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Der reale Zustand unseres Sozialsystems und seiner Finanzierbarkeit

18.04.2017  |  Dr. Dietmar Siebholz
Wer bei diesem Thema ein wenig in die Historie geht, wird erkennen, dass Kanzler Bismarck (bitte ersparen Sie mir jeden Gedanken an einen Vergleich mit seiner Nachfolgerin) bei der Einführung der Hauptträgerin der Sozialleistungen nämlich der Sozialversicherung als Versuch eines Bollwerks gegen den aufkommenden Sozialismus nolens volens ins Leben gerufen hat. Wenn Sie sich einmal die Konditionen für den Bezug dieser Leistungen ansehen und diese mit dem heutigen Umfang vergleichen, werden Sie sehen, dass dieses Umlagesystem nur dann funktionieren kann, wenn alle das System beeinflussenden Faktoren auf "grün" und nicht auf "gelb" oder sogar auf "rot" stehen.

Ich habe z.B. einmal gehört, dass nur eine einstellige Prozentzahl der Berechtigten ab 1888 nach damaligen Konditionen in den Genuss der Rentenzahlungen gekommen wäre und diese dann auch nur im Schnitt von etwas mehr als 5 Jahren die Bezüge wegen ihres Ablebens erhielten.

Daraus entsteht zwangsläufig die Frage "welche Faktoren sind bedeutend für die Überlebenschancen des heutigen Systems?" Es sind folgende.
  • 1. Die Demografie muss stimmen, also die ideale Bevölkerungspyramide, die man für die Absicherung des "Generationenvertrages" benötigt. Die deutsche sieht eher aus wie ein Apfelbaum, schwacher Stamm (die fehlende Jugend) und dann der normale Mittelbaum mit breiter Spitze (zu der ich auch gehöre)

  • 2. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Berechtigten ab Bezugsbeginn der Rentenzahlung. Die hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts schlicht verfünffacht und zwar von ca. 3 Jahren (ab 70) bis auf ca. 15 Jahre.

  • 3. Die Dauer der Lebensarbeitszeit. Ich schätze einmal, dass der normale Arbeiter und Angestellte damals ca. 50 Jahre (vom 20. bis zum 70. Lebensjahr) einzahlen musste, bevor er seine Rente bekam; heute werden es so an die 40 Jahre Lebensarbeitszeit sein.

Nehmen wir nur diese drei Faktoren, wissen wir mit tödlicher Sicherheit, dass alle Rechnungen, alle gesetzlichen Änderungsversuche zum Scheitern verurteilt sind. Seit 1888 haben und sich allein die demografischen Eckwerte so extrem verändert, dass allein dieser wichtige Teil des Sozialsystems keine Chancen hat, auch nicht durch den Gewinn von neuen Zuwanderern, unserem „neuen Gold“, wenn ich Herrn Schulz richtig verstanden habe. Doch darüber später.

Also die Demografie hätten wir als die Giftpille für unser System schon einmal ausgemacht. Nun kommen wir zu einer ebenso gefährlichen Voraussetzung, die in unserem Demokratie-Konzept liegt. Die Politiker sehen in ihrem Engagement für Deutschland keine Ehrenaufgabe, sondern einen elitehaften Anspruch auf Lebensabsicherung, also neben dem Machterhalt auch noch die Dauerversorgung. Und das bedeutet, sie müssen sich darum kümmern, für eine ausreichende Zeit an den Futtertrögen des Landes weilen zu dürfen. Und wie kann man sich diese Chance sichern?

Nur dadurch, dass man sich entweder als interner Parteisoldat in den herrschenden Parteien nach oben arbeitet oder (weitaus mühsamer) sich an seinen Wählern verdient macht, damit diese "ihren Volksvertreter" immer wieder gerne wählen, zumindest für die Mindestperiode, die erforderlich für die garantierte Altersversorgung ist bzw. für die Zeit, die man benötigt, um sich alternative wirtschaftliche Netzwerke in Institutionen oder in der Wirtschaft zu verschaffen.

Und genau diese politische Ausrichtung führt nun dazu, dass die Politiker immer mehr zusätzliche Sozialleistungsgestaltungen erfinden, die das Wählervolk gerne in Empfang nimmt, nicht ahnend, dass es die Wähler sind, die die Zeche am Ende zu bezahlen haben.

Ich habe zwei eigene Erfahrungen gemacht, die als Beweis für die Richtigkeit dieser meiner festen Überzeugung - und nicht nur als These - gelten sollten.

1) Meine Mutter verunglückte in meinem Haus, fiel ins Koma und nach sechs Wochen wurde dann die Gesamtmaschinerie im Krankenhaus abgestellt. Mein Vater fiel in ein tiefes Loch, seine Parkinson-Krankheit verstärkte sich und dann mussten wir eine Pflegerin beschaffen und bezahlen. Der Bürgermeister des kleines Städtchens, in dem wir wohnten, kam und teilte uns mit, dass man hier Sonderleistungen in Anspruch nehmen könnte, weil mein Vater ja seine Beiträge geleistet und somit seine festen Ansprüche hätte. Als dann der medizinische Dienst kam, verneinte mein Vater (ein deutscher Offizier ist ja nicht pflegebedürftig!) jedwede Behinderung und akzeptierte dann lediglich einen kleinen Beitrag des Sozialsystems.

2) Zu unserer Familie wollte eine junge Dame stoßen, die seit ihrem 14. Lebensjahr, als sie aus Abenteuerlust ihre Eltern verlassen hatte, weder die Schule noch eine angefangene Lehre beendet, zwei Kinder ihrem Ehemann überlassen hatte oder musste und sich dann seit ihrem 23. Lebensjahr mit „geringfügigen“ Einkünften und den Sozialangeboten unseres Staates ein interessantes Leben verschaffte. Mit ihren damals 28 Jahren hat sie sich dann um eine etwas längere „Absicherungsdauer durch Familienbindung = Heirat“ bemüht, denn sie wusste sehr klar, dass dieses System nicht mehr allzu lange überleben dürfte. Sie hatte ja unendlich viel Zeit, sich in dieser Richtung zu informieren und alle einschlägigen Gesetze zu studieren..

Verstehen Sie mich bitte richtig, das soll keine Revanche an dieser Dame oder eine tiefe Verehrung für meinen Vaters sein: Das ist ein klares Bild für die Polarisierung unserer Gesellschaft. Wenn ich heute lese, dass weitaus mehr als 50% unserer Bevölkerung mit großen Anteilen oder vollständig von Basissozialleistungen unseres Staates leben, dann sind folgende Fakten für mich klar:

a) Nach den Newton´schen Axiomen aus der Physik kann nur eine weitaus größere Kraft die oben geschilderte Bewegung in der Gesellschaft stoppen. Über die Art dieser stärkeren Bewegung sollten wir keine Diskussionen führen, alle Lösungen sind extrem unerfreulich, um es besänftigend auszudrücken.

b) Die Lösung über die Demografie fällt aus, denn das langsame Umdenken von zwei dafür erforderlichen Generationen wird unser Sozialsystem nicht mehr schaffen.

Auf die Politik hoffen, heißt, den Kopf in den Sand zu stecken. Bitte vergessen Sie nicht, die Empfänger von Sozialleistungen sind in der Mehrheit und die werden der Abschaffung von solchen Leistungen nicht zustimmen. Der neue Hoffnungsträger für Deutschland, der meiner Meinung nach gescheiterte frühere Präsident der EUdSSR, und sein kometenhafter Erfolg bei den Stimmenschätzungen für die Wahl im Herbst dieses Jahres ist für mich eine klare Bestätigung dieser Auffassung.

Um es klar auszudrücken, ich bin nicht gegen berechtigte Leistungen des Staates an seine Bevölkerung, aber das entscheidende Wort ist hier „berechtigte“. Die Ausnahmefälle sollten ebenso klar definiert sein, wo das "Berechtigtsein" anderen Konditionen unterliegt, aber wenn mehr als 50% der Bevölkerung außer den üblichen Basisleistungen solche aus diversen unzähligen Leistungskatalogen in Anspruch nehmen können und damit die kumulierten Budgetanteile die Schwelle von 50 % des BRD-Gesamtbudgets überschreiten, dann bleiben für alle anderen Aufgaben einer Gesellschaft nicht mehr ausreichende Mittel, um die Zukunft und die Sicherheit dieser Gesellschaft zu garantieren.


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