Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Silber: Wie eine Sprungfeder

06.04.2016  |  Adam Hamilton
- Seite 2 -
Am leichtesten lässt sich das anhand der physischen Silberbestände des weltweit führenden Silber-ETFs iShares Silver Trust (SLV) erkennen. Im Gegensatz zu den meisten Daten zu Nachfrage und Angebot am Silbermarkt, die bestenfalls einmal im Quartal publiziert werden, veröffentlichen die Manager des SLV die Höhe der Silberbestände jeden Tag. Der SLV dient praktisch als Kanal, durch den das Aktienmarktkapital in physische Silberinvestitionen fließt bzw. den Markt wieder verlässt. Die physischen Silberbestände des ETFs stehen daher stellvertretend für das Silberexposure der Aktienanleger.

Im August 2011, als der Goldkurs seinen höchsten Stand erreichte und Silber zu knapp 44 Dollar gehandelt wurde, hielt der SLV im Auftrag seiner Aktionäre 313,9 Millionen Unzen Silber vor. Das entsprach in etwa einem Wert von 13,7 Milliarden US-Dollar. Doch im Dezember 2015, als Gold am Tag nach der Zinserhöhung durch die US-Notenbank auf den tiefsten Kurs seit 6,1 Jahren fiel, notierte Silber bei weniger als 14 Dollar und der SLV verwahrte 323,5 Millionen Unzen des weißen Metalls. Das in Silber investierte Aktienmarktkapital belief sich folglich nur auf 4,4 Milliarden Dollar.

Die Stimmung unter den Silberinvestoren war selbstverständlich miserabel, während der Goldkurs gegen Ende des letzten Jahres einen Boden formte. Angesichts der ersten Zinsanhebung der Federal Reserve seit 9,5 Jahren herrschte die Meinung, dass dies der Beginn eines neuen Zinserhöhungszyklus sei, der sich als fatal für das gelbe Metall erweisen würde, welches keinerlei Kapitalerträge abwirft. Niemand scherte sich darum, dass die Geschichte genau das Gegenteil beweist: In Zeiten steigender Zinsen entwickelt sich der Goldkurs meist sehr positiv! Da alle erwarteten, dass der Goldpreis weiter fallen würde, wollte niemand etwas mit Silberinvestments zu tun haben.

Je länger eine solch negative Stimmung Bestand hat, desto extremer wird sie, und desto mehr Trägheit entwickelt sie. Eine Umkehr des Sentiments wird damit schwerer und schwerer. Als Silber dann Mitte Dezember den niedrigsten Kurs seit 6,4 Jahren verzeichnete, war klar, dass es einige Zeit dauern würde, bis sich die niedergeschlagenen Investoren zu einer Rückkehr an den Silbermarkt durchringen würden. Ich vermute, dass der verständlicherweise verzögerte Wandel des Investorensentiments der Grund für das Zurückbleiben des Silberkurses hinter der starken Goldrally in den ersten Monaten des Jahres 2016 ist.

Die Silberanleger waren mit Sicherheit nicht bereits beim ersten Anzeichen für einen Aufschwung am Goldmarkt bereit, sich wieder auf Investitionen einzulassen, denn in den letzten Jahren gab es ein halbes Dutzend steiler Goldrallys, welche ein jähes Ende fanden. Die Triebkraft hinter diesen Rallys war der Kauf von Gold-Futures durch die Spekulanten an den Terminmärkten, und diese erschöpften sich jedes Mal rasch. Solche Aufwärtsbewegungen können sich nur dann zu neuen Trends und Bullenmärkten entwickeln, wenn die Investoren mit ihren viel größeren Kapitalressourcen in den Markt einsteigen und den Staffelstab von den Spekulanten übernehmen.

Die enormen neuen Investitionen im Goldsektor, die es in dieser Form seit Anfang 2009 nicht mehr gegeben hatte, wurden erst Ende Februar 2016 wirklich ersichtlich. Es ist daher völlig verständlich, dass die Silberanleger in den ersten Monaten des neuen Aufwärtstrends noch skeptisch blieben, denn es hätte sich dabei auch nur um eine weitere Rally handeln können, welche allein auf den Käufen der Futures-Spekulanten beruht. Als es März wurde, kehrten die Investoren endlich langsam an den Silbermarkt zurück.

Belegen lässt sich dies anhand der Silberbestände des SLV. Ende Februar waren diese im Vergleich zum Jahresanfang um 2% zurückgegangen. Die Investoren an den Aktienmärkten hatten nicht geringste Interesse an Silber - ganz im Unterschied zum führenden Gold-ETF GLD, der seine physischen Edelmetallbestände innerhalb der gleichen Zeitspanne um 21% aufgestockt hatte. Im März begannen die Investoren jedoch endlich, sich auch dem weißen Metall wieder zuzuwenden und die Silberbestände des SLV wuchsen bis Monatsende um 6%.

Nachdem Silber im Zuge des bedeutenden, langfristigen Tiefs am Edelmetallmarkt hinter Gold zurückgeblieben war, beginnt das Kapital nun auch wieder, in diesen Sektor zu fließen. Den Investoren wird allmählich bewusst, dass die diesjährige Goldrally sich aufgrund der starken Beteiligung der Anleger grundlegend von den Entwicklungen der letzten Jahre unterscheidet. Sie gelangen daher endlich zu der Ansicht, dass die neue Goldhausse gerechtfertigt und langanhaltend ist. Silber erfüllt einmal mehr seine traditionelle Rolle als Maß für die Stimmung am Goldmarkt.

Es ist jedoch nicht nur das Sentiment im Goldsektor, das eine Auswirkung auf den Silberkurs hat. Das Edelmetall zählt sicherlich zur Klasse der hochspekulativen Anlageoptionen und wird tendenziell auch von den Bewegungen der Aktienmärkte beeinflusst, insbesondere bei Kurseinbrüchen. Historische Analysen zeigen, dass Silber oft förmlich mitgerissen wird, wenn es an den Börsen zu substantiellen Abverkäufen kommt. An Tagen, an denen die Aktien fallen und Gold steigt, tendiert der Silberkurs ebenfalls zu deutlichen Verlusten, statt dem Goldkurs nach oben zu folgen.

Aktiencrashs, die stark genug ausfallen, um die Aufmerksamkeit der Investoren zu erregen, haben im Allgemeinen eine verminderte Risikobereitschaft zur Folge. Deswegen werden sie auch als "Risk-off"-Tage bezeichnet. Silber scheint demgegenüber viel anfälliger zu sein als Gold, weil das weiße Metall ein viel spekulativeres Investment darstellt. Der zweite Grund für die Underperformance im Vergleich zu Gold besteht also in dem jähen Einbruch der allgemeinen Aktienkurse in den ersten sechs Wochen dieses Jahres.

Ich beobachte dieses Phänomen, dass Silber gemeinsam mit den Aktienkursen einbricht, schon seit Jahren, aber es ist schwer zu quantifizieren, weil sich auch die Entwicklung des Goldkurses an diesen Tagen auf den Silberpreis auswirkt. Die Existenz des Phänomens steht jedoch außer Frage. Silber ist natürlich nicht der einzige Rohstoff, der unter einer pessimistischen Stimmung an den Aktienmärkten leidet. Auch der Rohölpreis weist eine starke Korrelation zu den allgemeinen Aktienkursen auf. Das Geschehen an den Börsen hat einen enormen, universellen Einfluss.

Jetzt, da Silber endlich auf die ausgeprägte Goldpreisrally des laufenden Jahres reagiert, ist das Aufwärtspotential wirklich gewaltig. Der nächste Chart zeigt das Silber/Gold-Verhältnis, oder genauer gesagt, das Gold/Silber-Verhältnis. Das ist im Prinzip das Gleiche, aber mit schöneren, leichter interpretierbaren Zahlen als die winzigen Dezimalzahlen des Silber/Gold-Verhältnisses. Im letzten Jahr ist Silber bei den Investoren so unbeliebt geworden, dass es gegenüber Gold extrem unterbewertet ist.

Open in new window

Bislang lag das Gold/Silber-Verhältnis in diesem Jahr bei durchschnittlich 79,5. Anders gesagt entsprechen 79,5 Unzen Silber dem Wert einer einzigen Unze Gold. Der Goldkurs ist der bedeutendste Preisfaktor für Silber; die beiden Metalle waren schon immer eng miteinander verbunden. Das Gold/Silber-Verhältnis macht diese entscheidende Beziehung messbar und stellt damit ein herausragendes Instrument für den Handel mit den Edelmetallen dar. Es zeigt an, wann Silber gegenüber Gold über- oder unterbewertet ist und gibt damit einen Hinweis auf günstige Zeitpunkte, um niedrig zu kaufen und hoch zu verkaufen.

Vor dem Jahrhundertcrash an den Börsen im Jahr 2008 lag das Gold/Silber-Verhältnis im Schnitt bei 54,9. Das ist ein guter Richtwert dafür, wo der Silberpreis im Verhältnis zum Goldpreis an den modernen Märkten liegen sollte. Während der Finanzkrise wurde die starke Tendenz des weißen Metalls, bei Einbrüchen an den Aktienmärkten mit in die Tiefe gerissen werden, nur allzu deutlich. Silber fiel noch schneller als Gold, während die Aktienkurse zusammenbrachen, und das Gold/Silber-Verhältnis stieg auf einen Extremwert, der nicht von Dauer sein kann.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"