Das Ende der Rohstoff-Hausse
13.08.2006 | Robert Rethfeld
Die Rohstoffhausse begann am 10. Dezember 1998. Wer an diesem Tag ein Fass Rohöl (Crude) erwerben wollte, musste dafür exakt 10 US-Dollar und 72 Cents bezahlen. Die offizielle US-Inflationsrate lag bei 1,5 Prozent. Die Russland- und LTCM-Krise war vorbei; Alan Greenspan hatte durch sein „beherztes“ Eingreifen (Leitzinssenkungen) schlimmeres für die Aktienmärkte verhindert. Zwei Jahre zuvor war das Buch "The Death of Inflation" von Roger Bootle erschienen. Das Buch war damals leidlich berühmt (immerhin wurden 50.000 Exemplare in den USA verkauft) und löste kontroverse Diskussionen aus. Tenor des Buches war, dass der Weltwirtschaft eine längere Periode mit Null-Inflation bevorstünde. Die Zinssätze würden zwischen 2 und 4 Prozent schwanken, Einzelhandelspreis- und Lohnsteigerungen würden der Vergangenheit angehören. Würde man dieses Buch allein auf Deutschland oder Japan beziehen, würde Bootle Recht behalten haben. Aber die Weltwirtschaft hat sich bekanntlich anders entwickelt. Die Nachfrage nach Rohstoffen speziell in den Schwellenländern zog gewaltig an. Inflation ist in den meisten Ländern dieser Welt ein großes Thema. In den USA befindet sich die offizielle Inflationsrate oberhalb von 4 Prozent, die inoffizielle dürfte irgendwo bei 5 oder 6 Prozent liegen.
Das Wort „Deflation“ taucht in diesen Wochen nicht auf, weder für die US-Fed noch für die Anleger. Die Angst vor den Auswüchsen steigender Inflation lastet auf den Märkten. Und doch spricht gerade jetzt eine Vielzahl von Indizien dafür, dass sich die Themen Inflation und Rohstoff-Hausse bald von selbst erledigen.
Weit verbreitet ist derzeit die These, dass ein steigender Ölpreis die Weltwirtschaft ins Stolpern bringen wird. Die Angst vor der Stagflation (Inflation bei Wachstumsstillstand) geht um. Ein solches Phänomen trat in den 70er Jahren auf, als der Ölpreis stark anzog und die Weltwirtschaft ins Stolpern brachte. Damals spielten wir als Kinder sonntags auf der Autobahn, obwohl das streng verboten war. Dieser Ölpreis-Schock war politisch motiviert. Damals erreichten die USA ihren Öl-Produktionshöhepunkt. Die OPEC zog die Schlinge im Nachgang des Yom-Kippur-Krieges gegenüber der westlichen Welt an, indem sie ein Öl-Embargo verhängte.
Der Reichtum der arabischen Öl-Imperien entstand nach 1973, als die vorher dort operierenden westlichen Ölgesellschaften verstaatlicht wurden. Die Öl-Einnahmen sorgten für Schlaraffenländer, in denen die Bürger keine Steuern oder Abgaben zahlen müssen und die Arbeit von ausländischen Gastarbeitern erledigt wird. Die Welt in Dubai ist eine künstliche Welt mit künstlichen Maßstäben und am ehesten mit der Spätphase des römischen Reiches zu vergleichen, als Bürger Steuerfreiheit genossen und die Arbeit von Sklaven erledigt wurde. Doch das römische Reich zerfiel. Im englischsprachigen Sprachraum existiert der Begriff "Regression to the mean". Das heißt, Extreme jeder Art kehren irgendwann in die neutrale Zone zurück. Das wird in Öl-Ländern Arabiens nicht anders sein. Siehe dazu auch den Artikel "Babylon und Börsenboom" vom August 2005.
Eine Versiebenfachung des Ölpreises aufgrund der Aufstiegs der Schwellenländer und dort besonders der Wandlung Chinas von einer rein politischen zu einer politischen und wirtschaftlichen Weltmacht kam der arabischen Führungselite zugute.
Die arabischen Ölstaaten befinden sich in einem Wettlauf mit der Zeit. Sie wissen, dass die Ölvorräte sich dem Ende zuneigen. Sie wollen die laufenden Einnahmen dazu nutzen, alternative Industrien (z.B. Tourismus) aufzubauen. Man schaue nur auf Dubai und die vielen dortigen Baustellen. Die Abhängigkeit Arabiens von den großen Ölverbrauchern der Welt ist so hoch wie nie. Wer soll denn die Arbeiter bezahlen, wenn keine Petrodollars mehr fließen? Unter diesen Umständen ist eine Boykottsituation wie in den 70er Jahren nicht vorstellbar.
Ein Stagflationsszenario aufgrund einer Erreichung des Welt-Produktionspeaks in Öl wäre eine andere Möglichkeit. Doch hier streiten sich die Gelehrten. Wann genau im Rahmen der kommenden Jahre der Produktionspeak erreicht sein wird, ist kaum vorhersagbar.
Falls in der nahen Zukunft weder eine Boykottsituation noch ein Produktionspeak auftritt, dürfte der Ölpreis ganz normal durch Angebot und Nachfrage beeinflusst werden. Bei Betrachtung der inversen Zinsstrukturkurve in den USA sowie der Schwäche der Sektorindizes wie Nasdaq, Halbleiterwerte, Einzelhandel und Transports liegt die Schlussfolgerung nahe, dass weltweit eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums bevorsteht, die sich in den USA besonders stark auswirken könnte (Stichwort Rezession). Unter diesen Umständen muss von einem Rückgang der Ölnachfrage ausgegangen werden. Beispielsweise hatte sich der Ölpreis im Vorfeld und während der letzten Rezession (2001) halbiert.
Wie der folgende Chart zeigt, ist der August normalerweise einer der Monate mit dem stärksten Ölpreisanstieg.
Doch trotz der Israel/Libanon-Konflikts, trotz der Teil-Schließung eines wichtigen Ölfeldes in den USA, trotz der angespannten Situation in Nigeria und der unveränderten Unbeugsamkeit des venezuelanischen Präsidenten Chavez gegenüber den USA kann der Ölpreis im Vergleich zum April-Hoch bisher wenig zulegen.
Die Versiebenfachung des Ölpreises geschah in gut sieben Jahren. Schon den Autoren der Bibel sind die sprichwörtlichen sieben fetten und sieben mageren Jahre eine Erwähnung wert.
Ein steigender Ölpreis induziert eine steigende Inflationsrate, ein fallender Ölpreis eine fallende Inflationsrate. Hinzu kommt, dass bei einer Abschwächung des weltweiten Wirtschaftswachstums auch die Industrierohstoffe - zu denen unter anderem Kupfer, Stahl, Aluminium und Silber zählen - unter mangelnder Nachfrage leiden würden.
Fazit: Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis sein Jahreshoch entweder bereits gesehen hat oder es lediglich noch marginal überschreiten wird. Wir gehen weiterhin davon aus, dass Rohstoffe allgemein kurz vor dem Ende des Haussezyklus stehen. Gold als „Fluchtwährung“ mag hier eine Ausnahme darstellen, aber auch hier sehen wir keine explosionsartigen Entwicklungen nach oben mehr. Eine Wiederaufnahme der Rohstoff-Hausse dürfte erst dann erfolgen, wenn die Rezession in den USA ihren Tiefpunkt überwunden haben wird.
© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de
P.S.: Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.
Das Wort „Deflation“ taucht in diesen Wochen nicht auf, weder für die US-Fed noch für die Anleger. Die Angst vor den Auswüchsen steigender Inflation lastet auf den Märkten. Und doch spricht gerade jetzt eine Vielzahl von Indizien dafür, dass sich die Themen Inflation und Rohstoff-Hausse bald von selbst erledigen.
Weit verbreitet ist derzeit die These, dass ein steigender Ölpreis die Weltwirtschaft ins Stolpern bringen wird. Die Angst vor der Stagflation (Inflation bei Wachstumsstillstand) geht um. Ein solches Phänomen trat in den 70er Jahren auf, als der Ölpreis stark anzog und die Weltwirtschaft ins Stolpern brachte. Damals spielten wir als Kinder sonntags auf der Autobahn, obwohl das streng verboten war. Dieser Ölpreis-Schock war politisch motiviert. Damals erreichten die USA ihren Öl-Produktionshöhepunkt. Die OPEC zog die Schlinge im Nachgang des Yom-Kippur-Krieges gegenüber der westlichen Welt an, indem sie ein Öl-Embargo verhängte.
Der Reichtum der arabischen Öl-Imperien entstand nach 1973, als die vorher dort operierenden westlichen Ölgesellschaften verstaatlicht wurden. Die Öl-Einnahmen sorgten für Schlaraffenländer, in denen die Bürger keine Steuern oder Abgaben zahlen müssen und die Arbeit von ausländischen Gastarbeitern erledigt wird. Die Welt in Dubai ist eine künstliche Welt mit künstlichen Maßstäben und am ehesten mit der Spätphase des römischen Reiches zu vergleichen, als Bürger Steuerfreiheit genossen und die Arbeit von Sklaven erledigt wurde. Doch das römische Reich zerfiel. Im englischsprachigen Sprachraum existiert der Begriff "Regression to the mean". Das heißt, Extreme jeder Art kehren irgendwann in die neutrale Zone zurück. Das wird in Öl-Ländern Arabiens nicht anders sein. Siehe dazu auch den Artikel "Babylon und Börsenboom" vom August 2005.
Eine Versiebenfachung des Ölpreises aufgrund der Aufstiegs der Schwellenländer und dort besonders der Wandlung Chinas von einer rein politischen zu einer politischen und wirtschaftlichen Weltmacht kam der arabischen Führungselite zugute.
Die arabischen Ölstaaten befinden sich in einem Wettlauf mit der Zeit. Sie wissen, dass die Ölvorräte sich dem Ende zuneigen. Sie wollen die laufenden Einnahmen dazu nutzen, alternative Industrien (z.B. Tourismus) aufzubauen. Man schaue nur auf Dubai und die vielen dortigen Baustellen. Die Abhängigkeit Arabiens von den großen Ölverbrauchern der Welt ist so hoch wie nie. Wer soll denn die Arbeiter bezahlen, wenn keine Petrodollars mehr fließen? Unter diesen Umständen ist eine Boykottsituation wie in den 70er Jahren nicht vorstellbar.
Ein Stagflationsszenario aufgrund einer Erreichung des Welt-Produktionspeaks in Öl wäre eine andere Möglichkeit. Doch hier streiten sich die Gelehrten. Wann genau im Rahmen der kommenden Jahre der Produktionspeak erreicht sein wird, ist kaum vorhersagbar.
Falls in der nahen Zukunft weder eine Boykottsituation noch ein Produktionspeak auftritt, dürfte der Ölpreis ganz normal durch Angebot und Nachfrage beeinflusst werden. Bei Betrachtung der inversen Zinsstrukturkurve in den USA sowie der Schwäche der Sektorindizes wie Nasdaq, Halbleiterwerte, Einzelhandel und Transports liegt die Schlussfolgerung nahe, dass weltweit eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums bevorsteht, die sich in den USA besonders stark auswirken könnte (Stichwort Rezession). Unter diesen Umständen muss von einem Rückgang der Ölnachfrage ausgegangen werden. Beispielsweise hatte sich der Ölpreis im Vorfeld und während der letzten Rezession (2001) halbiert.
Wie der folgende Chart zeigt, ist der August normalerweise einer der Monate mit dem stärksten Ölpreisanstieg.
Doch trotz der Israel/Libanon-Konflikts, trotz der Teil-Schließung eines wichtigen Ölfeldes in den USA, trotz der angespannten Situation in Nigeria und der unveränderten Unbeugsamkeit des venezuelanischen Präsidenten Chavez gegenüber den USA kann der Ölpreis im Vergleich zum April-Hoch bisher wenig zulegen.
Die Versiebenfachung des Ölpreises geschah in gut sieben Jahren. Schon den Autoren der Bibel sind die sprichwörtlichen sieben fetten und sieben mageren Jahre eine Erwähnung wert.
Ein steigender Ölpreis induziert eine steigende Inflationsrate, ein fallender Ölpreis eine fallende Inflationsrate. Hinzu kommt, dass bei einer Abschwächung des weltweiten Wirtschaftswachstums auch die Industrierohstoffe - zu denen unter anderem Kupfer, Stahl, Aluminium und Silber zählen - unter mangelnder Nachfrage leiden würden.
Fazit: Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis sein Jahreshoch entweder bereits gesehen hat oder es lediglich noch marginal überschreiten wird. Wir gehen weiterhin davon aus, dass Rohstoffe allgemein kurz vor dem Ende des Haussezyklus stehen. Gold als „Fluchtwährung“ mag hier eine Ausnahme darstellen, aber auch hier sehen wir keine explosionsartigen Entwicklungen nach oben mehr. Eine Wiederaufnahme der Rohstoff-Hausse dürfte erst dann erfolgen, wenn die Rezession in den USA ihren Tiefpunkt überwunden haben wird.
© Robert Rethfeld
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P.S.: Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.