Chris Puplava: Die Welt steht Kopf
01.08.2016
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Die Schulden-ZeitbombeFür die Finanzmärkte und die US-Wirtschaft war die Finanzkrise von 2008 ein bedeutender Wendepunkt. Vor 2008 waren die Schulden über Jahrzehnte hinweg gestiegen: Die Banken vergaben Kredite und die Verbraucher, Unternehmen und Regierungen liehen sich Geld. Dieses Kreditwachstum bildete die Grundlage des Wirtschaftswachstums. Um den Schuldenzyklus nach Rezessionen wieder anzukurbeln, senkten unsere Zentralbanken die Zinsen mit dem Ziel, die Kreditnehmer wieder zurück an den Schuldenaltar zu locken und die nächste Spekulationsblase aufzupumpen.
Heute sehen wir uns mit Zinssätzen von 0% oder sogar mit Negativzinsen konfrontiert, doch abgesehen von wenigen Bereichen ist die kräftige Wiederbelebung des Kreditwachstums ausgeblieben. Wie es in einem Sprichwort heißt: "Man kann die Pferde zur Tränke führen, aber trinken müssen sie selbst."
Die hohe Verschuldung, die schwache Erholung der Beschäftigungszahlen, gleichbleibende oder sinkende Reallöhne und die zunehmende Unsicherheit auf wirtschaftlicher und politischer Ebene tragen dazu bei, dass die Bereitschaft der Kreditnehmer zur Aufnahme neuer Schulden gesunken ist. Infolge umfassenderer Regulierungen in der Finanzwirtschaft sind die Kreditgeber überdies seltener bereit und in der Lage, Darlehen zu verlängern.
All diese Faktoren spielen ineinander und bewirken, dass das beispiellos niedrige Zinsniveau nicht zu einer signifikanten Stimulierung der Wirtschaft geführt hat - weder in den Vereinigten Staaten noch in anderen Ländern. Die Verbraucher sind heutzutage gezwungen, ihre Wünsche und Bedürfnisse den veränderten Umständen anzupassen.
Das bedeutet, dass der doppelte Rückenwind aus wachsender Erwerbsbevölkerung und dem steigenden Schuldenniveau der privaten Haushalte, der während der letzten drei Jahrzehnte geweht hatte, sich nun legt. Die neuen Trends in diesen Bereichen werden in den kommenden Dekaden wohl eher einen Gegenwind verursachen und die geld-, währungs- und finanzpolitischen Bemühungen weltweit behindern.
Von quantitativen Lockerungen zum Helikoptergeld
Die langfristigen Wirtschaftsfaktoren, die die letzten Jahrzehnte geprägt haben - Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, sinkende Zinssätze, zunehmende Globalisierung des Handels und Schuldenwachstum - werden wohl nicht noch einmal in dieser Form zusammenwirken. Aus diesem Grund werden die Behörden wahrscheinlich aus reiner Verzweiflung verschiedene neue Maßnahmen ausprobieren.
Zentralbanken auf der ganzen Welt haben sich an verschiedenen und wiederholten quantitativen Lockerungen (engl. quantitative Easing, QE) versucht, aber wie Michael Hartnett von der Bank of America schon sagt: QE sollte durch QV ersetzt werden, quantitatives Versagen. Obwohl die globalen Geldmengenausweitungen die Welt auf den Kopf gestellt haben, waren die Anstrengungen der Zentralbanken vergebens. Das Ergebnis dessen könnte sein, dass die unkonventionelle Geldpolitik in den kommenden Monaten und Jahren noch unkonventioneller wird, falls sie mit der Finanzpolitik verknüpft wird.
Die Idee des Helikoptergeldes stammt vom berühmten amerikanischen Ökonomen Milton Friedman. In seinem 1969 veröffentlichtem Paper "The Optimum Quantity of Money" (auf deutsch erschienen unter dem Titel "Die optimale Geldmenge und andere Essays") beschreibt er ein geldpolitisches Konzept, demzufolge die Zentralbanken beim Drucken von Geld das Geschäftsbankensystem umgehen und die Finanzmittel direkt in die Haushalte fließen. Der ehemalige Fed-Vorsitzende Ben Bernanke nahm während einer Rede im Jahr 2002 auf diese Idee Bezug, was ihm den Spitznamen "Helikopter-Ben" einbrachte. Er sagte damals:
"Breit angelegte Steuererleichterungen, begleitet von einem Programm zum Kauf von Anleihen am freien Markt um Zinssteigerungen abzumildern, hätten beispielsweise fast mit Sicherheit eine stimulierende Wirkung auf die Konsumausgaben und damit auch auf die Preise.
Selbst falls sich die Haushalte entscheiden sollten, ihren Verbrauch nicht zu erhöhen und stattdessen ihre Portfolios auszubalancieren, indem sie die zusätzlichen Barmittel verwenden, um reale und finanzielle Vermögenswerte zu erwerben, hätte die daraus resultierende Wertsteigerung der Vermögenswerte eine Senkung der Kapitalkosten zur Folge und würde die Bilanzpositionen der potentiellen Kreditnehmer verbessern. Eine durch die Schöpfung neuen Geldes finanzierte Steuersenkung entspricht praktisch Milton Friedmans berühmter Idee von Geld, welches von einem Helikopter abgeworfen wird."
Der folgende Artikel illustriert den Unterschied zwischen QE und Helikoptergeld:
"Der Hauptunterschied zwischen quantitativen Lockerungen und Helikoptergeld im Sinne Friedmans besteht darin, dass es sich bei der Mehrheit der Käufe um Tauschgeschäfte handelt, bei denen eine Staatsanleihe gegen Bankreserven getauscht wird. Das mildert zwar Liquiditätseinschränkungen im Bankensektor ab, welche infolge der Mindestreserveanforderungen auftreten können und unter Umständen ein Grund für sinkende Kreditvergaben sind, und verringert zudem die Kreditkosten der Regierungen, doch die Übertragung der Resultate auf die Realwirtschaft erfolgt indirekt und war bislang wenig überzeugend.
Im Grunde genommen lässt das Preis-Leistungs-Verhältnis der QE-Maßnahmen zu wünschen übrig. Direkte Geldtransfers auf die Konten der Bürger, oder durch Geldschöpfung finanzierte Steuersenkungen oder Regierungsausgaben stellen eine Möglichkeit dar, die Wirksamkeit dieser Geldpolitik zu verstärken. Statt auf das Durchsickern der Resultate von den Finanzmärkten zu hoffen, könnte die Gesamtnachfrage auf diese Wiese direkt beeinflusst werden."
Wo sind die Helikopter stationiert, die voraussichtlich zuerst abheben werden?
Japan - eine Fallstudie der Zukunft
Japan war die erste hochentwickelte Industrienation, deren Schuldenzyklus zu Anfang der 1990er Jahre den Höhepunkt überschritt. Die private Verschuldung hat damals im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mit 220% einen Spitzenwert erreicht und ist seitdem auf etwa 170% zurückgegangen. Im Gegenzug dazu sind die Staatsschulden Japans allerdings auf 229% des BIP angewachsen. Das ist Ihnen eventuell ziemlich gleichgültig, aber bedenken Sie Folgendes: Als Antwort auf die Schuldenkrise hat die Bank of Japan den Leitzins bereits Mitte der 1990er Jahre auf 0,5% gesenkt und in den letzten 25 Jahren lag er im Durchschnitt bei nur 0,3%!