Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Neuer Börsenaufschwung oder Spekulationsblase Teil II?

14.12.2003  |  Roland Leuschel
- Seite 2 -
Das Deflationsgespenst

Seit 1998 (siehe Chart) machen sich erste Zweifel an der Inflationsprognose breit. Seit die größte Spekulationsblase aller Zeiten im Frühjahr 2000 zu platzen begann, erlebte der Begriff Deflation eine ungeahnte Renaissance, zumal seit dem Platzen der Spekulationsblase in Japan im Jahre 1990 die japanische Wirtschaft mit der Deflation kämpft, bisher erfolglos. Insbesondere aus Kreisen der US Notenbank wurde das Deflationsthema in zahlreichen Reden und Arbeitspapieren aufgegriffen. Der Tenor war eindeutig: Es bestehe ein Deflationsrisiko und die Zentralbank habe die Mittel eine drohende Deflation abzuwenden.

Verfechter des Deflations-Szenarios halten die Macht der Notenbanken zu inflationieren für relativ begrenzt. Einer der prominentesten Vertreter dieser Position ist Robert R. Prechter, der bereits seit geraumer Zeit und in mehreren Büchern eine deflationäre Depression prognostiziert. Er hält eine Schuldenkontraktion für unvermeidlich, sobald die uns allen unbekannte Verschuldungsgrenze der Volkswirtschuft erreicht wird. Er argumentiert in etwa folgendermaßen: Um neue Kredite entstehen zu lassen, bedarf es williger Schuldner und williger Gläubiger. Die einen müssen bereit sein, neue Schulden aufzunehmen, während die anderen die nachgefragten Kredite zur Verfügung stellen. In wirtschaftlich schlechten Zeiten sinkt üblicherweise die Risikobereitschaft. Banken und Investoren neigen dann vermehrt dazu, Geld nur sehr restriktiv zu verleihen bzw. zu investieren. Allerdings geht auch die Kreditnachfrage in Rezessionen oder Depressionen zurück. Unternehmer neigen bei ihren Investitionen zu Vorsicht und selbst die Konsumenten tun sich aufgrund von Arbeitsplatzunsicherheit schwer, Schulden zu machen. Sparen wird plötzlich modern und Zurückhaltung bei Konsumausgaben macht sich breit, was wiederum Druck auf die Preise ausübt. Auf diese Weise kann ein sich selbst verstärkender Rückkopplungsprozess ausgelöst werden. Der Rückgang des Konsums führt zu anhaltend rezessiven Umwicklungen mit fallenden Preisen. Fallende Preise zwingen die Unternehmen zu Entlassungen und anderen kostensenkenden Maßnahmen. Dies führt zu einem weiteren Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, womit sich der Kreis schließt und eine deflationären Abwärtsspirale begonnen hat. Auch eine Zentralbank kann laut Prechter diesen Teufelskreis nicht beenden.


Das Joghurt-Geld

Es scheint auf eine rein massenpsychologische Fragestellung hinauszulaufen. Wenn große Teile der Wirtschaftssubjekte eine Depression oder gar den Zusammenbruch des Wirtschaftssystems befürchten, dann können sie darauf mit extrem sparsamem und vorsichtigem Handeln reagieren. Anstatt Geld auszugeben oder in riskante Unternehmungen zu investieren, können sie es horten. Dann steigt die Geldnachfrage, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt und die Preise fallen. Andererseits können die Wirtschaftssubjekte auch ganz anders reagieren, nämlich mit Inflationsangst. Wenn diese ihr Handeln bestimmen sollte, dann werden sie Geld meiden und reale Güter bevorzugen. Dann sinkt die Geldnachfrage, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nimmt zu und die Preise steigen.

In einer Studie vom Jahre 2001 der Föderal Reserve Bank of Dallas, deren Präsident Robert McTeer ist, wurde der bislang radikalste Beitrag zum Thema "unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen in Krisenzeiten" geliefert. Er zeugt davon, daß der Paradigmenwechsel hin zu einer extremen, aktivistischen und inflationären Geldpolitik längst und endgültig vollzogen ist. Als kühn, aber vorerst nicht praktikabel wird ein negativer Zinssatz bezeichnet, der natürlich nichts anderes ist als eine Steuer auf liquide Mittel. (Greenspan und sein Team scheinen sich in dieser Hinsicht dem Koran zu nähern, der bekanntlich Zinsen auf Kapital verbietet.) Für bei Banken gehaltene Gelder sei ein beispielhaft genannter 1%iger negativer Zins pro Monat technisch problemlos umzusetzen (Originalton McTeer)... Schwierigkeiten entstünden erst bei der Eintreibung einer solchen Steuer auf Bargeld. Irving Fisher, "einer der größten amerikanischen Ökonomen", habe aber bereits in den 30er Jahren eine Lösung präsentiert: Bargeld könne einfach mit einer Art Verfallsdatum versehen werden.

Als regelmäßiger Yoghurt-Esser bin ich mit diesem Konzept vertraut und weiß es zu schätzen. Warum sollte es in Krisenzeilen also nicht auf Papiergeld übertragen werden können, das zum Beispiel von Hubschraubern in die Stadtzentren abgeworfen wird, wenn es also dem Gemeinwohl dient. Das auf diese Weise endgültig der Illusion von Werthaltigkeit beraubte, schnell verderbliche Geld müsse in bestimmten Zeitabstunden gewissermassen abgestempelt werden, um das Verfallsdatum zu verlängern. Die Technologie für ein solches System sei mittlerweile vorhanden, in der Durchsetzung sehen die Autoren der Studie aber noch ein riesiges Problem, das sie allerdings nicht daran hindert, weiter zu analysieren, um eine mögliche Antwort auf Ereignisse, die in den nächsten 10 Jahren auftreten könnten parat zu haben.

Während ich dem inflationären Szenario eine sehr viel höhere Eintrittswahrscheinlichkeit zuordne als dem deflationären, sieht Prechter das genau umgekehrt. Allerdings hält auch er das inflationäre Endspiel zumindest für möglich. Der große Ökonom Ludwig van Miscs schien übrigens davon auszugehen, dass es keine natürliche Grenze der Kreditschöpfung gibt, auf die zwingend Deflation folgen muss. In seinem monumentalen Werk "Human Action" beschreibt er das inflationäre Endspiel folgendermassen: "Wenn die Kreditausweitung nicht rechtzeitig beendet wird, dann geht der Aufschwung in eine Katastrophenhausse über: die Flucht in reale Werte beginnt und das gesamte Währungssystem geht unter."

Beide Szenarien teilen eine bedeutende Gemeinsamkeit. Sowohl die Schuldendeflation als auch die Katastrophenhausse der Hyperinflation führen letztendlich zu einer Reduzierung der Schuldenlast. Der deflationäre Weg erreicht diesen Endpunkt, indem Schulden teilweise zurückgezahlt und teilweise als uneinbringbar abgeschrieben werden. Der inflationäre Weg hingegen ermöglicht eine Begleichung bestehender Schulden, einschließlich der gigantischen Verpflichtungen unseres gesamten Pensionssystems, mit mehr oder weniger wertlosem Geld. Im Verlauf dieses groß angelegten Betrugs der Gläubiger kommt die Kreditvergabe natürlich mehr oder weniger zum Stillstand.

Weitreichende Reformen bis hin zu einer kompletten Währungsreform werden notwendig, um das verspielte Vertrauen wieder herzustellen und die Voraussetzung für einen tragfähigen Neubeginn zu schaffen. Eine aus Anlegersicht wichtige Gemeinsamkeit scheint übrigens am Ende beider Szenarien zu stehen, allerdings ausdrücklich erst am Ende. Die Finanzmarkthistorik zeigt uns in der Endphase beider Episoden jeweils deutlich unterbewertete Aktienmärkte. Die Kunst besteht für den Anleger offensichtlich darin, sein Vermögen möglichst unbeschadet durch derlei schwierige Zeiten zu lavieren, um die sich später bietenden außerordentlich lukrativen Chancen wahrnehmen zu können. Meiner Meinung nach wird Gold als Wertaufbewahrungsmittel beiden fällen gerecht.


Contrarians oder die Lachse unter den Fischen

Oft bin ich einsam. Als praktizierender "Contrarian" erlebe ich diese Situation immer wieder und habe gelernt, damit umzugehen. "Contrarians" nennt man an der Börse Analysten oder Marktteilnehmer, die sich durch eine relativ seltene Eigenschaft von der großen Mehrheit unterscheiden. Sie sind willens und charakterlich in der Lage, sich gegen eine allgemein akzeptierte Meinung zu stellen. Sie wählen regelmäßig nicht den Weg des geringsten Widerstandes, sondern werden immer wieder dabei beobachtet, unter manchmal großer Kraftanstrengung gegen den Strom zu schwimmen. Freunde machen sie sich mit dieser Vorgehensweise eher selten. Sie begeben sich regelmäßig in eine exponierte Lage, ernten Spott, wenn sie irren. Zorn und Neid, wenn sie mit ihrer Außenseiterposition Recht behalten.

Contrarians müssen leidensfähig sein. Es darf sie nicht berühren, wenn sie ausgelacht werden. Besonders schwierig wird ihre Situation, wenn sie davon überzeugt sind, in der Sache Recht zu haben, aber mit dem Timing falsch liegen. Manchmal können Ungleichgewichte und dauerhaft offensichtlich nicht tragfähige Entwicklungen länger anhalten und sehr viel weiter laufen, als gedacht. Dann braucht der Contrarian Geduld und liefe Tuschen, oder Geduld und Disziplin, um nach einem klein gehaltenen Verlust immer wieder seinen Einstieg in einen Markt zu wagen. Eher selten gelingt es einem Contrarian schon beim ersten Versuch eine Trendwende einzufangen. Etwas Glück gehört natürlich auch dazu.

Mitmachen, mitlaufen, miterleben, das sind die typischen Eigenschaften erfolgreicher Karrieristen in allen großen, hierarchischen Organisation. Kritische Köpfe sprechen in diesem Zusammenhang von Mitläufern und Opportunisten. Überall wo Komitees Entscheidungen zu treffen haben, werden mehrheitsfähige und nur scheinbar risikolose Optionen und Führungskräfte gewählt. Erfolgreiche Politiker, Bürokraten und Manager zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, mit fast schlafwandlerischer Sicherheit die jeweils mehrheitsfähige Position zu vertreten. Erfolgreiche Investoren, Spekulanten und natürlich auch Unternehmer sind hingegen selten Mitläufer, sondern weitsichtige Trendsetter und "Contrarians".

Für die anderen Investoren sind Anlagen in Aktien langfristig ein "Null-Summenspiel". bei dem es nur einen großen Gewinner gibt: Die Investmentbanken und die Broker. Sie verdienen sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Kursen und empfehlen ihren Kunden stereotyp "buy on the dips" und "trend is your friend". Ich werde in Deutschland in den Medien immer als Crash-Prophet apostrophiert. Ich bekenne mich dazu, denn ich bin Aktien-Optimist und habe immer eine Auswahl von Lieblingsaktien auf meiner Kaufliste stehen, die ich immer nach einem Crash kaufe. Und die Erfahrung hat zum Beispiel gezeigt, daß es allein in Deutschland nach dem Kriege 14 zum Teil deftige Aktiencrashs gegeben hat. Für diese Strategie braucht der Anleger aber eine Eigenschaft, die zugegebenermassen nicht oft vorkommt: Geduld.


Konsequenzen für den Anleger

Die logischen Anlagevorschläge für einen mittel- und langfristig denkenden, verantwortungsbewussten Anleger, der in den kommenden 10 bis 15 Jahren seine Kapitalerhaltung und einen jährlichen Ertrag von 4 bis 6% anstrebt, empfehle ich folgende Strategie:

  • A. Gold
    Gold sollte ein Basisinvestment sein, wobei es dabei mehrere Anlageformen gibt. Ich würde mindestens 10 bis 15% des Vermögens in diesem Bereich anlegen.

  • B. Rohstoffe
    Der gesamte Rohstoffsektor steht ebenso wie Gold am Beginn einer langfristigen Aufwärtsbewegung, und ich würde in diesem Sektor ebenfalls 10 bis 15% anlegen. Besonders geeignet erscheinen mir Zertifikate, aber auch Rohstoffaktien sollten Berücksichtigung finden.

  • C. Aktien
    EEntgegen anderslautenden Gerüchten sind Aktien kein guter Inflationsschutz. Vergessen wir nicht, dass in den 70er Jahren Aktien real betrachtet rund 75% ihres Wertes verloren haben. Wer aber auch in Zeiten eines sekulären Abwärtstrends mit Aktien Geld verdienen möchte, der braucht eine äußerst flexible Strategie. Er muss seine Lieblingsaktien nur nach Kurseinbrüchen kaufen und nach einigen Monaten wieder aussteigen, und zum Beispiel mit 15% Gewinn zufrieden sein. Einfach und bequem ist diese Methode nicht, sie setzt Disziplin und Geduld voraus und ist mit sehr viel mehr Arbeit verbunden als die üblicherweise empfohlene "buy and hold" Strategie. Eine Ausnahme scheint mir dennoch opportun: Asiatische Aktien. Da in 7 bis 8 Jahren China zur größten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen sein wird und der gesamte asiatische Erdteil einem Aufschwung entgegen geht, sollte man einen Großteil des Aktienengagements in diesen Teil der Welt legen. Dort ist eine "buy and hold" Strategie durchaus zu empfehlen, aber auch hier gilt, sie nur nach einer kräftigen Kurskorrektur zu kaufen. Zertifikate oder Investmentfonds erscheinen hier besonders angebracht, da es nach wie vor für den europäischen Anleger schwierig ist, einzelne Aktien zu studieren und zu verfolgen. Aus Erfahrung würde ich die 30%-Grenze hier nicht überschreiten.

  • D. Festverzinsliche Wertpapiere
    Anleihen erhielten in den inflationären 1970er Jahren den Beinamen "Certificates of Confiseation" (Enteignungszertifikate). Der Sparer ist der große Verlierer in der lnflation bzw. der Stagflation. Heutzutage gibt es allerdings eine Anleihegattung, die einen Inflationsschutz eingebaut hat. Die bekanntesten davon sind die sogenannten TIPS (Treasury Inflation Protected Securities). Es gibt auch hier mittlerweile Investmentfonds, die sich auf die noch relativ unbekannte Anleihegattung spezialisiert haben. Ich würde in diesen Bereich 10 bis 15% investieren.

  • E. Immobilien
    Der US-Immobilienmarkt, aber auch einige europäische Teilmärkte (Großbritannien, Spanien) sind deutlich überbewertet und viele Experten sprechen sogar von einer Spekulationsblase. Ich halte diese Märkte für unattraktiv und erst nach deftiger Preiskorrektur kaufenswert. Diese Einschätzung soll natürlich niemand davon abhalten, seinen Traum von den eigenen 4 Wänden zu verwirklichen.

  • F. Cash
    Jedes Vermögen sollte zu jedem Zeitpunkt zu 10 bis 15% liquide sein, um überraschende Forderungen begleichen oder sich bietende Gelegenheiten der Anlage in den oben genannten Bereichen nutzen zu können.


  • Ein bekannter amerikanischer Banker Baruch empfahl bei der Anlage vorher zu entscheiden, ob man gut schlafen oder gut essen und trinken möchte. Wenn Sie Ihre Anlagen geschickt streuen, können Sie beides erreichen.


    © Roland Leuschel

    Quelle: Referat von Roland Leuschel anlässlich des "2. Goldbrief-Seminars" am 11/2003 in München
    (Teile dieses Vortrags sind aus dem Buch "Das Greenspan Dossier" - Wie die US-Notenbank das Weltwährungssytem gefährdet, von Roland Leuschel und Claus Vogt




    Bewerten 
    A A A
    PDF Versenden Drucken

    Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




    Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
    Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

    "Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"