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Greg Weldon: "An den Aktienmärkten ist die Uhr fast abgelaufen"

27.10.2017  |  Mike Gleason
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Die Erwartungen bezüglich des Wirtschaftswachstums basieren auf politischen Plänen, an denen noch nicht einmal ernsthaft gearbeitet wird, geschweige denn, dass sie beschlossen und auch umgesetzt würden. Die Diskrepanz zwischen den hohen Erwartungen und den sinkenden Erträgen sowie dem rückläufigen Handelsvolumen beunruhigt mich. Meiner Ansicht nach sind die Risiken am Aktienmarkt sehr hoch. Das ist auch einer der Gründe, warum wir Gold mögen. Sollte es zu einer Korrektur an den Aktienmärkten kommen, hätte das wahrscheinlich auch zur Folge, dass die Fed auf die ein oder andere Zinserhöhung verzichtet und das würde wiederum die Rally des Dollars beenden.


Mike Gleason: Wir sehen die Kursrekorde an der Börse und fragen uns, was hinter diesen außergewöhnlich hohen Bewertungen steckt. Wenn das Kurs-Gewinn-Verhältnis in der Vergangenheit vergleichbare Werte angenommen hat, war das ein Signal für ein bevorstehendes Markt-Top. Zwischen damals und heute besteht allerdings ein gravierender Unterschied: Heute sind die Märkte von Hochfrequenzhandel und Trading-Algorithmen geprägt. Letztere haben einen enormen Anteil am täglichen Handelsvolumen. Dadurch ändern sich die Spielregeln.

Diese Programme nehmen Risiken im Gegensatz zu menschlichen Tradern nicht auf einer emotionalen Ebene wahr und sie reagieren ganz anders auf geopolitische Ereignisse. Wenn es also den Anschein hat, die Märkte wären heutzutage von der Realität entkoppelt, dann vielleicht, weil das auch tatsächlich der Fall ist.

Sie selbst handeln bereits seit Jahrzehnten an diesen Märkten und konnten genau mitverfolgen, wie sie sich in den letzten Jahren gewandelt haben. Wie stehen Sie zu Hochfrequenzhandel und Trading-Algorithmen und welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Wahrscheinlichkeit, dass das aktuelle Kursniveau am Aktienmarkt gehalten oder sogar weiter erhöht werden kann?


Greg Weldon: Das ist eine äußerst interessante und vor allem aktuelle Frage. Ich muss dabei sofort an 1987 denken. Wir sagen nicht voraus, dass der Markt crashen wird. Offensichtlich gibt es heute im Vergleich zu damals zahlreiche Unterschiede. Aber wenn Sie den Hochfrequenzhandel ansprechen, denke ich an die damaligen Portfolioabsicherungsstrategien, die als Katalysator wirkten, der letztlich die wasserfallartigen Kursverluste auslöste. Hochfrequenzhandel ist im Grunde wie Portfolioabsicherung auf Steroiden.

Wir arbeiten gerade an einem Spezialreport, in dem wir eine Reihe verblüffender Parallelen aufzeigen, z. B. in Bezug auf die Entwicklung des Dollars, der Anleihen, des Goldkurses, der Aktien und einiger Verhältnisse bis hin zum Ölpreis. Wir gehen auch auf die Geldpolitik der Fed und den Verbraucherpreisindex ein. Nach dem Abschluss des Plaza-Abkommens 1985 sank der Wert des Dollars bis 1987 deutlich. Wie gesagt, es gibt interessante Parallelen, die wir in unserem Bericht erörtern. Wir stellen ihn auch gern Ihren Lesern und Zuhörern zur Verfügung, wenn sie mir eine E-Mail schreiben.

Was nun den Katalysator betrifft, der eine Kettenreaktion auslösen könnte: Ich denke, dass die Märkte bereits voller Landminen sind, die nur darauf warten, dass jemand darauf tritt. Nehmen wir z. B. die Aktien von Amazon und Google. Diese werden zu 1.000 $ je Aktie gehandelt. Sie brauchen 1.000 $, nur um eine einzige Aktie zu kaufen! Kein Wunder, dass das Handelsvolumen in den letzten Jahren abgenommen hat, als die Kurse immer weiter stiegen. Mittlerweile sind extrem viele Anleger in diese Aktien investiert, meist im Rahmen von passiven oder aktiv verwalteten Fonds, aber das spielt keine Rolle.

Wer Anteile an diesen Unternehmen halten will, besitzt sie bereits. Das Kursniveau ist heute so hoch und zum Kauf eines Aktienpakets ist so viel Anlagekapital nötig, dass wir uns angesichts des geringen Handelsvolumens in einer Situation befinden, in der ein Flashcrash die Lage kippen lassen könnte. Es ist beängstigend, dass schon ein geringer Kursrückgang in einen enormen Crash münden könnte.

Ich denke dennoch, dass ein solches Szenario nicht über Nacht eintreten, sondern sich über eine gewisse Zeit hinweg entwickeln würde. Die Fed würde wohl ebenfalls versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Ich will also nicht sagen, dass die Situation identisch ist mit 1987. Es gibt auch viele Unterschiede. Aber die Risiken sind definitiv vorhanden, daran kann kein Zweifel bestehen. Und sie nehmen zu.


Mike Gleason: Apropos Fed, was denken Sie, wer Janet Yellen als Vorsitzende der US-Notenbank ablösen könnte? Und was könnte der- oder diejenige tun, um die erwünschte Inflation herbeizuführen? Was halten Sie im Allgemeinen von der Fed und ihrer Geldpolitik, die ja offensichtlich das Lieblingsthema aller Marktbeobachter ist?

Greg Weldon: Nun, die Fed hat sich ja ziemlich klar ausgedrückt. Wenn die aktuelle Politik beibehalten werden soll, wäre Jerome Powell eine logische Wahl. Würde Trump dagegen jemanden wie John Taylor ernennen, den Erfinder der Taylor-Regel zur Festlegung des Leitzinses, würde das auf eine deutliche Straffung der Geldpolitik hindeuten. Trump und Taylor würden vielleicht sogar gut miteinander auskommen und wahrscheinlich gibt es viel, was der Präsident von ihm lernen könnte.

Ich denke allerdings nicht, dass Trump sich für ihn entscheiden wird, denn er braucht jemanden, der seine Wachstumsagenda finanziert. Powell wäre eine logische Option und damit würde Trump natürlich Schlagzeilen machen, was er ja liebt. Im Grunde genommen gäbe es in diesem Fall eine Veränderung an der Spitze der Fed, aber der Status Quo bliebe bestehen. Eine andere Möglichkeit wäre Kevin Warsh. Er war von den quantitativen Lockerungen nicht so überzeugt und tendierte eher dazu, allein die Zinssätze anzupassen. Er ist gewissermaßen ein interessanter Geheimfavorit, ebenso wie Yellen selbst.

Die große Frage ist jedoch, wie die Fed mit ihrem Inflationsproblem umgehen soll, wenn sie sich selbst nicht sicher ist, wodurch Inflation entsteht. Wir hören immer wieder von "vorübergehenden" und "eigenwilligen" Entwicklungen. Janet Yellen und ein weiterer Notenbanker haben sogar schon angedeutet, dass sie nicht verstehen, warum die angestrebte Inflation ausbleibt.

Im Grunde genommen hofft die Fed, dass sich das Lohnniveau mit sinkender Arbeitslosigkeit erhöht, dass die Inflationsrate zunimmt, und dass dadurch auch das allgemeine Preisniveau steigt. Die Frage ist, ob die natürliche Arbeitslosenrate vielleicht niedriger ist, als wir bisher angenommen haben. Oder ob es technologisch bedingte, strukturelle Verschiebungen gibt, die den Arbeitsmarkt unterhöhlt haben. Schließlich liegt die Erwerbsquote noch immer auf einem historisch niedrigen Niveau, auch wenn sie zuletzt etwas gestiegen ist. Was verhindert eine höhere Inflation?


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