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Was nun wären wohl die Folgen des Brexit? Ansichten und Fakten

19.07.2016  |  Prof. Dr. Hans J. Bocker
- Seite 4 -
Der Analyst und Kenner der Szene, Ernst Wolff, spricht von «fortlaufender künstlicher Beatmung des globalen Finanzsystems» und unterscheidet drei markante Entwicklungen:

  • 1) Politik und Medien in der EU verlieren die Fähigkeit, zugunsten der Finanzindustrie helfend einzuspringen

  • 2) Dieses System kann unvorhergesehene Erschütterungen wie den Brexit nur noch haarscharf überstehen, und zwar durch das koordinierte schlagartige Eingreifen der allmächtigen Zentralbanker

  • 3) Der Machterhalt der Finanzeliten und Nebeneinander mit dem System der parlamentarischen Demokratie sind auf Dauer niemals miteinander vereinbar. Entweder gehen die Eliten oder die Demokratie.

  • 4) Das Bexit - Votum hatte mit Demokratie nichts zu tun. Es war keine Massnahme, die den Briten den Entscheid über eine unabhängige Zukunft überlassen sollte, sondern ein absolut fehlgelaufenes taktisches Manöver der Tory Hinterbänkler, was dem Volk «die wahre EU-Demokratie» vorgaukeln sollte. Das Ziel dieses Manövers war dreifacher Art: Zum einen sollte die eigene Politik die weitere Begünstigung der herrschenden Finanzelite sichern. Zum anderen die eigene lokale Herrschaft und die des Premiers sichern (der inzwischen gehen musste). Drittens hatte niemand der Mächtigen auch nur im Traum daran gedacht, dass dieses Experiment in solch dramatischer Weise schief gehen könnte.

Wir hatten schon ein ähnliches Ereignis fast gleicher Art im Vorfeld:

In Griechenland wurde vor Jahresfrist über ein massives Sparpaket der Regierung abgestimmt. Die Griechen stimmten mit übergrosser Mehrheit mit «Nein» (Oxi). Doch die Regierung lachte insgeheim über so viel Naivität. Motto: «Wenn Wahlen irgendetwas bewirken könnten, wären sie längst abgeschafft». Athen ignorierte die Stimme des Volkes nicht nur, sondern verstärkte (auf Befehl Brüssels) die Beschränkungen der Staatsausgaben noch weiter. Man tat also exakt das Gegenteil des Volkswillens.

Da das alles so wunderbar gelaufen war, rechnete man im Falle der Briten mit einem ähnlichen Ausgang. Doch das «Oxi» der Briten wog viel schwerer als sein griechisches Pendant. England ist die 5.-größte Volkswirtschaft der Welt, während die durch die Fremdmacht «Troika» regierten Griechen nur 1,7% zur Wirtschaftsleistung der EU beitragen.

Im Größenwahn der Allmacht aber übersehen die Eliten oft, was in den Köpfen der Bürgermassen vorgeht. Die Elitemitglieder essen im teuren Club zusammen, fliegen gemeinsam in teure Urlaubsorte, unterhalten sich ausschließlich mit Gleichgesinnten aus ihrer Oberklasse, haben ihre Kinder zusammen mit den Kindern der gleichen Oberklasse in Eliteschulen, lesen die Berichte von Analysten, die voll auf ihrer Wellenlänge liegen, und tauschen sich de facto ausschließlich mit Ähnlichdenkenden aus. Sie verlieren jeden Kontakt zum ungebildeten, dummen und naiven Volk. Sie lesen Analysen von von ihnen sehr gut bezahlten Schreiberlingen, Statistikern und Medien, die ihnen selbst gehören, und die die Welt genau wie sie selbst deuten und auslegen. Wie könnten sie je erahnen, was in den Köpfen der Massen vorgeht?


Kleiner Knacks im Glaubenswahn der Bürger, doch unverstörte Zentralbanker

Aber eben dieser Wahn und die damit verbundenen Weltbilder erhielten durch den Brexit einen Knacks. Plötzlich kamen erste Zweifel an der Allmacht Brüssels und der Notenbanker auf, und genau dies erzeugte Ängste der Mächtigen, aber viel weniger in London, sondern vielmehr in Brüssel und der gesamten «Rest-EU». Dort wird man natürlich sofort «Gegenmaßnahmen» ergreifen: Neuer Gelddruck, weitere Zinssenkungen und alles läuft auf ewig weiter wie gehabt. Außerdem äußerte einer der führenden EU-Bosse öffentlich, dass Außerirdische die Entwicklungen der EU mit großer Sorge beobachteten. Seither änderte sich einer der Vornamen dieses kosmischen EU-Vertreters im öffentlichen Sprachgebrauch vielfach von «Claude» zu «Clown».

Keiner von diesen EU-Superhelden hat den Mut und die Integrität ehrlich einen «default» zuzugeben. Stattdessen wird der feige Weg des Geld-Druckens und der bewussten Marktmanipulationen in der 120sten Fortsetzung gewählt. Also erklärte die Bank of England nach dem Brexit, dass 350 Milliarden $ (frisch gedruckt) zur Verfügung stünden, um «die Märkte zu stabilisieren». Ins gleiche Horn stiess die EZB, die ebenfalls «399 Milliarden $ bereit stellte». Die Bank of Japan setzte mit ihrem Angebot «jede notwendige Summe» zu drucken - Verzeihung, wollte sagen «vorrätig zu halten», noch eins drauf.

Auch die Chinesen werden weiter drucken und drucken, genau wie Herr Drache (italienisch «draghi»). Wie wunderbar doch die Zentralbanker der Welt harmonieren, wenn es um die» Gelderzeugung aus dem Nichts» geht.

Ob sich wohl die Bevölkerung eines Tages der Zeilen eines Theodor Körners (1791-1813), erinnern wird? Dieser Volksheld fiel, nur 22 Jahren alt, im Lützowschen Freikorps, im Kampf gegen die napoleonische Fremdherrschaft, und wurde heute aus dem Schulunterricht als Identifikationsfigur deutschen Freiheitskampfes völlig verdrängt. Und ob wohl eines Tages die «Brüsseler Fremdherrschaft» und ihre Überwindung in die Geschichtsbücher eingeht? Die Zeitläufte werden es lehren.

Körners 4 Zeilen haben es in sich:

«Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten
Vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott
Doch bald schon wird wieder Gerechtigkeit walten
Dann richtet das Volk und dann Gnade euch Gott».

Doch von derlei Gedanken bleiben die heutigen Eliten völlig unverstört. Man reagierte auf den Brexit blitzartig und dies nicht nur mit schlichtem Gelddruck:

a) Liquidität in dreistelliger Milliardenhöhe an Euros bereitgestellt

b) Direkter stützender Eingriff in die Aktienmärkte. Ohne diese Notmassnamen wären die Kurse noch viel weiter in den Keller gerauscht

c) Aufkauf von Anleihen von in Wahrheit notleidenden Banken, Unternehmen und Staaten

d) Die Chefs und Sprachrohre der Notenbanker in Europa, Asien und Amerika verkündeten lautstark und wie besessen, dass «alle notwendigen Maßnamen bereits eingeleitet seien, um eine Krise wie 2008 mit allen Mitteln zu verhindern». Und der damit verbundene Glaube der medialen Systemstützer und des zögernden Bürgers versetzte wie üblich Berge. Doch manchmal verschwinden sogar ganze Berge auf Grund vulkanischer Tätigkeit (Revolution) oder durch Erosion (positive Evolution). So oder so, schlagartig oder in Zeitlupe, ihre Zeit ist irgendwann und bald - schlicht abgelaufen. Kein Imperium hält ewig.

e) Die extrem kooperativen Medien hetzten und schürten gegen den Brexit und erfinden ununterbrochen immer neue storys, wie schnell dieser «verwaltungstechnische Irrtum», Brexit genannt, schon bald, ja ganz bald, wieder verschwinden würde. Aufgeführt werden, je nach Bedarf, Lust und Laune:

Parlamentsbewegungen, Straßen- und Gewerkschafts-Proteste, die Jugend rebelliert, Schottland, Wales und Nordirland schlüpfen schon übernächste Woche wieder in die Zwangsjacke Brüssels, der britische Volk wollte das eigentlich gar nicht, und England hat jetzt eine schreckliche Zukunft vor sich, wie die massig fabrizierten Konjunktur-Analysen eindeutig beweisen. Der Brexit kommt unmittelbar vor dem Weltuntergang, und wehe, wenn eines der verbleibenden 27 Länder es wagen würde, den Gedanken eines Austritts auch nur vage zu denken. Ihn treffe das Schwert Gottes, bzw. in der etwas moderneren Version, das Schwert Allahs


Fazit:

Das moderne Finanzsystem ist seit 2008 klinisch tot. Gelddruck und Negativzinsen halten es, wie Heroinspritzen einen Zombie, künstlich zusammen: Der Leichnam oder genauer der Scheintote, hüpft bei jeder neuen Überdosis noch ein wenig, um danach wieder zusammen zu sacken. Die Dosen, die diese letzten Hüpfer erzeugen bzw. brauchen, werden jedoch immer größer. Zu Zeiten unserer Eltern wurde in Parlamenten um Zehntausende an Mark gekämpft. Nicht lange und es ging um Hundertausende und schließlich um Millionen. Schon bald standen hunderte von Millionen auf den Tagesordnungen. Heute sind es mehrstellige Milliarden an $, €, Yuan oder Yen.

Man hat sich an diese Summen gewöhnt, sowie an die Steuerfreiheiten und die täglichen kostenfreien Morgenbrötchen, Mahlzeiten, Transportmittel, Krankenversorgung und vollindexierte Superpensionen für EU-Diener und Parlamentarier. Wenn es allerdings um hunderte von Milliarden geht, wachen selbst die ansonsten friedlich dösenden EU-Hinterbänkler, die gelegentlich im Sitzungssaal auftauchen, erschreckt auf. Aber keine Sorgen: Wenn die Hyperinflation wegen des Geldschöpfungs-Tsunamis denn endlich zuschlägt, wird man sich über mehrstellige Billiardensummen einigen müssen.

Vorerst aber bewirken kleine Dosen nur noch grössere Krämpfe im Finanzsystem, vorerst noch primär im Bereich von Aktien und Immobilien. Jedenfalls steigen bis dahin die Lebenshaltungskosten, die Reichen werden reicher, die Armen immer ärmer. Gewaltige Flüchtlingsströme überziehen Europa mit Millionen wenig oder gar nicht kompatibler Neuankömmlinge, mit den entsprechenden Kostenfolgen.

Realwirtschaft und Finanzwirtschaft haben keinerlei Beziehung mehr zueinander. Statt 3 zu 1 strebt dieses Verhältnis auf 300 zu 1 zu. Die modernen Sozialsysteme sind nach Art und Umfang nicht mehr lange zu halten. Die Blasen im Immobiliensektor und am Aktienmarkt werden, wie alle Blasen vor oder nach ihnen, mit Knalleffekt platzen. Die Medien besingen den im Sterbezimmer ums nackte Überleben kämpfenden Dollar mit immer neuen Rosenarien, und prophezeien den ganz großen Aufschwung «gleich um die Ecke».

Mediales Lobgehudel überhäuft die Chefs der Eliten. Das völlig steuerfreie Brüssel mit seinen ungewählten Macht-Kommissaren, und das im Grunde kompetenzlose Strassburger EU-Parlament (es darf laut Satzung keine eigenen Gesetze erlassen), leben von weit überbezahlten Ausstattungen, und ansonsten ein auf ewig steuerfreies Leben, auch dann, wenn sie sie sich ab 42 pensionieren ließen.

Wie der Brexit gerade so anschaulich bewies, verlieren die herrschenden Eilten schrittweise jeden Zusammenhang zur Realität, genau wie die Medien den Zusammenhang zum Volk. Die Diktatur der Finanzindustrie und die Wahl-Demokratie sind auf Dauer nicht mehr miteinander vereinbar. Einer von beiden muss weichen. Das Kettenkarussell dreht sich immer schneller und niemand weiss, bei welcher Drehzahl die Ketten aus ihren Verankerungen reißen, und die Insassen gegen die Barrieren geschleudert werden, mit, sieht man einmal von den Erben ab, wenig erfreulichen Folgen.

Vorbereitungen? Grundsätzlich gilt: Sachwert schlägt Geldwert und unter den Sachwerten stehen Nutzimmobilien, Wald, Land, Wasser, Medizin, Gärten, Nahrung, Tauschwaren, Haustiere und ganz besonders die Edelmetalle zur ersten Wahl. Gute Nachbarschaften, wie auch harmonischer Familienzusammenhalt, bilden eine solide Barriere gegen kommendes Unbill. Die Familie wird, genau wie in alten Zeiten, die modernen, dem Untergang gewidmeten und nicht mehr bezahlbaren Sozialsysteme, ersetzen müssen. So war es früher, so wird es wieder sein. Lasst uns den Brexit als kleine Vorwarnung dienen. Wer sich sinnvoll vorbereitet, schläft besser und lebt später sehr viel glücklicher.


© Prof. Hans-Jürgen Bocker
www.profbocker.ch


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