Frank Holmes: Staatliche Regulierungswut, Bargeldverbot und der Gold-"Love-Trade"
04.11.2016 | Mike Gleason
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Mike Gleason: Wir sind also offenbar beide der Ansicht, dass die Zentralbanken in diese Märkte eingreifen - in alle Märkte. Aus welchem Grund können die Notenbanken die Märkte nicht einfach bis zum jüngsten Tag unterstützen? Können sie nicht einfach weiter Blue-Chip-Aktien oder alle Aktien kaufen und den Kursen so Rückenwind geben? Was denken Sie darüber?Frank Holmes: Ich schätze, sie können noch etwa vier Jahre lang so weitermachen. Die große Frage ist jedoch, wie es im Hinblick auf die Regelungen und Vorschriften weitergeht. Echtes Wachstum lässt sich nur erzeugen, wenn die Bestimmungen rationalisiert werden und die Kapitalbildung erleichtert wird. Das ist auch in der EU ein wichtiges Thema, welches eng mit der Entscheidung Großbritanniens zusammenhängt, den Staatenbund zu verlassen.
Wir haben über die Gründe für den Brexit geschrieben und erklärt, dass die Briten all die Verordnungen, die ihnen von nicht gewählten Bürokraten aufgedrückt werden, einfach satt haben. Es wie im Jahr 1776: Besteuerung ohne Mitspracherecht führt zur Revolution. Und wenn die Briten bei den Steuern und Verordnungen keine Mitsprache haben, dann führt das dazu, dass sie aus dem Spiel aussteigen wollen.
Es ist wichtig zu verstehen, wie die Regulierungen in der EU das Wachstum abwürgen, aber dieser Trend wirkt sich auch auf die USA aus. All die großen Technologieunternehmen werden attackiert. Netflix darf in Frankreich keine Filme zeigen, wenn nicht 60% oder 80% der Schauspieler französisch sind oder in Frankreich gedreht wurde. Apple wurden ebenfalls angegriffen, genauso YouTube und Google. Warum gründet man in Europa nicht ein eigenes Silicon Valley, um Wohlstand und Chancen zu schaffen?
Aber nein, man versteift sich lieber auf Protektionismus und macht mit der Besteuerung alle Gewinne zunichte. Ich glaube, dieser Denkprozess hat sich noch nicht geändert. Aber wenn hier eines Tages ein Umdenken einsetzt, werden die Zinsen steigen und auch das weltweite Wirtschaftswachstum wird wieder zunehmen.
Mike Gleason: Um zu einem anderen Thema zu kommen, wollte ich Sie nach einem weiteren Ihrer Artikel fragen, den Sie über den Handel mit Goldschmuck in Indien geschrieben haben. Die Verkaufszahlen haben kürzlich ein 4-Jahreshoch erreicht. Was ist der Grund für die hohe Nachfrage, Frank? Glauben Sie, dass die indische Nachfrage möglicherweise als Unterstützung für den Goldpreis dienen und einen starken Einbruch verhindern kann? Schließlich kaufen die Inder am liebsten dann Gold, wenn der Preis gerade zurückgeht, nicht wahr?
Frank Holmes: Nun, Ihre Zuhörer und Leser sollten auf jeden Fall wissen, dass es zwei wichtige Faktoren gibt, die die Goldnachfrage bestimmen. Einer davon ist der sogenannte "Fear Trade" über den wir gerade gesprochen haben, d. h. die Sorge um Negativzinsen etc. Wenn die realen Zinsen in einem Land in den Minusbereich sinken, wird der Goldpreis in der jeweiligen Währung steigen. Auch das Geldangebot beeinflusst diese auf wirtschaftlichen Ängsten beruhende Goldnachfrage.
Das andere ist der "Love Trade", eine kulturell bedingte Affinität für Gold, welches man für seine Familie und seine Lieben erwirbt. Sollte es im Heimatland dann einmal zu einer Krise kommen oder sollte die Familie in eine finanzielle Notlage geraten, dann hat man ja immer noch den 24-Karat-Goldschmuck, mit dem sich das ein oder andere Problem lösen lässt.
In Asien hat Goldschmuck einen hohen Stellenwert. Allein in "Chindia", also in China und Indien, leben 40% der Weltbevölkerung, und wenn man noch Indonesien, Thailand, Vietnam und die anderen Staaten der Region mit dazu zählt, dann stellt man schnell fest, dass 50% der Weltbevölkerung traditionell Goldschmuck verschenken.
Wenn der "Love Trade" und der "Fear Trade" stark ansteigen, kann der Goldpreis auf 1.900 $ klettern, wir im Jahr 2011. Damals waren die Rendite der Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren um 300 Basispunkte gesunken, während sich gleichzeitig das Pro-Kopf-Einkommen in China und Indien deutlich erhöhte. Folglich kam es zum sprunghaften Anstieg der Goldnachfrage.
Das ist ein weiterer Punkt, den wir kommentiert haben - die starke Korrelation zwischen dem steigenden Pro-Kopf-Einkommen und der zunehmenden Nachfrage nach Gold in "Chindia" und der weiteren Region. Bloomberg hat sogar eine Funktion erstellt, die diesen Zusammenhang zeigt. Letztes Jahr geschah zudem noch etwas Wichtiges: China hat die USA in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt überholt.
Beim BIP pro Kopf liegt das Land zwar noch immer weit hinter uns, aber das ist dennoch ein bedeutendes Signal. Es gibt mittlerweile viele Millionen Chinesen, die zur Mittelschicht zählen und die Tourismusbranche weltweit verändern. Diese profitiert nämlich außerordentlich von den chinesischen Touristen. Achten Sie mal darauf. Sie können sie heute überall sehen, was noch vor zehn Jahren undenkbar war.
Natürlich ist das nicht nur gut für die Tourismusbranche und die Reiseveranstalter, sondern die Chinesen kaufen auch mehr Gold. Wenn ihr Einkommen steigt, verschenken sie bei passenden Gelegenheiten eben nicht mehr ein Gramm Gold, sondern drei Gramm Gold. Diese Idee des "Love Trade" ist meiner Meinung nach auch sehr wichtig, um zu verstehen, wie die indischen Haushalte funktionieren.
Die Leute sind meist schockiert, wenn sie erfahren, dass die Inder mit etwa 23.000 Tonnen über die größten privaten Goldvorräte der Welt verfügen. Investoren gegenüber betonen wir immer wieder, dass indische Ehefrauen mehr Gold besitzen, als sich in Fort Knox befindet. Im Laufe der Jahrhunderte haben sie durch die korrupten Regierungen, den Wertverlust ihrer Währung und den Anstieg der Lebenshaltungskosten insbesondere in den letzten fünf Jahrzehnten gelernt, dass Gold eine großartige Möglichkeit ist, die eigene Familie zu schützen.
Mike Gleason: Ja, die aufstrebende Mittelkasse dieser Region. Natürlich kann man da erwarten, dass infolge des steigenden Wohlstands mehr und mehr Gold gekauft wird. Das sind auf jeden Fall sehr interessante Informationen und die asiatische Nachfrage könnte den Goldkurs tatsächlich stützen und weitere Verluste ab einem gewissen Punkt verhindern.
Ich möchte mit Ihnen noch die Idee diskutieren, Gold wieder zu monetarisieren, denn darüber sprechen viele, wenn sie einen künftigen Goldpreis von 10.000 $ oder sogar doppelt so viel vorhersagen. Wie sehen Sie das?