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Kommt das "Helikopter-Geld"?

30.05.2016  |  Klaus Singer
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Klassische Theorien unterstellen, die Wirtschaftssubjekte können Inflationseffekte richtig einschätzen und berücksichtigen, wenn sie Güter kaufen, Löhne erhalten oder zahlen. Auch der Monetarist Milton Friedman postulierte dies. Der Inflationsillusion wurde kaum Bedeutung zugemessen.

Friedman war es aber auch, der die unkonventionellste aller Zentralbank-Maßnahmen für den Fall empfahl, dass alles andere nicht mehr weiterhelfen sollte - Helikopter-Geld. Diese Metapher bezieht sich darauf, dass die Geldmenge in der Realwirtschaft durch Zentralbankgeld dauerhaft erhöht wird. In besonders prägnanter Form erfolgt das dadurch, dass Geld vom Himmel regnet.

Realistischer geschieht dies durch eine rasante Zunahme öffentlicher Ausgaben oder eine Steuersenkung, finanziert durch einen dauerhaften Anstieg der Geldmenge. Der Zusammenhang zwischen einer schnellen Zunahme der Geldmenge und langfristigen Preissteigerungen ist empirisch gut belegt und gilt als letzte Möglichkeit für die Zentralbanken, Inflation zu induzieren.

Hier könnte Japan einmal mehr den Vorreiter spielen. Die BoJ hatte zuletzt die gesamte jährliche Netto-Neuverschuldung des japanischen Staates aufgekauft und auch noch andere Assets in ihr QE-Programm eingeschlossen. Aber weder Inflation noch Inflationserwartungen sind angezogen, die Wirtschaftspolitik der Abenomics produziert nicht genügend Wachstum - das reale BIP ist heute nicht höher als 2008. Ende Januar hatte die BoJ dann in einer Art Verzweiflungsakt den Einstieg in negative Zinsen gewagt.

Es geschah das Unerwartete: Der Yen wurde nicht schwächer, sondern erstarkte deutlich, dabei wurde auch der von japanischen Exportfirmen als wichtig angesehenen Pegel bei rund 115 bei Dollar/Yen durchbrochen. Aktuell notiert das Währungspaar bei 110. Rund 35% der Abwertung des Yen gegen den Dollar seit Start der Abenomics sind mittlerweile wieder zurückgenommen worden (Chartquelle).

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Ein starker Yen reduziert die Chancen im Export und fördert deflationären Druck. Auf der jüngsten G7-Tagung wurde Japan wiederholt vor direkten Währungsmanipulationen mit dem Ziel einer Schwächung des Yen gewarnt. Da mit dem laufenden QE-Programm schon alle neuen Staatsschulden gekauft werden, stößt die BoJ hiermit an Grenzen.

Helikopter-Geld könnte nun in Japan die Wahl sein. Die Inlands-Geldmenge wird direkt erhöht entweder durch eine Steigerung der staatlichen Ausgaben, durch Steuersenkungen oder eine Kombination von Maßnahmen. Die Größe eines solchen neuen Programms könnte von der Entwicklung bestimmter Makrodaten oder auch von der Währungsentwicklung gesteuert werden.

Die Erwartung ist, dass ein Teil des frischen Geldes ins Ausland fließt und so den Yen erneut schwächt. Trotz (oder wegen?) der bisher unternommenen agressiven Schritte, bleiben dem Land kaum andere Optionen. Gleichzeitig betritt es Neuland, weil im Gegensatz zu früheren Kredit-finanzierten staatlichen Anreizprogrammen eine Finanzierung mit Zentralbankgeld erfolgt; es verbleibt dauerhaft in der Wirtschaft, wird nicht eines Tages "sterilisiert“. Man darf gespannt sein. Der ehemalige Fed-Chef Bernanke hatte in einer Rede 2002 überlegt, ob Helikopter-Geld etwa Japan aus der Deflationsspirale heraushelfen könnte.

Die Wirksamkeit solcher Machenschaften hängt stark mit dem Überraschungseffekt zusammen. Die Zentralbanken haben sich in den zurückliegenden Jahren vieler Regelbindungen wieder entledigt, die in den 1980er Jahren eingeführt wurden, um ihre Politik berechenbar zu machen (z.B. Taylor-Regel oder Geldmengen-Steuerung). Damit wurden gewisse Voraussetzungen geschaffen für plötzliche Wendungen.

Wenn die Inflationserwartungen niedrig sind, aber überraschend eine starke Vermehrung der Geldmenge in Aussicht gestellt wird, ist die Wirkung auf das Preisniveau umso größer. Auch wirkt Helikopter-Geld im Vergleich zu per QE-Maßnahmen geschaffenem Geld direkter auf die Geldmenge im Geldfass der Realwirtschaft. QE-Maßnahmen entfalten ihre Effekte hingegen v.a. im Finanzbereich und treiben Asset-Preise hoch.

Durch Helikopter-Geld kann kurzfristig eine Konjunkturbelebung erreicht werden. Die längerfristigen Wirkungen stehen auf einem anderen Blatt. Wenn die Wirtschaftssubjekte die Verbesserung ihrer Einkommen z.B. durch Steuererleichterungen dazu nutzen, um künftige Ausgaben vorzuziehen, bleibt das Ganze ein Strohfeuer. Es kann sogar das Gegenteil eintreten, zusätzliche Mittel könnten gespart werden, insbesondere dann, wenn die Stimmung beim Verbraucher gedämpft ist und Vorsicht dominiert.

Zudem dürften die Zentralbanken im Interesse der Schuldner der Inflation relativ tatenlos zusehen und die Zinsen nicht adäquat anpassen. Dadurch könnte die Inflation rasch unbeherrschbar werden - Vertrauensverlust in das Geldsystem wäre die Folge. Das ist auch der Grund dafür, dass die Zentralbanken bisher zögern bei der Anwendung von Helikopter-Geld.

(Unter Verwendung von Material aus "Why the G7 May Be Hastening Helicopter Money")


Fazit:

Das US-BIP hat sich im ersten Quartal recht müde entwickelt. In Japan zeigt sich besonders klar, dass QE-Maßnahmen weder die Wirtschaft insgesamt, noch die Inflation ankurbeln. Unerwartet hat der Yen neue Stärke entwickelt. Jetzt könnte Japan zu den unkonventionellsten Maßnahmen aller unkonventionellen Maßnahmen greifen - Helikopter-Geld.


Ergänzung:

Dass Helikoper-Geld auch hier in Europa nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, zeigte sich im März, als EZB-Draghi in einer Pressekonferenz auf die Frage eines Reporters, war er davon halte, antwortete: Das ist “ein interessantes Konzept”. Er ruderte zwar sogleich verbal zurück, die EZB habe sich noch nicht damit beschäftigt. Aber daraufhin schossen die Spekulationen schon mal ins Kraut.


Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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