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Silber: Wie eine Sprungfeder

06.04.2016  |  Adam Hamilton
Es war offenkundig, dass Silber der Rally des Goldkurses zu Beginn dieses Jahres nur widerstrebend und schwerfällig folgte. Statt die Kursgewinne des gelben Metalls wie in den letzten Jahren noch zu übertreffen, konnte Silber meist nicht einmal Schritt halten. Die fehlende Bestätigung des Aufwärtstrends im Goldsektor durch eine vergleichbare Entwicklung am Silbermarkt ließ mit Sicherheit Bedenken aufkommen. Doch ungeachtet der ärgerlichen Starre des Silberkurses in den vergangenen Monaten ist das Edelmetall wie eine zusammengepresste Sprungfeder - bereit, zu explodieren und Gold einzuholen und zu übertreffen.

Silber war schon immer eine Art Investment-Mysterium, denn das Metall kombiniert die Eigenschaften einer hochspekulativen Kapitalanlage, eines konventionellen Industrierohstoffs und einer Alternativwährung. Als was davon es gerade gesehen und gehandelt wird, wechselt im Laufe der Zeit immer wieder und so widersetzt sich Silber allen Versuchen einer Klassifizierung. Der Silberkurs tendiert dazu, sich über lange Zeiträume hinweg auf unspektakuläre Weise seitwärts zu entwickeln, nur um dann in so gewaltigen Bullenmärkten nach oben zu schießen, dass sie noch Jahre später gefeiert werden.

Der wichtigste Faktor für die Entwicklungen am Silbermarkt war schon immer der Goldpreis. Der Silberkurs kann sich zwar kurzfristig vom gelben Metall abkoppeln, doch langfristig gesehen ist die Korrelation zwischen den beiden Edelmetallen sehr hoch. Das ist das Ergebnis des einzigartigen Angebots- und Nachfrageprofils von Silber. Die industrielle Nachfrage, einschließlich der Schmuck- und Silberwarenherstellung sowie der gesamten Fertigungsindustrie, umfasst 4/5 der weltweiten Nachfrage nach dem weißen Metall. Dieser Anteil bleibt meist relativ konstant.

Der vergleichsweise stabile Löwenanteil der Nachfrage hat allerdings nur geringe Auswirkungen auf den Silberpreis. Silberinvestitionen machen dagegen nur ein Fünftel der Gesamtnachfrage aus, doch ihr Umfang schwankt beträchtlich, je nachdem, wie die Stimmung am Markt gerade ist. Deshalb sind sie letztlich der ausschlaggebende Preisfaktor. Wie optimistisch oder pessimistisch die Investoren hinsichtlich des Silberpreises sind, hängt jedoch vor allem vom Goldpreis ab. Silber verhält sich praktisch wie ein Messgerät für das Sentiment am Goldmarkt, es ist ein Spiegel der Bewegungen des Goldkurses.

Wenn der Goldkurs deutlich nach oben klettert und die Marktteilnehmer überzeugt sind, dass es sich um einen langfristigen Aufwärtstrend handelt, strömen sie tendenziell auch wieder an den Silbermarkt. Gemessen am Gesamtkapital, welches am Silbermarkt im Spiel ist, ist der Markt winzig, daher können schon verhältnismäßig geringe Kapitalzuflüsse enorme Preissprünge auslösen. Nach Angaben des Silver Institute belief sich der Wert der gesamten weltweiten Silbernachfrage von 1.067 Millionen Unzen im Jahr 2014 entsprechend des durchschnittlichen Preises nur auf 20,3 Milliarden Dollar. Verglichen mir den globalen Kapitalmärkten ist das praktisch nicht als ein Rundungsfehler!

Die globale Goldnachfrage bezifferte der World Gold Council 2014 auf 4.226,4 Tonnen, was beim Durchschnittspreis jenes Jahres einem Wert von 172,0 Milliarden Dollar entsprach. Da also die Größe des Silbermarktes nur ein 1/8 der Größe des Goldmarktes entspricht, haben auch alle Käufe und Verkäufe am Silbermarkt den achtfachen Einfluss auf den Preis. Der Silberkurs kann also leicht überproportional schnell und hoch steigen, sobald die Investoren sich wieder für Gold begeistern.

Das Problem der starken Goldpreisrally von 2016 ist, dass sie in Investorenkreisen nicht genügend Enthusiasmus hervorgerufen hat, um substantielle Silberkäufe auszulösen. Mitte März gab es bei Silber nur ein Plus von 12,5% zu verzeichnen, während Gold 19,9% zugelegt hatte. Während starker Goldrallys verstärkt Silber die Aufwärtsbewegung im Normalfall noch, weil der Silbermarkt so viel kleiner ist. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass der Silberkurs die prozentualen Gewinne des Goldpreises im Laufe der Zeit verdoppelt - 2016 war das allerdings ganz und gar nicht der Fall.

Was also bedeutet die unterdurchschnittliche Entwicklung von Silber zu Beginn dieses Jahres? Manche Kommentatoren argumentieren, dass die fehlende Bestätigung der Goldrally durch einen entsprechenden Anstieg des Silberpreises ein Warnsignal darstellt und darauf hindeutet, dass der Aufschwung am Goldmarkt nicht von Dauer sein wird. Doch angesichts der enormen neuen und fundamental wichtigen Investitionsnachfrage im Goldsektor ist das extrem unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass der Silberkurs der Entwicklung einfach nur hinterherhinkt. Der folgende langfristige Silber- und Goldchart zeigt, dass das nichts Ungewöhnliches ist.

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Gold ist mathematisch betrachtet zwar der wichtigste Preisfaktor für Silber, doch extreme Kursstände bei Gold verzögern diese Beziehung zwischen den beiden Edelmetallen. Schließlich ist die Verbindung psychologischer und nicht mechanischer Natur. Es braucht seine Zeit, bis die Silberinvestoren von einer bedeutenden Trendwende im Goldsektor auch wirklich überzeugt sind. Sie erhöhen ihre Käufe und Verkäufe erst dann auf ein Niveau, welches den Preis so richtig in Bewegung bringt, wenn sie sicher sind, dass am Goldmarkt ein neuer Aufwärtstrend begonnen hat.

Die verzögerte Reaktion des Silberkurses auf Gold-Bullenmärkte ist innerhalb der letzten rund zehn Jahre klar ersichtlich. Wenn der Goldkurs korrigiert oder langfristig fällt, verstärkt Silber auch diese Abwärtsbewegung und fällt prozentual gesehen noch viel tiefer. Folglich ist die Stimmung am Silbermarkt extrem bärisch, wenn der Goldpreis gerade einen Boden ausbildet. Die Investoren, die während des Preisverfalls Verluste zu verbuchen hatten, scheuen sich vor einer Rückkehr an den Markt, wenn Gold erneut Aufwind bekommt. Ihre Einschätzung der Situation wird getrübt durch Niedergeschlagenheit und die Angst vor weiteren Einbußen und sie bezweifeln, dass die Rally anhalten wird.

Doch wenn der Goldpreis lange und hoch genug steigt, um die Silberinvestoren zu überzeugen, dass der Boden tatsächlich gebildet wurde und der Aufwärtstrend von Dauer sein wird, dann legen sie ihr Kapital wieder in Silber an. Zunächst geht dies nur langsam vonstatten, aber wenn der Silberpreis ebenfalls zu klettern beginnt, kehrt mehr und mehr Kapital an den Markt zurück. Viele Käufe lösen noch mehr Käufe aus, denn ein Gewinnerasset ist allseits begehrt. Wenn sich die Kursgewinne beschleunigen, holen sie die des gelben Metalls schon bald ein und übertreffen sie schließlich.

In den späten 2000er Jahren geschah das gleich mehrfach. Wie Sie im obenstehenden Chart sehen können, fiel Silber weit hinter Gold zurück, wenn das gelbe Metall korrigierte oder konsolidierte. Immer wenn eine Goldrally ein Ende fand, ließ auch das Interesse der Investoren an Silber nach. Doch schon kurz nachdem der Goldkurs einen Boden gebildet hatte und sich der Beginn eines Wiederaufschwungs abzeichnete, kam es am Silbermarkt zu massiven Käufen und das weiße Metall wurde letztlich viel schneller und weiter in die Höhe katapultiert als Gold. Während eines Aufwärtstrends ist dieses Muster schon seit Langem typisch für den Silberkurs.

In den letzten Jahren ließ sich wieder die gleiche bärische Entwicklung beobachten, als der Silberpreis erneut ein bedeutendes Kurstief von Gold einleitete, das diesmal von außergewöhnlich großen Kursbewegungen begleitet wurde. Zwischen dem langfristigen Hoch im August 2011 und dem Tief vom Dezember 2015 sank der Goldpreis um 44,5%. Am Silbermarkt fiel diese Baisse noch gravierender aus, denn der Kurs brach im gleichen Zeitraum sogar um 68,7% ein. Diese grauenhaften Verluste führten dazu, dass die Reihen der Silberinvestoren sich lichteten.


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