Aktuelle Trends am Goldmarkt: Shanghai, Schulden und Schwarze Schwäne
08.07.2016 | Michael J. Kosares
90% der weltweiten Goldproduktion gehen nach Shanghai
Jiao Jinpu, der Vorsitzende der Shanghai Gold Exchange (SGE), berichtet im Gold Investor Magazine des World Gold Council: "Im ersten Monat belief sich das Handelsvolumen des Shanghaier Goldreferenzpreises auf 105,91 Tonnen in Form von Gold-Kilobarren, was einem Umsatz von 27,94 Milliarden Renminbi und einem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen von 4,81 Tonnen entsprach. 102,1 Tonnen Gold wurden physisch ausgeliefert, um den großen Bedarf des Marktes nach physischen Edelmetallen zu decken."
In der Artikelserie "The China Syndrome" hebe ich die überwiegend physische Abwicklung des Goldhandels an der chinesischen Börse als entscheidenden Faktor hervor, der den Goldmarkt in den kommenden Jahren prägen wird. Das Zitat von Jiao Jinpu bestätigt die Bedeutung des physischen Handels am chinesischen Markt. Mehr als 96% des Handelsvolumens an der SGE lässt sich auf den Kauf und Verkauf von physischem Metall zurückführen. Preisspekulationen ohne Auslieferung, wie sie für die Handelsaktivitäten an der New Yorker COMEX charakteristisch sind, sind an der SGE nicht üblich.
Jiao beschreibt weiterhin, welchen Einfluss der Benchmark-Preis aus Shanghai auf die Goldderivate innerhalb Chinas hat. Goldkontrakte wie beispielsweise Leasingvereinbarungen, verschiedene Derivate sowie die Goldsparpläne der Geschäftsbanken basieren ihm zufolge auf dem Referenzpreis. Der physische Preis, der an der SGE gebildet wird, werde direkt auf die Derivate übertragen. Anders gesagt bestimmt der physische Handel die Goldpreisbildung in China und kann daher direkte Auswirkungen auf den Rest des globalen Goldmarktes haben.
Der obenstehende Chart illustriert den Einfluss, den China auf die physischen Goldbewegungen am Weltmarkt hat. 2014 landeten 73,4% des weltweit geförderten Goldes in den Händen der chinesischen Investoren, Banken und Staatsreserven. 2015 gingen sogar 90,8% des geförderten Goldes nach China - gegenüber dem Jahr 2008, als der Anteil des Landes nur 23,7% an der Gesamtnachfrage betrug, ist das ein erstaunlicher Anstieg. Kurz gesagt verlässt sich der Rest der Welt zum größten Teil auf die bereits vorhanden, überirdischen Goldbestände.
Seit der Einführung des Shanghaier Referenzpreises haben die chinesischen Investoren und Trader den Goldpreis schon mehrfach auf ein höheres Niveau gehoben, auf welchem sich der Handel dann im Laufe des Tages in London und New York fortsetzte. (Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Chinesen den Goldpreis auch in die andere Richtung, also nach unten, beeinflussen können.) Da China der erste bedeutende Markt ist, der jeden Tag öffnet, ist das Land im weltumspannenden Goldhandel strategisch günstig positioniert, um das Trading an den anderen Märkten für den Rest des Tages zu prägen - einschließlich des Londoner und New Yorker Goldmarktes. Bis jetzt wurde in Shanghai meist jeweils der Trend bestätigt, der sich an den übrigen Handelsplätzen abzeichnete, oder abwärts gerichtete Preistrends wurden umgekehrt. Eine Situation, in der der Goldpreis am chinesischen Markt gegenüber den anderen Märkten signifikant gefallen ist, wurde bislang noch nicht beobachtet.
Da praktisch alle Trades mit physischem Metall abgewickelt werden, benötigen die Verkäufer eine zuverlässige Quelle für echtes Gold. Ein auf Papier geschriebenes Versprechen ist am Shanghaier Markt nicht ausreichend. Uns erreichen bereits die ersten Berichte über Londoner Goldhändler, die in der Schweiz einkaufen müssen, was eine Umkehr der zuvor üblichen Handelsbeziehungen darstellt, als die Schweizer Scheideanstalten ihr Gold hauptsächlich aus London bezogen. Das kann ohne Weiteres mit dem neuen Shanghaier Benchmark-Preis und dem "hohen Bedarf an physischem Gold in China" in Zusammenhang stehen, an den Jiao uns demonstrativ erinnert. Vier chinesische Banken sind mittlerweile sowohl am Londoner Goldpreis-Fixing als auch an der Bildung des Referenzpreises in Shanghai beteiligt und sind folglich perfekt positioniert, um Arbitragemöglichkeiten zwischen den beiden Märkten auszunutzen.
Aufkeimende Silbernachfrage in China
Aus dem Chart, der die Goldverkäufe an der SGE und die globale Goldproduktion gegenüberstellt, kann man verschiedene Schlussfolgerungen ziehen - unter anderem auch die, dass China womöglich die Bezugsquellen für physisches Gold ausgehen. Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Berichten über chinesische Minengesellschaften, die seit Kurzem aggressiv versuchen, Goldminen außerhalb der Landesgrenzen zu erwerben, obwohl China bereits die weltweit größten Goldmengen fördert.
Eine weitere Facette erhält dieses Szenario dadurch, dass China im Hinblick auf seine Silberkäufe das Tempo womöglich ebenfalls erhöht, um seine Edelmetallstrategie zu ergänzen. Wie Sie anhand des folgenden Charts sehen können, ist die chinesische Silbernachfrage innerhalb der letzten beiden Jahren deutlich angestiegen - ein Trend, der von den Finanzmedien weitestgehend ignoriert wird. Im unteren Balkendiagramm ist gut zu sehen, dass die physische Nachfrage in den letzten zwei Jahren deutlich über den Werten der Vorjahre lag. Das stille, aber wachsende Interesse Chinas an Silber ist ein unterstützender Faktor für den Aufstieg des weißen Metalls vom Rohstoff zum monetären Metall, welches von Investoren als rettendes letztes Asset verwendet werden kann, da es neben Gold ein weiterer Vermögenswert ohne Gegenparteirisiko ist.
Der wahre Schwarze Schwan
"Du sagst: 'Ich dachte nicht, dass das geschehen würde.' Denkst du denn, dass es irgendetwas gibt, das nicht geschehen wird, wenn du weißt, dass es möglich ist, und wenn du weißt, dass es bereits geschehen ist?" - Seneca, 62 n. Chr.
Das Bexit-Referendum kam und ging, doch die Nachwirkungen bleiben. Viele werden das Ergebnis des Votums als Schwarzen Schwan interpretieren, doch per Definition war es das nicht. Damit ein Ereignis als Schwarzer Schwan eingestuft werden kann, muss es zumindest (a) unvorhergesehen sein und (b) extreme Konsequenzen nach sich ziehen. Diese beiden Kriterien hat Nassim Taleb, der den Ausdruck prägte, ursprünglich angeführt. Der Brexit erfüllt keines davon. Für einen Großteil der Öffentlichkeit kam er zwar überraschend, doch viele haben den Ausgang des Volksentscheids durchaus vorhergesehen, darunter auch eine Reihe von Hedgefonds-Spekulanten, die hohe Wetten darauf abgeschlossen haben. Was die Folgen betrifft, waren diese mit Sicherheit beunruhigend, aber nicht unbedingt extrem. Zudem lassen sie sich bislang noch gar nicht in ihrer Gesamtheit überblicken.
Jiao Jinpu, der Vorsitzende der Shanghai Gold Exchange (SGE), berichtet im Gold Investor Magazine des World Gold Council: "Im ersten Monat belief sich das Handelsvolumen des Shanghaier Goldreferenzpreises auf 105,91 Tonnen in Form von Gold-Kilobarren, was einem Umsatz von 27,94 Milliarden Renminbi und einem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen von 4,81 Tonnen entsprach. 102,1 Tonnen Gold wurden physisch ausgeliefert, um den großen Bedarf des Marktes nach physischen Edelmetallen zu decken."
In der Artikelserie "The China Syndrome" hebe ich die überwiegend physische Abwicklung des Goldhandels an der chinesischen Börse als entscheidenden Faktor hervor, der den Goldmarkt in den kommenden Jahren prägen wird. Das Zitat von Jiao Jinpu bestätigt die Bedeutung des physischen Handels am chinesischen Markt. Mehr als 96% des Handelsvolumens an der SGE lässt sich auf den Kauf und Verkauf von physischem Metall zurückführen. Preisspekulationen ohne Auslieferung, wie sie für die Handelsaktivitäten an der New Yorker COMEX charakteristisch sind, sind an der SGE nicht üblich.
Jiao beschreibt weiterhin, welchen Einfluss der Benchmark-Preis aus Shanghai auf die Goldderivate innerhalb Chinas hat. Goldkontrakte wie beispielsweise Leasingvereinbarungen, verschiedene Derivate sowie die Goldsparpläne der Geschäftsbanken basieren ihm zufolge auf dem Referenzpreis. Der physische Preis, der an der SGE gebildet wird, werde direkt auf die Derivate übertragen. Anders gesagt bestimmt der physische Handel die Goldpreisbildung in China und kann daher direkte Auswirkungen auf den Rest des globalen Goldmarktes haben.
Quelle: Sharlynx.com
Der obenstehende Chart illustriert den Einfluss, den China auf die physischen Goldbewegungen am Weltmarkt hat. 2014 landeten 73,4% des weltweit geförderten Goldes in den Händen der chinesischen Investoren, Banken und Staatsreserven. 2015 gingen sogar 90,8% des geförderten Goldes nach China - gegenüber dem Jahr 2008, als der Anteil des Landes nur 23,7% an der Gesamtnachfrage betrug, ist das ein erstaunlicher Anstieg. Kurz gesagt verlässt sich der Rest der Welt zum größten Teil auf die bereits vorhanden, überirdischen Goldbestände.
Seit der Einführung des Shanghaier Referenzpreises haben die chinesischen Investoren und Trader den Goldpreis schon mehrfach auf ein höheres Niveau gehoben, auf welchem sich der Handel dann im Laufe des Tages in London und New York fortsetzte. (Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Chinesen den Goldpreis auch in die andere Richtung, also nach unten, beeinflussen können.) Da China der erste bedeutende Markt ist, der jeden Tag öffnet, ist das Land im weltumspannenden Goldhandel strategisch günstig positioniert, um das Trading an den anderen Märkten für den Rest des Tages zu prägen - einschließlich des Londoner und New Yorker Goldmarktes. Bis jetzt wurde in Shanghai meist jeweils der Trend bestätigt, der sich an den übrigen Handelsplätzen abzeichnete, oder abwärts gerichtete Preistrends wurden umgekehrt. Eine Situation, in der der Goldpreis am chinesischen Markt gegenüber den anderen Märkten signifikant gefallen ist, wurde bislang noch nicht beobachtet.
Da praktisch alle Trades mit physischem Metall abgewickelt werden, benötigen die Verkäufer eine zuverlässige Quelle für echtes Gold. Ein auf Papier geschriebenes Versprechen ist am Shanghaier Markt nicht ausreichend. Uns erreichen bereits die ersten Berichte über Londoner Goldhändler, die in der Schweiz einkaufen müssen, was eine Umkehr der zuvor üblichen Handelsbeziehungen darstellt, als die Schweizer Scheideanstalten ihr Gold hauptsächlich aus London bezogen. Das kann ohne Weiteres mit dem neuen Shanghaier Benchmark-Preis und dem "hohen Bedarf an physischem Gold in China" in Zusammenhang stehen, an den Jiao uns demonstrativ erinnert. Vier chinesische Banken sind mittlerweile sowohl am Londoner Goldpreis-Fixing als auch an der Bildung des Referenzpreises in Shanghai beteiligt und sind folglich perfekt positioniert, um Arbitragemöglichkeiten zwischen den beiden Märkten auszunutzen.
Aufkeimende Silbernachfrage in China
Aus dem Chart, der die Goldverkäufe an der SGE und die globale Goldproduktion gegenüberstellt, kann man verschiedene Schlussfolgerungen ziehen - unter anderem auch die, dass China womöglich die Bezugsquellen für physisches Gold ausgehen. Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Berichten über chinesische Minengesellschaften, die seit Kurzem aggressiv versuchen, Goldminen außerhalb der Landesgrenzen zu erwerben, obwohl China bereits die weltweit größten Goldmengen fördert.
Eine weitere Facette erhält dieses Szenario dadurch, dass China im Hinblick auf seine Silberkäufe das Tempo womöglich ebenfalls erhöht, um seine Edelmetallstrategie zu ergänzen. Wie Sie anhand des folgenden Charts sehen können, ist die chinesische Silbernachfrage innerhalb der letzten beiden Jahren deutlich angestiegen - ein Trend, der von den Finanzmedien weitestgehend ignoriert wird. Im unteren Balkendiagramm ist gut zu sehen, dass die physische Nachfrage in den letzten zwei Jahren deutlich über den Werten der Vorjahre lag. Das stille, aber wachsende Interesse Chinas an Silber ist ein unterstützender Faktor für den Aufstieg des weißen Metalls vom Rohstoff zum monetären Metall, welches von Investoren als rettendes letztes Asset verwendet werden kann, da es neben Gold ein weiterer Vermögenswert ohne Gegenparteirisiko ist.
Der wahre Schwarze Schwan
"Du sagst: 'Ich dachte nicht, dass das geschehen würde.' Denkst du denn, dass es irgendetwas gibt, das nicht geschehen wird, wenn du weißt, dass es möglich ist, und wenn du weißt, dass es bereits geschehen ist?" - Seneca, 62 n. Chr.
Das Bexit-Referendum kam und ging, doch die Nachwirkungen bleiben. Viele werden das Ergebnis des Votums als Schwarzen Schwan interpretieren, doch per Definition war es das nicht. Damit ein Ereignis als Schwarzer Schwan eingestuft werden kann, muss es zumindest (a) unvorhergesehen sein und (b) extreme Konsequenzen nach sich ziehen. Diese beiden Kriterien hat Nassim Taleb, der den Ausdruck prägte, ursprünglich angeführt. Der Brexit erfüllt keines davon. Für einen Großteil der Öffentlichkeit kam er zwar überraschend, doch viele haben den Ausgang des Volksentscheids durchaus vorhergesehen, darunter auch eine Reihe von Hedgefonds-Spekulanten, die hohe Wetten darauf abgeschlossen haben. Was die Folgen betrifft, waren diese mit Sicherheit beunruhigend, aber nicht unbedingt extrem. Zudem lassen sie sich bislang noch gar nicht in ihrer Gesamtheit überblicken.