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+124 Prozent im ersten Halbjahr und noch lange kein Ende in Sicht!?

05.07.2016  |  Dr. Uwe Bergold
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FOCUS-MONEY: Inwiefern?

Uwe Bergold: Bei der Berechnung der Verbraucherpreise gibt es durchaus Gestaltungsspielräume. Seit den neunziger Jahren werden sie zunehmend aktiv genutzt. Hier lässt sich dann bei Bedarf manches schönen.


FOCUS-MONEY: Wie geht das?

Uwe Bergold: Zum Beispiel durch die Einführung der Hedonik. Das heißt Qualitätsverbesserungen, etwa bei Computern oder Autos gegenüber den Vorgängermodellen, werden als Preisminderung eingerechnet, obgleich der Verbraucher beim Kauf immer noch dasselbe oder sogar mehr zahlen muss. Oder durch Substitution sich besonders stark verteuernder Elemente im Warenkorb. Wird zum Beispiel Kaffee kräftig teurer, wird Tee stärker berücksichtigt. Das sind jeweils zwar nur kleine Dinge, in der Summe ist ihre Wirkung aber beträchtlich. So kommt die Internetseite Shadowstats etwa für die USA nach der Berechnungsmethode von 1990 derzeit zu einer Inflationsrate von rund fünf Prozent statt der offiziell ausgewiesenen 1,1 Prozent. Aber auch ohne diese Dinge tickt eine Zeitbombe.


FOCUS-MONEY: Wo liegt die?

Uwe Bergold: Die eigentliche Inflationierung wird erst dann sichtbar, wenn die Rohstoffpreise beginnen, stärker zu steigen. Denn dann folgen mit etwas Verzögerung auch die Erzeugerpreise und danach die Verbraucherpreise. Auch die werden dann massiv zulegen. Zur Zeit sieht man die Inflation noch nicht, weil sei nur in den Anlagenpreisen drin steckt.


FOCUS-MONEY: Erscheint diese Gefahr wirklich real? Die Verbraucherpreise sind doch zuletzt in Deutschland und Euroland erstmals sogar gesunken.

Uwe Bergold: Die Geschichte lehrt: Inflation ist kein linearer Prozess, wie uns immer vorgegaukelt wird. Inflation entwickelt sich exponentiell. Das heißt, sie fängt zunächst in Teilbereichen und relativ harmlos an, gewinnt dann aber an Dynamik und ist irgendwann nicht mehr kontrollierbar. Sichtbar wird dieser Prozess immer erst dann, wenn die Inflation beginnt überzuschwappen von den Anlagegütern auf die Rohstoffe und dann über die Erzeuger- auf die Verbraucherpreise. Dann merkt es auch der kleine Mann. Dann beginnen die Probleme.


FOCUS-MONEY: Von steigenden Rohstoffpreisen kann doch keine Rede sein. Über Monate sind sie bis in dieses Jahr hinein permanent und ganz erheblich gefallen.

Uwe Bergold: Die Rohstoffpreise sind sogar schon seit 2011, also über fünf Jahre, in einer Korrektur. Dies ist ja der wichtigste Grund, warum die Inflation bisher im Warenkorb nicht sichtbar wurde. Aber deshalb haben wir auch keine Deflation, also eine sich nach unten beschleunigende Preisspirale, wie oft behauptet wird, sondern lediglich eine Desinflation, eine temporäre Abschwächung der Inflation. Das darf man nicht verwechseln. Das Gerede von der Deflation führt in die Irre.


FOCUS-MONEY: Sind das nicht Haarspaltereien?

Uwe Bergold: Keineswegs. Es gab zuvor nur einmal in der jüngeren Geschichte gleichfalls eine fünfjährige Periode rückläufiger Rohstoffpreise: 1928 bis 1932 zu Beginn der Weltwirtschaftskrise. Danach haben wir in den USA den zweitstärksten Anstieg der Rohstoffpreise und auch den zweitstärksten Anstieg der Inflation in der Geschichte erlebt. Das könnte sich jetzt wiederholen:

Seit Frühjahr tendieren die Rohstoffpreise wieder deutlich nach oben. Rohöl als Kern des Rohstoffpreisindex hat sich seit dem Tief Ende Januar bereits verdoppelt. Dies schlägt sich erfahrungsgemäß mit einem einer Zeitverzögerung von sechs bis zwölf Monaten auch im Warenkorb, also in den Verbraucherpreisen nieder. Die größte Überraschung in den nächsten zwölf bis 24 Monaten wird für die Investoren dir Rückkehr der Inflation sein.


FOCUS-MONEY: Sie würde dann auf ein extrem expansives monetäres Umfeld treffen.

Uwe Bergold: Sie müssen es umgekehrt betrachten: Die Notenbanken mit ihrer starken Ausweitung der Geldmenge sind die Ursache für die beginnende Inflation. Nur floss das frisch gedruckte Geld bislang schwerpunktmäßig an die Anlagemärkte und hier vor allem in Anleihen, um es den Regierungen zu ermöglichen, sich trotz enormer Schulden weiter günstig zu Geld aufzunehmen. Im Prinzip ist dies eine Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken.


FOCUS-MONEY: Die ist doch wegen ihrer Gefahr für die Geldwertstabilität eigentlich verboten?

Uwe Bergold: Richtig. In Deutschland gab es dies zuletzt zu Zeiten der Weimarer Republik. Das trieb den Inflationsprozess damals gewaltig an. Und auch jetzt beobachten wir, dass die Liquidität bereits beginnt überzuschwappen von den Finanzmärkten auf die Anlageklasse Rohstoffe. Damit dürfte, wie gesagt, die Inflation in naher Zukunft auch im Warenkorb und damit in den Verbrauchpreisen sichtbar werden.


FOCUS-MONEY: Was werden die Notenbanken dann machen?

Uwe Bergold: Die Notenbanken wollen ja unbedingt inflationieren. Das ist bei dem riesigen Kreditgebäude in der Welt, vor allem der Staaten, die einzigen Chance. Wenn wir in eine Deflation liefen, würde dieses Gebilde sofort kollabieren.


FOCUS-MONEY: Heißt das, die Sparer und Verbraucher verlieren durch Inflation zwar etwas Geld aber im Prinzip wird unser Finanzsystem damit wieder stabiler?

Uwe Bergold: Schön wäre es. Die Zentralbanken gaukeln der Öffentlichkeit doch nur vor, sie hätten die Inflation mit ihrer Zwei-Prozent-Grenze unter Kontrolle und suggerieren, alles könnte geregelt werden. Die Geschichtsbücher sind voll von Beispielen, dass dies nicht funktioniert. Einmal mit Inflation begonnen, wird sie immer stärker werden. Nur ein bisschen schwanger geht nicht. Schon jetzt ist das Inflationsziel der EZB - abgesehen von dem üblichen exponentiellen Verlauf einer Inflationierung - eine Illusion. Denn sie schauen nur auf den Warenpreisindex. Betrachtet man die Gesamtinflation, ist die Zwei-Prozent-Grenze bereits überschritten.


FOCUS-MONEY: Wie wollen Sie das belegen?

Uwe Bergold: In der Geldtheorie gibt es die Faustformel, dass die Geldmenge minus Wirtschaftswachstum die wahre Zahl für die Inflationierung einer Volkswirtschaft angibt. In Euroland wuchs die Geldmenge M3 zuletzt um fünf Prozent. Das Wirtschaftswachstum wird bei 1,5 bis 1,7 Prozent erwartet. Allein daraus leitete sich eine tatsächliche Inflation von gut drei Prozent ab. Wobei man auch hier aufpassen muss: Die Hedonik läuft auch ins Bruttoinlandsprodukt und damit ins Wirtschaftswachstum hinein und schönt beide. Schon allein diese Rechnung belegt, dass die offizielle Inflationsrate gar nicht stimmen kann.



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