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Interview mit einem Crashpropheten!

18.07.2006  |  Dr. Volkmar Riemenschneider
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R.S.: Sie warnen vehement davor Edelmetalle auf Kredit zu kaufen und argumentieren dies mit einer möglichen Deflation. Nun widersprach Ihnen der Silberguru Reinhard Deutsch jedoch kürzlich sehr heftig und brachte den empirischen Gegenbeweis, dass man seit 2000 mit Schulden im US-Dollar und Edelmetallanlagen sehr gut gefahren sei. Sollte man nicht ein bisschen differenzieren zwischen Schulden in Hart- (Schweizer Franken, Singapur Dollar,...) und Weichwährungen (Dollar, Euro, Yen...)?

W.E.: Der Goldpreis-Einbruch von Mai/Juni 2006 hat gezeigt, warum. Den Schweizer Franken empfehle ich als Fluchtwährung, obwohl er nicht mehr so gut ist, wie vor 30 Jahren. Daher sollte man darin im Euro-Raum überhaupt keine Kredite haben.


R.S.: Sie vertreten die Ansicht, dass die angeschwollenen Asset-Blasen weltweit platzen müssten um sich zu normalisieren. Könnte aber nicht auch einfach alles im Wert steigen (Inflation in den zurückgebliebenen Sektoren) und somit wieder ein relativ ausgewogenes Gleichgewicht entstehen lassen? Schließlich wurde in den 1970ern ebenfalls auf diese Weise genug Luft aus dem Ballon gelassen um weitere zwei Jahrzehnte mühelos das System am Leben zu erhalten?

W.E.: Die heutige Zeit ist real aber nicht die 1970er Jahre, denn die Verschuldung ist um ein x-faches höher. Daher kann man schuldengedeckte Währungen auch nicht mehr mit hohen Zinsen retten. Alles, was die Eliten tun, ist das Ende hinauszuzögern und den wahren Zustand zu verschweigen. Auch wenn dazu einige Kriege notwendig sind.


R.S.: Auch auf den Kondratjew-Zyklus wird von Ihnen in der Begründung für eine kommende Wirtschaftskrise gerne verwiesen. Sie ziehen aus ihm die Schlussfolgerung, dass am Ende eines Zykluses Scheinwelten und Illusionen entstehen. Beispielsweise führen Sie die Auslagerung der Produktion nach Asien und die explodierende Anzahl von Shopping Center an. Nun könnte man jedoch die aktuelle Situation als Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft deuten in welcher die Dienstleistung die überwiegende Rolle einnimmt und somit eine Weiterentwicklung des westlichen Kapitalismus darstellt. Welche Argumente möchten Sie gegen diese These, die sich aus der Entwicklung des Kapitalismus ableiten lässt, anführen?

W.E.: So ist es. Sehen Sie sich an, wo im Westen noch Fabriken gebaut werden? In den USA spricht man zu Recht von der "Financial Economy". Es ist eine virtuelle Scheinwelt, die von weiterer Verschuldung lebt. In Wirklichkeit druckt man (elektronisches) Geld, um zu konsumieren. Wenn diese Konsumschulden (werden als Anleihen weltweit verkauft) auf den Markt fliegen, ist diese Art der Schulden-Ökomomie aus. Jede Lieferantenfinanzierung ist einmal zu Ende gegangen. Auch diese wird es. Sehen Sie, in den USA bricht die Immobilien-Bubble bereits zusammen, damit endet die weitere Aufschuldung. Spanien & co. werden auch folgen. Warum werden derzeit Assets & Währungen von Ländern mit hoher Auslandsverschuldung abverkauft?


R.S.: In Deutschland gibt es seit vielen Jahren eine wachsende Gemeinde von Crashpropheten, beispielsweise den sehr populären Günther Hannich der über eine riesige Fangemeinde verfügt. Gehen Sie wirklich davon aus, dass das heutige Finanz- und Wirtschaftsystem mit seinen vielen Interessensgruppen und Lobbyisten es so einfach zulassen würde, dass man in unzähligen Büchern, Websites und Internetforen die perfekte Überlebensstrategie für einen Crash verbreitet, und wir damit eigentlich der uns zugedachten Opferrolle entgehen? Letztenendes muss doch in jedem Crash irgendwer viel Geld verlieren, damit es ein anderer verdienen kann?

W.E.: Ja, es werden viele, viel Geld verlieren. Und viele ihre Prestige-Jobs. Sobald die Bonds massenhaft verkauft werden oder ein grosser finanzieller Unfall passiert, geht es richtig los. Das kann jeden Tag passieren. Denken Sie an die vielen Hedge-Fonds. Das Problem ist heute mindestens 100 mal schlimmer als 1998, als der untergehende Hedge-Fond LTCM fast das weltweite Finanzsystem zum Einsturz gebracht hätte. Günter Hannich macht sehr gute Analysen. Seine Bücher sind als Vorbereitung empfehlenswert. Leider ist er ein Anhänger dieser utopischen "Freigeld-Lehre". Er will damit „die Welt retten“ und nicht die Menschen.


R.S.: In Ihrem Beitrag "Finanzkrise - einfach erklärt" schreiben Sie, dass "etwa nur 1 Mensch in 100.000 diese Mechanismen wirklich kennt" die hinter dem Geldsystem und der systematischen Enteignung durch Inflation stehen. Das würde bedeuten, dass nur 800 Leute in Deutschland diesen Mechanismus verstehen würden, finden Sie das nicht etwas utopisch angesichts des explodierenden Absatzes von Büchern über Crashstrategien? Ist nicht viel mehr bereits die Entstehung eines morbiden Hypes, einer Freude und ein Hoffen auf den Crash, zu verspüren?

W.E.: Dieser Artikel war zur Aufklärung gedacht. Man kann doch für die Gesellschaft etwas Gutes tun. Ob jetzt einer von 10.000 oder einer von 100.000 das System wirklich versteht ist eigentlich unerheblich. Auch kaum ein Banker versteht es. Keynes sagte, es ist einer von 1 Million. Ob die Leser dieser Bücher das System dann wirklich verstehen, ist eine andere Sache. Morbider Hype? Warten Sie auf das nächste LTCM. Wenn dann einer von zehn die Sache versteht, wäre schon viel geholfen.



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