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Arbeitsmarktdaten, Strukturreformen und Geldflut

04.04.2016  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Eine Untersuchung von Thomas A. Lubik und Christian Matthes von der Federal Reserve Bank of Richmond (h/t Norbert Berthold in Wie geht es weiter mit den (realen) Zinsen?) kommt zu dem Schluss, dass der natürliche Zinssatz von etwa 3,5% in den frühen 1980er Jahren auf 0,5% im zweiten Quartal 2015 zurückgegangen ist (das Konfidenzband reicht aktuell von rund +3% bis -2%).

Die Autoren betonen, der natürliche Zins sei in der ganzen Zeit niemals negativ geworden. Zudem lag er in der gesamten nach-Finanzkrisen-Ära stets höher als der Realzins. Das lässt den Schluss zu, dass die Geldpolitik im Wicksellschen Sinne in dieser Zeit stets zu locker war, heißt es.

Der Befund zu niedriger Zinsen gilt auch für die Zeit vor dem offenen Ausbruch der Finanzkrise.

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Berthold schreibt in “Wie geht es weiter mit den (realen) Zinsen?“, es wäre vernünftig, geldpolitisch die Füße still zu halten. Die EZB mache aber das Gegenteil und setze immer skurilere Instrumente ein. Die "quantitative Lockerung" werde exzessiver, die Negativ-Zinsen stiegen weiter, bizarres Helikopter-Geld werde auch nicht mehr ausgeschlossen. Die verabreichte Medizin schlage nicht an, dennoch werde sie immer höher dosiert. Damit stiegen die Risiken, die Nebenwirkungen würden größer, heißt es.

Das eigentliche Problem ist die anhaltende Wachstumsschwäche, die sich in den niedrigen und sinkenden Realzinsen widerspiegelt. Das pro-Kopf-Wachstum des BIP ist schon länger schwach. Das lässt sich auf demographische Faktoren zurückführen, aber auch auf sinkende Wachstumsraten bei der Arbeitsproduktivität. Dies wiederum geht auf immer geringere Dynamik beim technischen Fortschritt zurück.

Dies führt mich zur Theorie der langen Wirtschaftszyklen von Kondratieff. Demnach befinden wir uns gegenwärtig im Kondratieffschen Winter (zur Theorie von Kondratieff siehe hier: Rethfeld/Singer - Weltsichten/Weitsichten). Mit dem "Wintereinbruch" kristallisiert sich allmählich eine deflationäre Entwicklung heraus. Der allgemeine Wohlstand sinkt, die Wirtschaftstätigkeit erlahmt. Innovationen sind nur noch inkrementeller Natur - etablierte Technologien werden lediglich verbessert, billiger gemacht und weiter verbreitet. Konsolidierung ist das zentrale Stichwort in der Wirtschaft.

Das politische und soziale Geschehen wird allmählich durch radikale Töne bestimmt (siehe z.B. hier und hier!). Etablierte politische Bündnisse scheitern immer häufiger, es entstehen in rascher Folge neue Konstellationen. Nach Kondratieff hilft ein größerer Krieg schließlich, die Depression zu beenden und eine wirtschaftliche Erholung einzuleiten. Dann werden allmählich neue, bahnbrechende Erfindungen gemacht, aber noch nicht realisiert. Eine letzte, milde Rezession beendet diese Phase des Kondratieff-Zyklus und leitet zu einem neuen Zyklus über.

Selbst wenn der Kondratieffsche Winter den übergeordneten Rahmen für eine weiterhin anhaltende depressive Entwicklung bildet, so kann die Wirtschafts- und Finanzpolitik dazu beitragen, den Prozess abzukürzen - oder zu verlängern. In diesem Zusammenhang hat Willem Buiter, Citibank, vor einigen Wochen erneut darauf hingewiesen, dass das Hoch-Halten von Asset-Preisen und volkswirtschaftlicher Nachfrage zwar die Schwere von Rezessionen abfedern kann, jedoch zugleich die Dynamik konjuktureller Erholungen schwächt. Das führe zu immer ausgedehnteren Phasen niedrigen Wachstums, schreibt er.

Aktuell treffen die von Buiter beschriebenen Konsequenzen einer Geldflut-Politik mit den depressiven Tendenzen des Kondratieff-Winters zusammen und verstärken sich gegenseitig. Besserung ist nicht in Sicht - im Gegenteil.

Der Fokus einer konstruktiven Wirtschaftspolitik müsste auf produktive Infrastruktur-Investionen gelegt werden, bei denen die erzielten Ergebnisse die Kosten ihres Schuldendienstes übersteigen. Hierzu zählen auch Investionen in Bildung, Forschung und Wissenschaft mit dem Ziel, die Entwicklung neuer bahnbrechender Erfindungen zu beschleunigen.

Die EZB betreibt mit ihrer unverantwortlichen Geldpolitik aktiv Beihilfe zur Reformverweigerung der Politik. Sie ist zwar nicht zuständig für nachhaltige Strukturreformen und konsolidierte öffentliche Haushalte. Aber sie liefert der Politik Alibis in Serie, nichts tun zu müssen.


Fazit

Die unverantwortliche Geldflut der Notenbanken drückt das Wachstum, statt es zu unterstützen. In Japan ist es mittlerweile offensichtlich, dass die Politik der Abenomics versagt hat. Die Eurozone und die EZB gehen denselben Weg und werden ähnlich scheitern. Notwendig wäre eine wohlüberlegte Politik der Strukturreformen. Davon ist weit und breit nichts zu sehen.

Wenn die Politik ökonomische Gesetze bestreitet, die den Rahmen für ihre Aktivitäten bilden, wird eine Volkswirtschaft auf Dauer ruiniert - "zunächst vielleicht kaum wahrnehmbar oder schleichend … am Ende des Tages allerdings mit voller Wucht”. (Eugen Böhm von Bawerk, 1914)

Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können " rel="external" title="" target="_blank" class="artikel extern">hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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