungen.


V.R: Sie haben in Ihrem Vortrag die strategische Bedeutung der Rohstoffe Öl und Gas angesprochen. Nun sieht man jedoch, dass die USA mit ihrer eigenen Rhetorik den Preis nach oben treiben. Man könnte sich ja nun wirklich fragen, warum sie damit ihre eigene Wirtschaft belasten. Wenn es also nur ums Öl geht, warum marschieren sie dann nicht einfach in den Iran ein?

K.K: Für die USA hat Erdöl seit Jahrzehnten eine strategische Bedeutung und sie sind selbst auch theoretisch ein sehr großer Erdölproduzent. Es geht den USA aber nicht darum, den Ölpreis auf einem für sie wünschenswert niedrigen Niveau zu halten, sondern es geht ihnen primär darum eine Hegemonialrolle in erdölreichen Gebieten zu spielen.


V.R: Nun haben Sie gerade die Hegemonialrolle der USA angesprochen und es ist ja nicht so, dass die USA die einzigen wären die nach dieser Rolle streben. Es versuchen ja nun auch zunehmend China und Russland um diese Rolle zu kämpfen. Man hat beispielsweise am Verhalten von Russland bzgl. der Erdgaslieferungen in seine Satellitenstaaten am 1.1. gesehen, was mit dem, im Vergleich zu Erdöl, viel immobileren Rohstoff Erdgas alles passieren kann. Sehen Sie darin, dass sich die Industriestaaten auf das umweltfreundliche Ergas fokussieren, nicht die Gefahr, dass sie sich noch viel abhängiger machen als bisher vom Erdöl?

K.K: Ja, dass man langsam auf Erdgas umsteigt war einerseits ein Wunsch der Industrie, die gesagt hat Erdgas ist weniger verschmutzend, es ist billiger, etc. Beim Erdgas begibt man sich jedoch wie Sie richtig sagen in die Abhängigkeit Russlands und auch des Irans. Egal wie man es dreht und wendet, die Abhängigkeit unseres heutigen Energiemixes von fossilen Brennstoffen geht immer einher mit der Abhängigkeit von politisch unsicheren Gebieten.


V.R: Stichwort politisch unsichere Gebiete. Nun haben wir gesehen, dass es kürzlich auf Grund von Diebstahl an einer Pipeline zu einer verheerenden Explosion gekommen ist. Wer sagt uns jetzt eigentlich, dass morgen nicht plötzlich eine bedeutende Pipeline in Saudi Arabien gesprengt wird? Ist dieses Risiko im heutigen Ölpreis bereits ausreichend eingepreist?

K.K: Es ist auf jeden fall im Preis enthalten. Man hat große Angst um Saudi Arabien, vor allem davor, dass es auseinander brechen könnte. Das Szenario eines großen Anschlages haben die Leute im Pentagon im vergangenen Jahr bereits einmal durchgespielt um eben darauf auch wirtschaftlich reagieren zu können, beispielsweise was machen wir wenn uns von heute auf morgen plötzlich neun Millionen Fass Öl ausfallen? Diese Szenarien werden zweifellos durchgespielt.


V.R: Wenn wir nun davon ausgehen, dass Öl und Gas langfristig gesehen nicht zu Genüge bzw. nicht zu diesem Preis verfügbar sein werden, von welchem Preiszielen kann man hier dann ausgehen? Man hört ja von diversen Gurus wie beispielsweise Jim Rogers, der dies mit Sicherheit nicht so uneigennützig sagt, Kursziele von 100 USD bis 2010. Betrachtet man jetzt aber aktuell die 70 USD, dann wäre das auf 100 USD ja gar nicht mehr viel.

K.K: Es ist auch gar nicht mehr weit und wir stehen ja bereits bei um die 73 USD. Sollte sich in Ländern wie Venezuela oder Nigeria die Lage zuspitzen, dann könnte dies durchaus ausreichen, sodass wir über die 80 USD, 90 USD hinausgehen. Wie gesagt, die Bandbreite nach oben ist offen. Der Auslöser für einen weiteren Anstieg könnte auch ein schwerer Terroranschlag in Europa sein.


V.R: Welche direkten Alternativen stehen uns nun offen. Man hört nun auch George W. Bush möchte die Abhängigkeit von saudischem Öl reduzieren. Letztendlich gibt es dazu ja auch nur die Altnative über regenerative Brennstoffe wie beispielsweise Ethanol oder über die Atomkraft. Bezüglich des Ethanols ist es ja mittlerweile schon soweit, dass Brasilien seinen überschüssigen Zucker nicht mehr exportiert sondern in Eigenregie zu Ethanol verwandelt. Und auch die anderen Schwellenländer, die ja die treibende Nachfragekraft sind, produzieren in der Regel die Grundstoffe für Ethanol. Machen sich die Industriestaaten hier nicht eigentlich von den nächsten Ländern abhängig?

K.K: Ethanol ist meiner Meinung nach mit Vorsicht zu genießen, weil erstens benötigt man für jede Art von Biodiesel, egal ob man diesen jetzt aus Zucker oder Mais gewinnt, viel Energie. Hierfür brauche ich dann eigentlich auch wieder fossile Treibstoffe, beispielsweise auch für den Traktor mit dem ich die Felder bewirtschafte. Zweitens dürfen wir nicht vergessen, dass von Brasilien einmal abgesehen, dieser Ausbau von Ethanol nur durch hohe Subventionen in den Agrarsektor funktionieren kann. Diese Subventionen werden sich jedoch aufhören, sobald die Liberalisierung der Agrarmärkte weltweit durchgezogen ist, insofern sie wirklich kommt.

Bei den Zuckerrohrkulturen in Brasilien glaube bzw. hoffe ich, dass es hier zu einem Umdenken kommen wird, da hier sehr große Risiken durch die Monokulturen entstehen. Hier ist auch bereits ein Umdenken im entstehen, das Thema interessiert nicht nur eine Hand voll Ökologen. Die Monokulturen in Brasilien rufen nun auch verstärkt die brasilianische Regierung auf den Plan, denn die Abholzung der Regenwälder für die Zuckerrohrproduktion kann nicht der Weg sein.

Ethanol ist aktuell durchaus interessant, auch als Anlagemöglichkeiten. So sind am Tag nach dem Bush diese Ethanol-Rede gehalten hat, die Aktien sämtlicher landwirtschaftsbezogener Aktien nach oben geschnellt. Inwieweit sich dies dann jedoch langfristig wirklich rechnet, wenn man also die Energie, die man investiert und die Subventionen abzieht, ist die Frage.




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