Negativzinsen heißen so, weil deren Spätfolgen für jede Volkswirtschaft nur negativ sein können
01.03.2016 | Dr. Dietmar Siebholz
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Dem unvoreingenommenen Bürger stellt sich die Frage, warum denn die Bruttosozialprodukte der Staaten immer so hohe Zuwachsraten haben müssen, wo doch Wachstum in der wahren Welt immer begrenzt ist. Das sehen sie an uns Menschen selbst, an Bäumen, also an allem, was die Natur beeinflussen kann, also schlicht gesagt, was natürlich ist.Die Staaten, die wegen ihrer hohen Verschuldung ja immer den Zins auf die permanent wachsenden Beträge von Staatsanleihen und die immer höher werdenden Lasten aus der Sozialstruktur der Staaten verkraften müssen, sind also dazu verdammt, entweder die Steuerbelastung zu erhöhen oder die nominelle Wirtschaftsleistung der Staaten steigern zu müssen. Nein nicht "sollen", sondern "müssen". Nur so ist der Schrei der Politiker nach einer gewünschten Inflationierung von mindestens 2% zu verstehen.
Ein kluger Finanzminister aus der Zeit; wo noch Fachleute und nicht lebensfremde Eurokraten an der Macht waren, sagte einmal sehr deutlich, er könne nur das Wasser beschaffen, aber nicht "die Pferde an der Tränke zum Saufen zu zwingen". Wie wahr, wie wahr. Und genau dieses "Saufen" also Konsumieren oder Investieren will man nun mit den Negativzinsen herbeizwingen..
Nachdem alle bisherigen Maßnahmen der Staaten und der Notenbanken z.B. über die Erhöhung des Geldumlaufs nicht die erhoffte (positive) Stimulation der Wirtschaftsleistung und die statistisch gewünschte (aber sehr negative) angestrebte Inflationsrate von mindestens 2% gebracht haben, greifen die Staatslenker und ihre "unabhängigen" Notenbanken zum nächsten Mittel, nämlich zu Negativzinsen. Und diese Maßnahme hat eine unvorstellbare Sprengkraft. Über die will ich jetzt berichten.
Sehen Sie sich bitte die am Ende dieses Kommentars beigefügte Aufstellung an, wie sich Negativzinsen und die verdeckte und hier lächerlich niedrig angesetzte (offizielle) Geldentwertung auf Ihre bei den Banken gehaltenen Bankguthaben niederschlagen.
Zusammengefasst stellt sich bei den z.B. von Frau Yellen (Präsidentin der FED, der US-Notenbank) genannten möglichen Negativzinsen innerhalb von zwei Jahren ein Kaufkraftverlust von ca. 7,8% dar. Sie können diese Liste selbst fortführen, um zu ermitteln, wann sich ihre Kaufkraft halbierten wird.
Unberücksichtigt gelassen habe ich in dieser Aufstellung die üblichen Bankkosten, die ja bislang durch Guthabenzinsen keinen feststellbaren negativen Effekt herbeiführten. Jetzt sind sie aber fühlbar, weil ihnen ja keine Einnahmen gegenüberstehen.
Dazu kommt die immer dem Publikum noch nicht ausreichend bekannte Folge der weltweiten Gesetzgebung, nach der man auch die Bankkunden mit Kontoguthaben zur Sanierung von insolventen Banken heranziehen kann, also die sogenannte "Bail-In-Gesetzgebung". Wer heute keine Zinsen mehr für seine Einlagen bekommt, sondern solche an die Banken zahlen muss und gleichzeitig immer unter dem Damoklesschwert der Teilenteignung der Bail-In-Gesetzgebung lebend (ich nannte dies in meinem kürzlich veröffentlichten Kommentar den "legalen Bankraub") dieses unkalkulierbare Risiko trägt, wird wohl versuchen, sein Kapital anders anzulegen.
Und wenn Sie glauben sollten, Ihre Bank sei davon nicht betroffen, weil sie so solide ist, sollten Sie sich einmal Gedanken darüber machen, dass es ja Querhaftungen über Bankenverbände und über die gesetzliche Möglichkeit der Haftung "einer für alle, alle für einen" gibt. Wenn ich mir die Bilanzen mancher Bank-Giganten ansehe, wird es zudem nicht ausreichend sein, sich nur partiell die Kundeneinlagen dieser betroffenen Banken anzueignen, sondern auch unvermeidlich sein, über gesetzliche Ausgleichssysteme auch guter und solider Banken den Giganten zu retten.
Wir kennen das Phänomen aus den Krankenversicherungen, wo die starken, kostengünstigen und soliden die schwachen, ausgabefreudigen und unsoliden durch Sonderumlagen sanieren durften. Eine Marktbereinigung zur Rückkehr auf solide Vorgaben scheint man heute nicht mehr zu kennen, weil man bequemerweise die Devise „too big to fail“- also zu groß um ein Scheitern - ausgegeben hat. Warum eigentlich? Unser System sollte sich ja gerade durch die Bereinigung und somit durch die Chancen, Fehlerhaftes durch Scheitern auszumerzen, erneuern und stabilisieren.
Der schlimmste Effekt der Negativzinsen aber kommt zum Schluss: Auf die Frage hin, wie werden denn die Inhaber von umfangreichen Bankguthaben angesichts dieser für ihre Erträge düsteren Situation reagieren? gibt es nur eine Antwort: Sie werden - so wie es die Politiker fordern - angesichts der sonst zu erleidenden nahezu garantierten Verluste versuchen, ihr Geld umzuschichten. Damit geht aber das dringend notwendige Kapital - meist aus den Spareinlagen für die Wirtschaft verloren.
Eine Erholung nach einer Rezession wird dadurch erheblich schwerer gemacht. Der Staat oder die Zentralbanken, die eine Lösung via Negativzinsen anstreben, vernichten das Medium, dass sie später einmal zur Wiederaufrichtung der in Probleme geratenen Wirtschaft so dringend benötigen. Kapital, das aus diesen Gründen berechtigt in andere Anlagen oder sogar in nicht so bedrohte Regionen oder Länder strömt, führt dann die letale Zerstörung der Kapitalmärkte durch.
Ich habe oben erwähnt, dass das große Risiko besteht, dass die Unmengen an Liquidität, die im Überschwang der Zentralbanken durch diese geschaffen wurden, irgendwann einmal auf den Markt kommen und eine nachhaltige Inflation verursachen werden. Einige dieser Mittel werden sicherlich durch Insolvenzen verloren gehen, aber ein großer verbliebener Teil wird ausreichen, um die Inflation dann anzuheizen.
Welche Konsequenzen sollte ein Kapitalanleger aus diesen Erkenntnissen ziehen?