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Greg Weldon: "An den Aktienmärkten ist die Uhr fast abgelaufen"

27.10.2017  |  Mike Gleason
Mike Gleason: Zu unserem heutigen Interview darf ich Greg Weldon, den Geschäftsführer von Weldon Financial, willkommen heißen. Greg ist seit mehr als drei Jahrzehnten im Bereich Marktforschung und Trading tätig, wobei er sich auf die Metall- und Rohstoffmärkte spezialisiert hat. Darüber hinaus ist er der Autor des Buchs "Gold Trading Bootcamp", in dem er den Crash des US-Kreditmarktes vorhersagte und den Anlegern zum Kauf von Gold riet, als das Edelmetall noch 550 $ je Unze kostete. Greg ist ein gefragter Redner auf Investmentkonferenzen rund um die Welt und regelmäßiger Gast in zahlreichen Finanzsendungen.

Greg, wir freuen uns, Sie heute erneut bei uns begrüßen zu dürfen. Wie geht es Ihnen?


Greg Weldon: Großartig, Michael, danke.


Mike Gleason: Als Sie Mitte August zuletzt bei uns zu Gast waren, waren Sie in Bezug auf den Goldpreis optimistisch. Kurz danach kam es zu einer ansehnlichen Rally und der Kurs erreichte ein neues Jahreshoch. Doch Anfang September wurde der Anstieg bei 1.350 $ ausgebremst und derzeit handelt Gold wieder bei weniger als 1.300 $. Auch im letzten Sommer traf der Goldkurs bei einem ähnlichen Niveau bereits auf einen Widerstand. Wie schätzen Sie die Aussichten aktuell ein? Welche Faktoren könnten dazu führen, dass Gold den Widerstand in den kommenden Monaten durchbricht - falls Sie das überhaupt für möglich halten?

Greg Weldon: Nun, es ist genau wie Sie sagen. Nach unserem letzten Gespräch ging es wie erwartet aufwärts. Das passte auch zum Gesamtbild und zur technischen Lage, die noch immer auf eine bullische Auflösung hindeutet. Doch dann stieg der Goldkurs in die Nähe des Hochs vom letzten Sommer, welches bei etwa 1.375 - 1.377 $ lag. Dieses Mal erreichte er etwa 1.360 $, bevor die Rally ihren Schwung verlor.

Grund für die veränderte Situation war zum einen der Dollar und zum anderen die US-Notenbank Fed. Es kam also zu einer Korrektur, bei der ein Tief von 1.260 $ verzeichnet wurde. Damit sank der Kurs in die Nähe des 200-tägigen gleitenden Durchschnitts und lag nur knapp unter dem 38-%-Fibonacci-Retracement der Aufwärtsbewegung seit Ende 2016, die bei 1.123 $ startete. Auf diesem Niveau fand der Kurs also eine echte, starke Unterstützung. Strukturell betrachtet stellt sich die aktuelle Situation also so dar, wie man es erwarten würde.

Der Goldpreis könnte nun wieder bis in den Bereich von 1.300 $ steigen und dort erneut nachgeben. Der Dollar macht noch immer einen recht starken Eindruck, und Gold wird zudem auf die Zinserwartungen reagieren, wenn weitere mögliche Erhöhungen vom Markt eingepreist werden. Diese potentiellen Zinsanhebungen lassen die Renditen der 5- und 2-jährigen US-Staatsanleihen steigen. Letztere weist im Verhältnis zur 2-jährigen Bundesanleihe schon jetzt Rekordrendite auf.

Das unterstützt den Dollarkurs und stellt ein gewissen Abwärtsrisiko für Gold dar. Die jüngste Rally des Goldkurses könnte eine B-Welle gewesen sein, d. h. möglicherweise wird eine C-Welle folgen, die den Kurs bis auf 1.240 $ sinken lässt. Das wäre dann aber vorerst das ultimative Tief. Doch ganz gleich, ob das geschieht oder nicht, langfristig schätzen wir die Entwicklung des Goldpreises immer noch positiv ein.


Mike Gleason: Alles in allem war es kein schlechtes Jahr für die Edelmetalle. Gold hat bislang ca. 11% zugelegt, Silber etwa die Hälfte. Doch natürlich löst das bei den Anlegern kaum Begeisterung aus. Es scheint, als würden wir jedes Mal wieder einen Schritt zurückgehen, sobald es einmal zwei Schritte vorwärts ging. Am physischen Goldmarkt ist die Stimmung verhalten. Eine ganze Reihe verschiedener Einflüsse trägt womöglich dazu bei, dass die Edelmetallmärkte in diesem Trott gefangen sind. Ein wichtiger Faktor sind unserer Einschätzung nach die Aktienkurse, die ununterbrochen höher steigen.

Entweder sind die Investoren mittlerweile völlig gleichgültig gegenüber den Risiken, oder es gibt gar nicht so viele Risiken, wie wir glauben. Wenn es nicht zu einem plötzlichen Anstieg der Inflationserwartungen kommt, die sowohl die Edelmetall- als auch die Aktienkurse nach oben treiben, glauben wir jedenfalls nicht, dass Gold und Silber nach oben ausbrechen können, solange die Anleger angesichts der Bewertungen an den Aktienmärkten nicht nervös werden und beginnen, über Investitionen in Safe-Haven-Assets nachzudenken.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage am Aktienmarkt und dessen Einfluss auf den Edelmetallsektor, Greg? Welches Niveau werden die Aktienkurse Ihrer Ansicht nach kurzfristig erreichen?


Greg Weldon: Perfekte Frage - tatsächlich haben wir uns in unserer täglichen Marktanalyse gestern auf genau dieses Thema konzentriert. Gegenüber dem Aktienindex S&P 500 notiert Gold derzeit auf einem Tief, aber noch handelt es sich nicht um extreme Werte. Sollte das Verhältnis jedoch weiterhin deutlich absinken, wäre Gold im Vergleich zum Aktienmarkt so günstig wie schon seit vielen Jahren nicht mehr, und das würde den Aufwärtstrend aus technischer Sicht in Frage stellen. Allerdings bin ich nicht überzeugt, dass die technische Perspektive in diesem Fall die richtige ist, denn ich denke, dass die Uhr anr den Aktienmarkt fast abgelaufen ist.

Die Fed hat genau das getan, was sie wollte. Sie hat die Markteilnehmer dazu gebracht, sicheren Anlagen den Rücken zu kehren und stattdessen in riskante Assets zu investieren. Das war der eigentliche Zweck der quantitativen Lockerungen und der Plan ist aufgegangen. Die Aktienkurse sind wieder gestiegen. Außerdem hat diese Strategie die enorme, historische Erhöhung der Privatverschuldung begünstigt.

Während 2006 und 2007 der Immobilienmarkt als Kreditsicherheit herhalten musste, sind es heute Unternehmensaktien wie die von Google, Amazon und Facebook. Die Nachfrage nach diesen Aktien wird durch Kredite erzeugt, aber mittlerweile ist eine Verlangsamung des Schuldenwachstums festzustellen. Die Kreditlast der privaten Haushalte ist langfristig nicht tragbar, und darin besteht das größte Risiko für den Aktienmarkt. Die größte Gefahr geht heute von den Konsumenten aus.

Wenn Sie sich die Verkaufszahlen des Einzelhandels anschauen, dann ist das - abgesehen von Autos und Benzin - ziemlich ernüchternd. Sogar das Wachstum im Bereich der Gastronomie und Lebensmittelwirtschaft verlangsamt sich. Dieser Sektor ist eine Schlüsselkomponente der privaten Konsumausgaben, der wichtige Hinweise auf die Gesamtlage gibt. Gegenüber dem S&P 500 brechen die Verbraucherausgaben ein. In meinen Augen ist das ein eindeutiges Warnzeichen.


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