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Und urplötzlich taucht es wieder auf - das Gespenst der Inflation

03.03.2017  |  Dr. Uwe Bergold
- Seite 2 -
Bergold: Die Geschichte lehrt: Inflation ist kein linearer Prozess, wie uns immer vorgegaukelt wird. Inflation entwickelt sich exponentiell. Das heißt, sie fängt zunächst in Teilbereichen und relativ harmlos an, gewinnt daraufhin aber an Dynamik und ist irgendwann nicht mehr kontrollierbar. Sichtbar wird dieser Prozess immer erst dann, wenn die Inflation beginnt überzuschwappen von den Anlagegütern auf die Rohstoffe und über die Erzeuger- auf die Verbraucherpreise. Dann merkt es auch der kleine Mann. Dann beginnen die Probleme.


MONEY: Von steigenden Rohstoffpreisen kann doch keine Rede sein. Sie sind über Monate erheblich gefallen.

Bergold: Die Rohstoffpreise sind sogar schon seit 2011, also über fünf Jahre, in einer Korrektur. Darum wurde ja auch die Inflation bisher im Warenkorb nicht sichtbar. Aber deshalb haben wir auch keine Deflation, wie oft behauptet wird, sondern lediglich eine Desinflation, eine temporäre Abschwächung der Inflation. Das darf man nicht verwechseln. Das Gerede von der Deflation führt in die Irre.


MONEY: Sind das nicht Haarspaltereien?

Bergold: Keineswegs. Es gab zuvor nur einmal in der jüngeren Geschichte gleichfalls eine fünfjährige Periode rückläufiger Rohstoffpreise: 1928 bis 1932 bei Start der Weltwirtschaftskrise. Danach haben wir in den USA den zweitstärksten Anstieg der Rohstoffpreise und auch den zweitstärksten Anstieg der Inflation in der Geschichte erlebt. Das könnte sich jetzt wiederholen: Seit Frühjahr tendieren die Rohstoffpreise wieder klar nach oben.

Rohöl als Kern des Rohstoffpreis-Index hat sich seit Januar bereits verdoppelt. Dies schlägt sich erfahrungsgemäß mit einer Zeitverzögerung von sechs bis zwölf Monaten auch im Warenkorb, also in den Verbraucherpreisen, nieder. Die größte Überraschung in den nächsten zwölf bis 24 Monaten wird für die Investoren die Rückkehr der Inflation sein.


MONEY: Sie würde dann auf ein extrem expansives monetäres Umfeld treffen.

Bergold: Sie müssen es umgekehrt betrachten: Die Notenbanken mit ihrer starken Ausweitung der Geldmenge sind die Ursache für die beginnende Inflation. Nur floss das frisch gedruckte Geld bislang an die Anlagemärkte und hier vor allem in Anleihen, um es den Regierungen zu ermöglichen, trotz enormer Schulden weiter günstig Geld aufzunehmen. Im Prinzip ist dies eine Finanzierung der Staaten durch die Zentralbanken.


MONEY: Die ist doch wegen ihrer Gefahr für die Geldwertstabilität eigentlich verboten?

Bergold: Richtig. In Deutschland gab es dies zuletzt zu Zeiten der Weimarer Republik. Das trieb den Inflationsprozess damals gewaltig an. Und auch jetzt beobachten wir, dass die Liquidität bereits beginnt, von den Finanzmärkten auf die Anlageklasse Rohstoffe überzuschwappen. Damit dürfte, wie gesagt, die Inflation in naher Zukunft auch im Warenkorb sichtbar werden.


MONEY: Was werden die Notenbanken dann tun?

Bergold: Die Notenbanken wollen ja unbedingt inflationieren. Das ist bei dem riesigen Kreditgebäude in der Welt, vor allem der Staaten, die einzigen Chance. Bei einer Deflation würde dieses Gebilde sofort kollabieren.


MONEY: Heißt das, die Sparer und Verbraucher verlieren durch Inflation zwar Geld, aber im Prinzip wird unser Finanzsystem damit wieder stabiler?

Bergold: Schön wäre es. Die Zentralbanken gaukeln der Öffentlichkeit nur vor, sie hätten die Inflation mit ihrer 2-Prozent-Grenze unter Kontrolle. Die Geschichtsbücher sind voll von Beispielen, dass dies nicht funktioniert. Einmal mit Inflation begonnen, wird sie immer stärker. Nur ein bisschen schwanger geht nicht. Schon jetzt ist das Inflationsziel der EZB - abgesehen von dem üblichen exponentiellen Verlauf einer Inflationierung - eine Illusion. Betrachtet man die Gesamtinflation, ist die 2-Prozent-Grenze bereits überschritten.


MONEY: Woraus schließen Sie das?

Bergold: In der Geldtheorie gibt es die Faustformel, dass Geldmenge minus Wirtschaftswachstum die wahre Zahl für die Inflationierung einer Volkswirtschaft angibt. In Euro-Land wuchs die Geldmenge M3 zuletzt mit fünf Prozent. Das Wirtschaftswachstum wird um 1,5 Prozent erwartet. Allein daraus leitet sich eine tatsächliche Inflation von gut drei Prozent ab. Schon allein diese Rechnung belegt, dass die offizielle Inflationsrate gar nicht stimmen kann.


MONEY: Es fließt aber auch die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes mit ein, also wie oft ein Euro im Lauf der Zeit umgeschlagen wird. Die ist zurzeit gering und drückt damit die Inflation.

Bergold: Das stimmt. Aber auch das ändert sich. Die Leute beginnen, ihr Geld schneller auszugeben, weil sie befürchten, dass es an Wert verliert - trotz angeblicher Nullinflation. Stichwort: Flucht in Immobilien und andere Sachwerte. Fachleute sprechen von einem Crackup-Boom. Das erinnert gleichfalls an Weimar: Damals wurde vielen Menschen klar, dass eine massive Geldverschlechterung droht. Sie fingen daher an, ihr Geld auszugeben. Und heute sehen wir seit etwa zwölf Monaten ebenfalls wieder eindeutige Zeichen eines Crack-up-Booms. Trotzdem kommt die Wirtschaft nicht in Gang.


MONEY: Malen Sie da nicht zu schwarz? Die Wirtschaft boomt zwar nicht, aber sie läuft doch einigermaßen.

Bergold: Das täuscht. Das Wachstum rührt vor allem vom Dienstleistungssektor her. In der Realwirtschaft geht wenig. Sie profitiert nur noch von den historisch einmalig niedrigen Zinsen. Die Leute kaufen deshalb Immobilien, die sie sich nur dank der fast kostenlosen Kredite leisten können, oder Autos, die sie unter normalen Umständen ebenfalls nie kaufen würden. Auch die Unternehmen investieren teils in Dinge, die sich nur wegen der extrem billigen Zinsen rechnen. Im Deutschland stimuliert zusätzlich der weiche Euro. Er ist ein Turbolader für den Export, der aber bezahlt wird mit der Entwertung der Ersparnisse der Bürger.


MONEY: Unter dem Strich hilft dann aber die Niedrigzinspolitik der EZB der Wirtschaft doch.

Bergold: Vorsicht. Der Zins ist der wichtigste Preis einer Volkswirtschaft. Wenn ich den künstlich drücke, verzerren sich auch andere Preise. Es kommt zu enormen Fehlentwicklungen und Fehlallokationen. Irgendwann folgt dann die Bereinigung. Je länger und je tiefer der Zins runtergezogen wird und je größer die Verzerrungen, desto schmerzhafter fällt diese Bereinigung aus.


MONEY: Wenn die Wirtschaft, auch weltweit, so mäßig läuft, wo sollen dann steigende Rohstoffpreise und Inflation herkommen? Es wird doch weniger nachgefragt.


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