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Gold und das Stockholm-Syndrom

19.07.2017  |  Dr. Keith Weiner
Das Stockholm-Syndrom ist definiert als psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen als Überlebensstrategie eine emotionale Bindung zu ihren Entführern aufbauen. Zwar würde man normalerweise davon ausgehen, dass Geiseln die Leute hassen und fürchten, von denen sie eingesperrt und bedroht werden, aber das ist tatsächlich nicht immer der Fall.

Es besteht nun durchaus eine lose Analogie zwischen einer Geiselnahme und einem Investor innerhalb eines Währungssystems mit nicht einlösbarem Papiergeld und Nullzinspolitik. In beiden Fällen hat das Opfer wenig Hoffnung auf Entkommen und muss daher versuchen, unter diesen grausamen Bedingungen irgendwie zu überleben.

Zu den typischen Merkmalen des Stockholm-Syndroms gehören positive Gefühle gegenüber den Geiselnehmern, die Weigerung, anschließend mit Polizei und Justiz zusammenzuarbeiten, und der Glaube an die Menschlichkeit der Terroristen. Das typische Verhalten der Investoren weist geradezu unheimliche Parallelen dazu auf: der Wunsch, die eigenen Vermögenswerte zu Dollarscheinen zu machen, die Weigerung, den Goldstandard zu unterstützen, und sogar der Glaube, dass der Dollar Geld sei.

Letzterer tritt immer dann zutage, wenn jemand - selbst ein Goldbug - sagt, dass der Goldpreis steigt, dass Gold die Währung mit der besten Performance ist, oder dass Gold gute Gewinne bietet.

Die Worte "steigen", "Performance" und "Gewinn" deuten darauf hin, dass das Opfer den Dollar als Geld, als Wertmaßstab und als ultimative Abrechnungseinheit akzeptiert. Der Investor versucht Gold durch die Augen seines Geiselnehmers zu betrachten - so wie das Opfer einer Geiselnahme versucht, seine Kidnapper zu verstehen und selbst ihre geopolitische Weltsicht nachzuvollziehen.

In der Investmentbranche sind viele Opfer dem Kidnapper so hoffnungslos verfallen, dass sie selbst die Idee verspotten, mit Investitionen in ein produktives Unternehmen Zinsen zu verdienen. Sie sind stattdessen nur auf der Suche nach der neusten Spekulationsblase, aus der sie einen Profit ziehen können: mehr Dollars. Oder wenn schon nicht mehr Dollars, dann doch zumindest eine höhere Kaufkraft. Das versuchen sie auch schon seit Jahren an den Gold- und Silbermärkten.

Manche Goldbugs gehen sogar noch weiter und lehnen auch den Goldstandard ab. Vielleicht wollen sie kein stabiles, zuverlässiges Geld, sondern hoffen vielmehr darauf, dass Gold steigt - und das bedeutet, dass es einen externen Wert geben muss, im Verhältnis zu dem Gold steigen kann.

Wir haben gedankenversunken zugehört, als ein Redner seinem Publikum auf der Metals Writers Conference in Vancouver am 29. Mai erklärte, dass Bitcoin auf 1 Million $ steigen würde (tatsächlich hat der Kurs danach weiter zugelegt, aber mittlerweile liegt er 15% unter seinem damaligen Wert). Ein 436-facher Gewinn wäre schon ganz nett, aber natürlich können diese Profite nur von Spekulanten stammen, die später eingestiegen sind. Es gibt ein hässliches kleines Wort für Systeme, in denen die Gewinne von denen kommen, die später kaufen. Solche Systeme sind nach einem Gentleman benannt, der aus Italien kam und seine Idee in Boston umsetzte.

Die Schuld liegt unserer Ansicht nach aber beim Spiel, nicht beim Spieler. Es ist wichtig, das hervorzuheben, und wir tun das womöglich nicht oft und nachdrücklich genug. Unsere Kritik richtet sich nicht gegen diejenigen, die auf Preissteigerungen von Gold, Bitcoin oder jedem anderen Asset setzen, und noch nicht einmal gegen die, die Glücksspiel mit Investitionen verwechseln.

Unsere Kritik richtet sich gegen die Federal Reserve und die anderen Notenbanken, die in ihrer anmaßenden Selbstüberschätzung glauben, sie könnten uns alle durch zentrale Planung zum Wohlstand führen, und die dazu noch über die Mittel verfügen, uns ihre Ansichten aufzuzwingen, ob wir ihnen nun zustimmen oder nicht. Darüber hinaus sind die Zentralbanker offensichtlich wahnsinnig genug, um die Zinssätze seit nunmehr 36 Jahren nach unten zu drücken (auch die US-Notenbank Fed wird den Leitzins im aktuellen Zyklus nicht deutlich weiter anheben - falls sie überhaupt noch eine Zinserhöhung wagt).

Wenn die Freiheit so fern scheint, dass jede Hoffnung vergeblich ist, ist es vielleicht nur natürlich (das müssen die Psychologen entscheiden), einen Kompromiss zu suchen und sich anzupassen, um weitermachen zu können.

Wir werden jedoch weiter auf den Tag der Freiheit hinarbeiten. Dazu gehört es auch, den Menschen zu helfen, unser Währungssystem als das zu erkennen, was es ist: die Umsetzung der fünften Regel, die Karl Marx für die Errichtung eines kommunistischen Staates vorgeschlagen hat (d. h. die "Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol").

Letzte Woche schrieben wir in unserem Marktbericht:

"'Der Höhepunkt des Hypes', 'der Höhepunkt der Verzweiflung', 'alle verkaufen, kaum jemand kauft'. Wir sind keine technischen Analysten und konzentrieren uns nicht auf die Marktstimmung, aber diese Beschreibungen klingen nach der Definition einer Kapitulation. [...] Wir möchten jedoch noch etwas Wichtiges anfügen: Selbst wenn die Kurse nun im Rahmen einer Kapitulation ein langfristiges Tief erreicht haben sollten, bedeutet das nicht automatisch eine Preisexplosion auf 5.000 $ oder auch nur 2.000 $ Dollar.

Eine solche Entwicklung erwarten wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht und werden das auch erst dann tun, wenn es zu einer viel stärkeren Änderung der Fundamentaldaten kommt. Derzeit gehen wir von einer normalen Rally mit einem Aufwärtspotential bis knapp über 1.300 $ aus."


In dieser Woche haben sich die Edelmetallpreise etwas erholt, sind dabei aber innerhalb ihrer Handelsspanne geblieben. Wird sich dieser Anstieg fortsetzen? Haben sich die fundamentalen Faktoren verbessert? Wir werden nachfolgend Charts zeigen, die die fundamentale Marktlage widerspiegeln, doch zunächst noch die Kursentwicklung der letzten Monate und das Gold-Silber-Verhältnis.

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