St. Angelo: Schuldenkrise, Energiekrise und Peak-Silber 2015 - eine Wende steht bevor
06.01.2017 | Mike Gleason
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Am Silbermarkt ist jedenfalls auf die eine oder andere Weise mit umfassenden Käufen zu rechnen, und zwar nicht nur, weil die Industrieunternehmen sich einen Vorrat sichern wollen. Ich denke, dass es aufgrund von Problemen bei der Energieerzeugung weltweit zu Produktionsrückgängen kommen wird. Die Investoren und Institutionen werden aufwachen. Wir werden den Moment erleben, in dem vielen ein Licht aufgeht, sowohl im Fertigungssektor als auch in Bezug auf Silber als langfristige Wertanlage. Ich nenne das die Edelmetall-Religion und ja, ich rechne künftig mit einer solchen Entwicklung.Mike Gleason: Sie haben eine einzigartige Sichtweise auf die Minenproduktion, das Konzept von Peak-Silber und die Verflechtung des Edelmetallsektors mit dem Energiesektor. Erklären Sie uns doch bitte Ihre Perspektive und wie Sie zu Ihren Schlussfolgerungen gelangt sind.
Steve St. Angelo: Darüber könnten wir jetzt zwei Stunden lang sprechen, aber ich will versuchen, es kurz zu machen und gut verständlich zusammenzufassen. Peak-Öl bedeutet, dass die Fördermenge einer Glockenkurve entspricht. Alle Ölquellen der Welt erreichen eines Tages ihr Fördermaximum. Ist dieses überschritten, beginnt die Produktionsleistung zu sinken. In den letzten Jahren haben wir immer schwerer erreichbare und dadurch teurere Quellen angezapft. Vor nicht allzu langer Zeit kam auch das Schieferöl hinzu, das wir jetzt mit tausenden von Bohrtürmen fördern. Die Theorie vom Peak-Öl lässt allerdings den Erntefaktor unberücksichtigt, der immer weiter sinkt. In den 1930er Jahren wurde in den USA nur ein Barrel Öl benötigt, um hundert Barrel zu fördern. Heute liegt das Verhältnis bei der Schieferölgewinnung bei 1:5, d. h. der Erntefaktor hat sich sehr stark verringert.
Ein weiterer Punkt, der dabei mit einkalkuliert werden sollte, ist die Thermodynamik. Die thermodynamischen Berechnungen von Louis Arnoux und der Hills Group zeigen, dass ein Barrel Öl nur eine bestimmte Energiemenge enthält, und dass wir ein Drittel davon nicht einmal nutzen. Diese Energie entweicht als Abwärme. Wir können also nur rund zwei Drittel der gespeicherten Energie wirklich verwenden. Vor sagen wir 100 Jahren gelangte der Großteil dieses Öls so auf den Markt. Heute wird jedoch mehr und mehr Energie benötigt, um dieses eine Barrel zu produzieren. 2012 gab es einen Wendepunkt und die Hills Group entwickelte das ETP-Modell zum Thema Ölförderung. Die Wissenschaftler erwarten, dass der Ölpreis bis zum Jahr 2020 bis auf 12 Dollar fallen könnte.
Wie Sie sehen, widerspricht das dem traditionellen Konzept von Angebot und Nachfrage, denn wenn der Preis sinkt, müsste die Nachfrage eigentlich steigen. Das Problem ist aber letztlich die sinkende Netto-Energie und die ist wirklich stark eingebrochen. Die Forscher sagen, dass in nur zehn Jahren 75% der Tankstellen in den USA geschlossen sein werden und die globale Ölindustrie in Auflösung begriffen sein wird. So schnell wird es gehen.
Der sinkende Ölpreis wird den Markt vernichten. Auf die Produktion von Silber, Gold und Kupfer wird das ähnliche Auswirkungen haben. Ich habe mich eingehend mit dieser Studie befasst. Wenn die Qualität es nicht rechtfertigt, wird niemand mehr als 12 Dollar für ein Barrel Öl ausgeben. Angebot, Nachfrage, Preisbildung - alles basiert auf den Produktionskosten. Aus diesem Grund denke ich, dass die Ölproduktion künftig einbrechen wird, und im Zuge dessen auch die Produktion von Industriemetallen. Das wird auch Auswirkungen auf den Goldmarkt haben. Aktien, Anleihen und die Immobilienpreise werden darunter zu leiden haben, aber die Gold- und Silberkurse werden profitieren. Einfacher kann ich es nicht zusammenfassen.
Mike Gleason: Sie haben sich auch mit dem explodierenden Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten befasst und haben einige interessante Beobachtungen dazu gemacht, inwiefern es mit Gold und Silber im Zusammenhang steht.
Steve St. Angelo: Ja, Mike. Die Schulden und die Defizite, die sich überall anhäufen, sind der blanke Wahnsinn. Bevor ich weiter darauf eingehe, möchte ich unseren Lesern und Zuhörern noch etwas zur Lage der Ölindustrie sagen. Die drei größten Ölunternehmen der USA bekamen 2011 für jedes Barrel, das sie verkauften, 100 Dollar. Nach dem ersten Halbjahr 2011 hatten sie - nach Abzug aller Kapitalkosten und Dividendenausschüttungen - noch einen Gewinn von 16 Milliarden Dollar. Wie gesagt, ich spreche hier von den drei Branchenriesen Chevron, ConocoPhillips und Exxon. In diesem Jahr verzeichneten diese Unternehmen zum Abschluss der ersten sechs Monate ein Minus von 18 Milliarden Dollar. Und das sind die Top-Unternehmen. Die Schieferölförderer können Sie gleich vergessen, die sind einer wirklich schlechten Lage. Ich möchte, dass Sie verstehen, wie ernst die Situation in der Ölindustrie selbst für die größten Konzerne ist, die eigentlich Profite machen sollten. Stattdessen machen sie immer höhere Schulden.
Die Verschuldung nimmt überall zu. Ich habe mir angesehen, welche Zinsen die USA im letzten Jahr auf ihre Staatsschulden zahlen mussten. Es waren 402 Milliarden Dollar. So hoch sind allein unsere Zinskosten. Für diese Summe könnte man beispielsweise das gesamte Goldangebot aus drei Jahren aufkaufen. Das ist mehr als die offiziellen Goldreserven der USA, die angeblich 8.100 Tonnen betragen. So viel Geld wurde allein im letzten Jahr für den Schuldendienst aufgewendet.
Sehen wir uns auch die Haushaltsdefizite kurz an. Das Defizit der Vereinigten Staaten summierte sich von 2011 bis 2015 auf 4,2 Billionen Dollar. Was könnte man dafür kaufen? Zum Beispiel die gesamte Goldproduktion aus 30 Jahren oder alles Gold, das sich weltweit zu Investitionszwecken im Besitz von Zentralbanken, Institutionen und Privatanlegern befindet - rund 3 Milliarden Unzen. Außerdem könnte man alles seit 1950 geförderte Silber kaufen. So irrsinnig hoch ist unser aufgelaufenes Haushaltsdefizit mittlerweile.
Der jüngste Abverkauf an den Gold- und Silbermärkten ist ebenfalls der reinste Wahnsinn. Die Leute glauben, dass es an den Aktienmärkten weiter aufwärts gehen wird. Angesichts der aktuellen Lage sind jedoch Gold und Silber die weitaus besseren Investments, die Märkte haben das nur noch nicht begriffen. Die zwei Beispiele mit den Zinszahlungen und den Defiziten, die zeigen, wie viel Gold und Silber man dafür kaufen könnte, machen gleichzeitig auch klar, wie unterbewertet die Edelmetalle wirklich sind.
Mike Gleason: Die Märkte scheinen sich nach der Wahl von Donald Trump derzeit in einer Art Flitterwochen zu befinden. Die Investoren schätzen die wirtschaftlichen Aussichten optimistischer ein. Einige von Trumps Plänen geben auch tatsächlich Anlass zu Hoffnung, die Steuererleichterungen zum Beispiel, aber andererseits erbt er mit Blick auf die eben angesprochenen Schulden auch gigantische strukturelle Probleme. Die Märkte sind zudem völlig abhängig von den Finanzspritzen der Federal Reserve. Im Moment sieht es nicht so aus, als würde er sich dieser Probleme annehmen wollen. Stattdessen könnte es sogar sein, dass die Schulden und die Staatsausgaben noch weiter erhöht werden. Was wird die neue US-Regierung unter Trump Ihrer Ansicht nach in den nächsten Jahren für die Edelmetalle bedeuten, während sich die Schuldenkrise weiter zuspitzt?
Steve St. Angelo: Kurzfristig konnten wir bislang nur negative Auswirkungen beobachten, aber ich denke, auf lange Sicht wird es positiv sein. Dazu hat natürlich jeder seine eigene Meinung. Es gab viele Spekulationen darüber, dass Trump vielleicht einen Goldstandard anstreben könnte, aber für ihn wäre das nicht besonders sinnvoll. Sein künftiger Finanzminister erwägt die Ausgabe von Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 100 Jahren. Ich glaube, das entspricht eher dem, was die US-Regierung in Zukunft tun wird, statt den Dollar mit Gold zu decken. Trump hat eine Reihe guter Ideen, aber ich glaube nicht, dass er viele davon umsetzen kann. Das ist nicht seine Schuld. Das System erstickt einfach unter der hohen Verschuldung. Das ist das Problem, es gibt viel zu viele Schulden.