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Schon wieder Krisensignale aus Italien & Co

23.09.2016  |  Dr. Dietmar Siebholz
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Man muss kein Hellseher sein, um erkennen zu können, dass sich hier ein neues EU-Monstrum auftut. Somit liegen für die BRD die kumulierten Einsätze beim Spielkasino EU schon geschätzt bei mehr als 350 Mrd. Euro. Aber im Unterschied zum Roulette-Tisch, wo man bei vorsichtigem Taktieren eine Gewinnchance von bis zu ca. 46% hat, liegen hier die Chancen auf Verlust des Spielkapitals (also unserer Steuermittel) bei geschätzten 80%. Vielleicht sollten wir unsere Politiker darauf aufmerksam machen, dass Spielkasinos erfolgreicher und auch angenehmer im Ambiente sind als das Miterleben der Politkomödien in Brüssel.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen, wir sind schon jetzt ausgeplündert, denn die Erfolge unserer Spar- und Exportpolitik schlagen sich nur bedingt in einem für uns verfügbaren Überschuss nieder. Da ja so um die 60% unserer Exporte in die EU-Staaten gehen und die Bezahlung für diese Exporte über das EZB-Verrechnungskonto (nach dem TARGET-II-Modell) vonstattengeht, erhalten wir keine verwendbaren Devisen, Währungen oder sonstige freie Mittel, sondern lediglich Verrechnungsansprüche gegenüber der EZB.

Für den internationalen Gebrauch sind diese Mittel nicht verwendungsfähig. Sie können nur dann zu realem Währungsguthaben führen, wenn die Schuldner (also die anderen EU-Zentralbanken) zahlen können. Und wer glaubt schon noch an den Weihnachtsmann? Ich nicht mehr …

Ganz sicher gibt es nicht den Hauch einer Chance dafür, dass Italien seine Verpflichtungen aus dem Verrechnungsweg gemäß dem TARGET-II-Programm je erfüllen kann. Die Athen-Gespräche aus der letzten Woche sind wohl der Beginn einer neuen Strategie, diese Ansprüche zugunsten weniger EU-Länder, vor allem aber der BRD, reduzieren zu können.

Warum sehe ich das so kritisch? Erstens muss sich bei uns der völlig ungerechtfertigte Stolz und die Überheblichkeit ("seht auf uns, wie man es richtig machen kann") bald verflüchtigen, um auf die realen Vorgaben zurückzukommen. Denn wenn unsere Verpflichtungen aus den oben genannten Rettungsschirmen - und die sind effektiv und kurzfristig durchsetzbar gegen uns - nicht mit unseren Forderungen aus dem TARGET-II-Programm kompensiert werden können, dann wären wir unter kaufmännischen Gesichtspunkten gesehen, pleite.

In der realen Unternehmenswelt können ja bedingte oder durch Vereinbarungen geblockte Forderungen nicht mit vertraglich vereinbarten realen und jederzeit fälligen Verbindlichkeiten aufgerechnet werden. Zweitens sind diese Ansprüche und die Verbindlichkeiten nicht der gleichen Liquiditätsstufe zuzuordnen. Drittens aber orientieren sich fast alle anderen EU-Länder mit ihren Ansprüchen auf unsere Mitwirkung, Mithaftung und Teilnahme an Rettungsschirmen an den hohen TARGET-II-Forderungen der Bundesbank.

Nun muss man also laufend die aktuelle Entwicklung des italienischen Saldos im TARGET-II-Programm betrachten: Vor Jahren hatte Italien einen hohen Forderungssaldo, der sich im Laufe der Jahre zu einem untragbar hohen Schuldsaldo entwickelte. Aktuell soll er nun bei mehr als 325 Mrd. Euro liegen. Es gibt einem zu denken, wenn man liest, dass diese Saldo sich in einem Monat um fast 30 Mrd. Euro erhöht hat. Es ist zwar rechtlich nicht korrekt, aber man muss sich vorstellen, dass ein nicht undenkbarer Ausfall von Italien mehr als 50% der TARGET-II-Forderungen der Bundesbank auslöschen würde.

Die unmessbaren Ausfallrisiken, die sich bei den italienischen Banken aufgehäuft haben, lasse ich einmal aus allen Betrachtungen heraus, weil es seriöse Schätzungen nicht gibt, aber die Risikokredite von mehr als 360 Mrd. € dürften schon der Wahrheit (je nach der Korrektheit der Risikoklassen-Einschätzung) nahekommen. Vielen deutschen Banken dürften diese Beträge aufgrund der Geschäftsbeziehungen zu italienischen Banken Kopfschmerzen bereiten. Und als Kunde deutscher Banken, die große italienische Engagements führen, würde ich mich über die Höhe dieser Engagements erkundigen. Angesichts der inzwischen bestehenden gesetzlichen Grundlagen sollte man sein Risiko als Bankkunde bis zu Ende durchdenken.

Warum mir die Lage in Italien so große Probleme bereitet? Es gibt eine Reihe von bedrohlichen Voraussetzungen; zum einen ist es dieser hohe Schuld-Saldo bei der EZB und die Frage danach, wie der je korrigiert werden könnte. Dann muss man wissen, dass der Regierungschef Renzi für den Spätherbst eine Volksabstimmung (erinnert mich an den Brexit) einberufen hat, in der er über sein neues Konzept für Italien abstimmen lässt und er hat keine Zweifel daran gelassen, dass er zurücktreten wird, wenn sein Volk ihm nicht folgt. Nun sind Rücktritte in Italien bislang nur ein kleiner Teil der Probleme gewesen, aber im derzeitigen Zustand Italiens sehe ich große Auswirkungen, nämlich die Unregierbarkeit von Italien angesichts der dortigen Parteienlandschaft.

Nicht zu übersehen ist die Zuwanderung aus dem Süden; Italien wird - nachdem die Balkan-Route für die ungebremste Zuwanderung für Schlepper und Wirtschaftsflüchtlinge immer schwieriger wird - nunmehr primäres Ziel der in Ägypten und Libyen wartenden Flüchtlinge; man schätzt deren Zahl in Ägypten auf mehr als 600.000 und aus Libyen kam die Nachricht, es seien 235.000 meist Afrikaner, die auf den Transfer nach Italien warten. Obwohl zumindest bei den libyschen Flüchtlingen kaum der Anspruch, Syrer und aus dem Kriegsgebiet zu sein, unterstellt werden kann, wird sich diese Lawine nun in Richtung Italien auf den Weg machen.

Italien wird angesichts seiner eigenen Probleme diesem Ansturm nicht gewachsen sein und so werden wir in Mitteleuropa nun die zweite Welle nach der über Griechenland und über den Balkan erleben. Italien wird in keiner Weise dem Ansturm gewachsen sein und dann so wie einst Ungarn und Kroatien zur eigenen Entlastung seine Tore Richtung Norden öffnen.


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