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Inflation - Wo bist Du?

10.07.2017  |  Klaus Singer
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Lance Roberts zeigt den folgenden Chart. Er bildet aus der Entwicklung von BIP, CPI und Löhnen eine zusammengesetzte Zeitreihe, die er den zehnjährigen Treasury-Renditen gegenüberstellt. Der makroökonomisch nachvollziehbare Gleichlauf ist im großen Bild markant (siehe Chart!). Im Rückblick ergaben sich daraus übergeordnet immer dann gute Kaufgelegenheiten für Bonds, wenn die Differenz zwischen den beiden Zeitreihen ein lokales Maximum erreicht hat. Das war etwa 1983, 1986, 1991, 1995, 2001, 2007, auch 2014 der Fall. Ob aktuell schon eine weitere gute Kaufgelegenheit für Bonds erreicht ist, wage ich zu bezweifeln.

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Das Zinsniveau ist direkt positiv gekoppelt an die Stärke wirtschaftlichen Wachstums und an Inflation. Das Wirtschaftswachstum treibt aber auch das Wachstum der Unternehmens-Gewinne, die Inflation wiederum steuert die Änderung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV - P/E) bei Aktien.

Das Ergebnis aus Aktienanlagen setzt sich zusammen aus Kursgewinnen, die auf Gewinn-Wachstum je Aktie und KGV-Veränderung zurückgehen, sowie aus der Dividendenrendite, die vom Niveau des KGV bestimmt wird. Das 2017 SBBI Yearbook von Roger Ibbotson et al. legt dar, dass im Mittel seit 1926 bis 2016 der nominale Ertrag aus Aktien auf knapp 10% pro Jahr kommt. Dazu trägt das Gewinnwachstum mit 5%, die Dividendenrendite mit 4,2% und die KGV-Expansion mit fast 0,8% bei.

Im langfristigen Bild können die Unternehmensgewinne nicht schneller wachsen als das nominale BIP. Das wächst seit der Finanzkrise mit durchschnittlich 3,5%. Der Trick zur (zeitweisen) Beschleunigung des Gewinns je Aktie über diesen Wert hinaus besteht darin, die Zahl der Aktien (durch Rückkäufe) zu reduzieren.

KGV-Änderungen sind die zweite Komponente bei der Entwicklung des Ergebnisses aus Aktienanlagen. KGV wird hier verstanden als ein über zehn Jahre gemittelter, normalisierter Wert (ähnlich dem CAPE von Shiller). Seine Änderungen hängen mit der Inflation in Form einer Y-Kurve zusammen. Der obere Zweig zeigt mit steigender Inflation ein sinkendes KGV. Der untere Zweig zeigt, dass das KGV ebenfalls sinkt, wenn sich Inflation in Richtung Deflation entwickelt.

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www.crestmontresearch.com/docs/Stock-Reconciliation-Principle.pdf


Allerdings ist der Zusammenhang zwischen einem gegebenen KGV-Wert unter etwa 20 und Preisentwicklung ziemlich unbestimmt, innerhalb des „Y“ können zahlreiche Kombinationen auftreten. Der Zweig jenseits von KGV 20 repräsentiert die Entwicklung der zurückliegenden zwei Dekaden mit relativ niedriger, stabiler Inflationsrate. Mit einem aktuellen Wert von rund 30 liegt das KGV etwa 20% über dem mit niedriger Inflation assozierten fairen Wert.

Die Dividendenrendite als dritte Komponente des Aktienertrags steht im umgekehrten Verhältnis zum KGV. Das muss so sein, weil Dividenden aus Gewinnen gezahlt werden und bei beiden Messwerten der Kurs im Nenner steht.

Langfristig treibt die Inflation das KGV, indem sie sich entweder zu einer stabilen, niedrigen Rate hin oder davon weg bewegt. Kurz- und mittelfristig jedoch bewirken viele Faktoren wie etwa Psychologie, Momentum, Ereignisse usw., dass sich die Märkte divergent zum langfristigen Zusammenhang bewegen können. Insbesondere werden in einem Kontext niedriger Inflation Preissteigerungs-Tendenzen als Signal für eine sich belebende Wirtschaft angesehen und damit die Erwartung überproportional steigender Gewinne verbunden. Damit wiederum wird ein hohes KGV als gerechtfertigt angesehen. Wenn die Bond-Halter zugleich höhere Renditen fordern, bestärkt das die Aktienanleger - so lange, bis die Inflationsillusion offensichtlich wird und nicht länger aufrecht erhalten werden kann.

Daher kommt der Inflationsentwicklung momentan eine besondere Bedeutung zu. Entpuppt sich die Hoffnung auf eine zweite Runde von Preissteigerungen (die erste endete zu Jahresbeginn) als Fata Morgana, dürfte es am Börsenausgang eng werden. Die Antwort auf die Frage im Titel: Ich vermute, dass es in zwei, drei Monaten noch zu einer weiteren Inflationsrunde kommt. Die wichtige Frage ist, wie lange sie anhält und wie stark sie ausfällt.

Der S&P 500 setzte zuletzt auf dem wichtigen Pegel bei rund 2411 auf und schloss knapp an der EMA50. Mit den jüngsten Arbeitsmarktdaten wurde er wieder hochgekauft. Ob er die Kraft hat, jetzt neue Hochs auzubilden und zu halten, ist angesichts der technisch überkauften Lage eher zweifelhaft. Und so sollte man sich, auch angesichts der eher schwächeren erratischen Monate Ausgust und September, zunächst auf tiefere Kurse, zumindest jedoch auf zunehmende Schwankungsbreite einstellen (siehe Chart!).


Fazit

Die Akteure an den Finanzmärkten warten darauf, dass sich weitere Inflationstendenzen zeigen. Gleichzeitig sind sie verunsichert, weil auch die EZB in näherer Zukunft einen weniger expansiven Geldflut-Kurs fahren könnte. Lediglich die BoJ lässt keine Änderung ihrer geldpolitischen Linie erkennen. Die kommenden Monate sind üblicherweise erratisch, von steigenden Schwankungen in ausdünnendem Sommer-Handel sollte ausgegangen werden.

Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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