Wie manipuliert ist der Goldpreis? Ein Blick hinter die Kulissen der COMEX
13.09.2017 | Ronan Manly
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Einige der Banken, die immer wieder in den Lieferberichten der COMEX auftauchen, zählen auch zu den Betreibern der Lagerhäuser, z. B. die HSBC, JP Morgan und Scotia. Die gleichen Kreditinstitute sind mit Sicherheit auch die großen Trader, die in den Bank Participation Reports und COT-Berichten auftauchen. Eben diese Banken dominieren darüber hinaus auch die LBMA in London und betreiben das dortige Clearing-System für Goldderivate, LPMCL.Was die Auslieferung des Goldes und die Zuteilung eines Lagerhauses betrifft, hat der Besitzer eines Kontrakts keinerlei Mitspracherecht. Die Börse weist die Erfüllung der Lieferforderung einem bestimmten Lagerhaus zu. Der Käufer hat keinen Einfluss darauf, aus welchen Tresoren und von welchem Hersteller sein Gold stammt. Er kann noch nicht einmal entscheiden, ob er einen 100-oz-Barren oder drei 1-kg-Barren erhält. Und selbst in diesem Fall bedeutet "Lieferung" nur, dass dem Inhaber der Long-Position auf seinen Namen oder den Namen seines Brokers eine elektronische Besitzurkunde ausgestellt wird.
Eine echte Lieferung zu verlangen und das Gold tatsächlich aus den New Yorker Tresoren an einen anderen Ort transportieren zu lassen, ist ein mühseliger und entmutigender zusätzlicher Schritt. Ausgestattet mit einer Kopie seines elektronischen Dokuments müsste der Besitzer das betreffende Lagerhaus direkt kontaktieren und erklären, dass er die physische Auslieferung seines Goldes wünscht. Wie die Mitarbeiter auf einen solchen Anruf reagieren würden, ist nicht klar. Ich stelle mir die Reaktion ein wenig wie in der Poststelle eines großen Unternehmens vor - ein erstauntes "Wer sind Sie? Hier kommt sonst nie jemand runter."
Danach müssten die Bedingungen des Goldtransports mit dem Betreiber des Lagerhauses gesondert verhandelt werden, bevor die Barren schließlich auf sichere und vom Lagerhaus genehmigte Weise ausgeliefert werden können.
Die COMEX: Nicht gemacht für physisches Gold
Die COMmodity EXchange, d. h. die "Rohstoff"börse, ist in Wirklichkeit ein Handelsplatz für Derivate, der nicht für den Kauf und Verkauf, die Lagerung und die Lieferung von physischem Gold ausgelegt ist. Die COMEX stellt in erster Linie eine Plattform für Spekulationen und Absicherungsgeschäfte dar. Die Möglichkeit zur Lieferung der entsprechenden Assets ist nur eine kaum in Anspruch genommene Zusatzoption.
Allem Anschein nach wird der Handel mit Goldfutures an der COMEX in diesem Jahr wieder einen neuen Rekord erreichen. Wahrscheinlich werden 2017 so viele Terminkontrakte den Besitzer wechseln, dass sie mehr Gold repräsentieren als in der gesamten Geschichte der Menschheit je gefördert wurde.
Insgesamt entspricht das Open Interest derzeit 1.500 Tonnen des gelben Metalls, doch in den Lagerhäusern der COMEX sind nur 22 Tonnen Gold als lieferbar gekennzeichnet. Auf jede Unze Gold der Kategorie "Registered" kommen also 68 potentielle Besitzer. Zudem halten einige wenige Banken eine kontinuierlich hohe Short-Position auf die Goldfutures. Die CFTC legt nicht offen, um welche Banken es sich dabei handelt.
Bislang wurde nur bei einem von 2.650 Goldfutures eine Lieferung verlangt, d. h. bei 0,038% aller Kontrakte. Die restlichen 99,962% werden mit Hilfe von Barzahlungen glattgestellt oder immer wieder verlängert. Doch selbst wenn die Auslieferung verlangt wird, handelt es sich dabei nicht um die tatsächliche Zustellung des physischen Goldes. Stattdessen erhält der Käufer lediglich ein Dokument, das seinen Anspruch auf das eingelagerte Gold verbrieft. Der Transport des Goldes aus den Tresoren der COMEX an einen anderen Ort muss zusätzlich verhandelt werden und ist keine unkomplizierte Angelegenheit.
Darüber hinaus kommt es am New Yorker Goldterminmarkt nach wie vor zu Flashcrashes, aber weder die CME Group noch die CFTC veröffentlichen je eine Erklärung zu den Ursachen dieser Ereignisse.
Physisches Gold
Sowohl am Londoner Goldmarkt als auch an der COMEX werden unbegrenzte Mengen an Goldderivaten gehandelt, die die Bullionbanken aus dem Nichts erschaffen können. Die Kluft zwischen dem unendlichen Angebot an Papiergold und der begrenzten Welt des physischen Goldes tritt immer deutlicher zu Tage. Auf der einen Seite stehen die papiernen Goldforderungen, die im Zuge des Handels erst neu geschaffen und dann mit Hilfe von Barzahlungen abgewickelt werden.
Auf der anderen Seite steht reales, physisches Gold, das separiert, eindeutig zugeordnet, und nicht mit Schulden belastet ist, und auf das der Besitzer vollen Anspruch hat. Der Besitz von Papiergold ist vergänglich. Es handelt sich dabei um spekulative Anlagen, die ein hohes Gegenpartei- und Umtauschrisiko bergen. Echtes ist Gold ist dagegen fassbar, hat einen inneren Wert, birgt kein Gegenparteirisiko und kann sicher verwahrt werden.
Wenn echtes Gold an einen Käufer geliefert wird, erhält dieser tatsächlich eine Sendung an einen Ort seiner Wahl - im Gegensatz zur COMEX, wo lediglich die elektronische Besitzurkunde aktualisiert wird. Wird physisches Gold von einem zuverlässigen Unternehmen in sicheren Tresoren verwahrt, ist es in vollem Umfang versichert, wird regelmäßig geprüft und der Besitzer behält die volle Kontrolle.
Im Gegensatz zu den Marktteilnehmern in London und New York wissen die Käufer an den asiatischen und nahöstlichen Edelmetallmärkten um den wahren Wert physischen Goldes als Geld und als Sparrücklage. An den physischen Märkten, insbesondere in Asien, verlangen die Händler Gold von hoher Reinheit (mit einem 9999er Feingehalt) in praktischen Barrengrößen wie 1 Kilogramm oder 100 Gramm - nicht die 100-oz-Barren, die traditionell für die COMEX hergestellt werden.
Anleger, die in physisches Gold investieren, wollen Goldbarren von renommierten und bekannten Herstellern, wissen aber auch das große Angebot an Barren und Spezialbarren mit verschiedenen Prägungen und in unterschiedlichen Größen zu schätzen. Die geringsten Aufpreise sind beim Kauf von Kilobarren und 100-g-Barren zu entrichten, da hier viele Hersteller miteinander konkurrieren und eine breit gefächerte, internationale Nachfrage besteht. Die meisten Kilobarren und 100-g-Barren haben zudem ihre eigene Seriennummer, die das Prüfen von Beständen erleichtert.
Während sich die COMEX also anschickt, ihren eigenen Rekord im Papiergoldhandel erneut zu brechen und 2017 Termingeschäfte im Gegenwert von mehr als 200.000 Tonnen Gold abzuwickeln, wird immer deutlicher, wie stark sich die Futuresmärkte von der realen Welt losgelöst haben. Die Flashcrashes der Goldfutures werden uns auch in Zukunft nicht erspart bleiben, solange die CME und die CFTC nichts unternehmen. Viele Anleger werden weiterhin glauben, dass die plötzlichen Kurseinbrüche mit Absicht herbeigeführt werden.
Der Kern des Problems liegt jedoch nicht in der Frage, ob bestimmte Akteure den Preis auf diese Weise vorsätzlich manipulieren, sondern in der grundlegenden Struktur der COMEX. Diese steht in einem derartigen Widerspruch zu den physischen Märkten und ist so entkoppelt von der Wirklichkeit der physischen Märkte, dass sie den idealen Nährboden für alle Versuche der Einflussnahme auf die Edelmetallpreise bietet.
© Ronan Manly
BullionStar
Der Artikel wurde am 18. Juli 2017 auf www.bullionstar.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.