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Neue Angriffe auf den Goldpreis

10.05.2017  |  Adam Hamilton
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Die Leerverkäufe bedeuten im Grunde genommen, dass ein Spekulant Goldfutures leiht, um diese in der Hoffnung zu verkaufen, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurückkaufen und seine Schulden begleichen zu können. Jeder einzelne leerverkaufte Goldkontrakt und die dadurch entstandene Short-Position muss also durch den Kauf einen ausgleichenden Long-Kontrakts glattgestellt werden. Der Leerverkauf von 20.000 Goldfutures garantiert den Kauf von ebenso vielen Kontrakten in naher Zukunft. Die Shortselling-Attacken begrenzen sich folglich von Natur aus selbst.

Da das Eindecken der Short-Positionen nach einem solchen Angriff allmählich erfolgt, ist es im Handelsvolumen im Gegensatz zur Blitzattacke selbst nicht zu erkennen. Es ist unmöglich herauszufinden, wann die entsprechenden Marktteilnehmer ihre Positionen glattstellen und die Kontrakte zurückkaufen. Doch in den Wochen nach den extremen Leerverkäufen im Juli 2015 gab der Goldpreis weiterhin leicht nach. Am Montag nach der Attacke schloss er bei 1.098 $ und der niedrigste Schlusskurs wurde Anfang August bei 1.084 $ verbucht. Dann begann die Rally.

Die Leerverkaufs-Attacken sind darauf ausgelegt, die Marktpsychologie zu manipulieren und wasserfallartige Abverkäufe auszulösen. Das funktioniert jedoch hauptsächlich bei anderen Spekulanten, die stark gehebelte Produkte handeln. Goldinvestoren haben keine Leverage, deshalb ist ein Kursrückgang um ein paar Prozent für sie ein verhältnismäßig geringer Verlust. Die Angriffe am Terminmarkt führen daher normalerweise nicht dazu, dass sie ebenfalls verkaufen. Nur die Futures-Spekulanten werden aus ihren Positionen gedrängt, und das geht ganz schnell.

Im Anschluss an die Shortselling-Attacke im Juli 2015 bildete Gold nur 4,4% unter seinem vorherigen Kursniveau einen Boden. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Verkäufe erschöpft und alle Trader, die sich durch ein solches Ereignis dazu bewegen ließen ihre Kontrakte abzustoßen, hatten bereits verkauft. Übrig blieben folglich nur die Käufer. In den nächsten rund zehn Wochen legte das gelbe Metall 9,6% zu und stieg auf 1.188 $! Extreme Leerverkäufe wie in diesem Beispiel haben die Eigenschaft, alle kurzfristigen Verkäufe zu bündeln und aus dem Weg zu räumen.

Der Blitzangriff in der Sonntagnacht ist das erfolgreichste Beispiel einer Leerverkaufs-Attacke am Goldterminmarkt in den letzten Jahren. In Bezug auf die technischen Indikatoren und das Sentiment richtete er zwar echten Schaden an, doch diese Auswirkungen waren nur von kurzer Dauer. Die 24.000 Kontrakte, die innerhalb einer einzigen Minute verkauft worden waren, mussten auch wieder zurückgekauft werden und die auf den Kurssturz folgende bearishe Stimmung führte schon bald dazu, dass alle verkaufswilligen Marktteilnehmer verkauft hatten und der Sell-off ein Ende fand. Im Anschluss an diese manipulative Episode startete Gold daher eine starke Rally.

Kommen wir mit diesem Hintergrundwissen nun zurück zum April 2017. Mitte des Monats entwickelte sich der Goldkurs wirklich gut. In den vier Wochen seit der dritten Zinsanhebung in den USA hatte er 7,4% zugelegt, obwohl viele Beobachter fälschlicherweise davon ausgegangen waren, dass sich höhere Zinsen negativ auf den Goldpreis auswirken würden. Am 18. April begann ein kapitalstarker Spekulant oder eine Gruppe von Marktteilnehmern jedoch, das Abwärtspotential des Goldkurses mit einer ersten Leerverkaufs-Attacke am Terminmarkt zu testen.

Es geschah kurz vor 10 Uhr New Yorker Zeit an diesem Tag, d. h. kurz vor dem unzeitgemäßen Goldpreis-Fixing, das zu dieser Stunde täglich zum zweiten Mal in London stattfindet. Die Festlegung dieses Referenzpreises nennt sich jetzt LBMA-Goldpreisauktion, doch in unserer modernen Welt der kontinuierlichen Preisfindung sollte dafür eigentlich schon längst kein Platz mehr sein. Der exakte, bekannte Zeitpunkt des Londoner Goldfixings macht es anfällig für Manipulationen, was auch in zahlreichen wissenschaftlichen Studien und sogar in Gerichtsprozessen nachgewiesen wurde.

Große Trader, deren Handelsverträge und Geschäfte vom Londoner Benchmarkpreis für Gold abhängig sind, können versuchen, den Kurs vor der Auktion in die gewünschte Richtung zu lenken. Genau das tun sie auch, wobei sie ihn mit überwältigender Mehrheit nach unten drücken. Am 18. April, kurz vor der LBMA-Goldpreisauktion, warf beispielsweise jemand mehr als 22.000 Goldkontrakte in wenigen Minuten auf den Markt. Dennoch gab der Goldpreis unter diesem Verkaufsdruck kaum nach und sank nur von 1.286 $ auf 1.279 $. Anschließend stieg der Kurs wieder und erreichte bei 1.289 $ mit 0,4% im Plus!

Die erste Leerverkaufs-Attacke im April dieses Jahres stach definitiv heraus. Sie ging mit dem typischen Handelsvolumen eines solchen Ereignisses einher, scheiterte jedoch kläglich. Es war ein äußerst bullisches Zeichen, dass der Goldterminmarkt derart umfangreiche Verkäufe in so kurzer Zeit absorbieren konnte ohne einzubrechen. Es schien sich zunächst nur um einen einzelnen, isolierten Angriff zu handeln, doch dann folgte am Tag darauf schon der nächste, noch extremere. Auch dieser wurde unmittelbar vor der heutigen Version des Londoner Goldpreis-Fixings durchgeführt.

Am Mittwoch, dem 19. April, kurz vor 10 Uhr New Yorker Zeit, führte jemand eine Verkaufsorder über 25.000 Goldfutures in nur einer einzigen Minute aus! Die Intensität eines solchen Angriffs auf den Preis richtet sich nach der Gesamtzahl der verkauften Kontrakte und der Zeitspanne, innerhalb derer die Sell-Order ausgeführt wird. Diese Attacke war also sogar etwas stärker und erfolgte in etwas kürzerer Zeit als die vom Juli 2015. Doch ihr Einfluss war vergleichsweise schwach.

Innerhalb weniger Minuten fiel der Goldkurs von 1.286 $ auf 1.275 $, stieg anschließend aber wieder auf 1.280 $ und schloss 0,7% im Minus. Wäre dieser Angriff Sonntagnacht erfolgt, hätte er einen deutlich stärkeren negativen Einfluss auf den Kurs gehabt. Derartige Leerverkaufs-Attacken sind, wie gesagt, äußerst selten. Zwei davon innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Handelstagen waren schon sehr verdächtig. Ein zahlungskräftiger Marktteilnehmer versuchte ganz offensichtlich den Goldpreis unverhohlen nach unten zu manipulieren.

Am dritten Freitag im April liefen dann zahlreiche Optionen aus. In den Wochen zuvor hatte Gold, wie oben erwähnt, starke Kursgewinne verzeichnet, obwohl die Anleger und Trader im Allgemeinen davon ausgegangen waren, dass die Zinserhöhung durch die US-Notenbank Fed Mitte März negative Folgen für den Goldpreis haben würde. Ich habe mich also gefragt, ob nicht vielleicht ein großer Trader, beispielsweise ein Hedgefonds, mit ernsten Verlusten bei seinen Goldfutures oder -optionen zu rechnen hatte. Vielleicht hatte dieser Marktteilnehmer auch Angst, dass das Überschreiten der 1.300-$-Marke noch viel umfassendere, universelle Käufe auslösen würde.

Was auch immer der Grund für die Angriffe auf den Goldpreis war - das gelbe Metall erwies sich als erstaunlich widerstandsfähig. An jenem Donnerstag und Freitag im April kam es im Vorfeld des Preisfixings nicht zu weiteren anormalen Verkäufen. Das Schlimmste schien also überstanden zu sein. In Frankreich wurde an jenem Sonntag, dem 23. April, die erste Runde der Präsidentschaftswahl abgehalten und die Ergebnisse deckten sich exakt mit den Erwartungen der Meinungsforscher und Trader. Die Gewinner waren für die Märkte keine Überraschung.


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