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Die Herausforderung unserer Tage

14.11.2017  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Nach 1980 begann die BIP-Wachstumsrate allmählich nachzulassen, stärker dann seit der Jahrtausendwende und nochmals beschleunigt seit 2008. Damit wird der zu verteilende Kuchen zwar absolut noch größer, aber der Zuwachs sinkt und damit wird der Kampf um dessen Verteilung härter. Auch das erklärt von der Seite der "oberen Zehntausend" her, dass politische Strömungen Unterstützung bekommen, die in der Lage sind, die eklatante Ungleichverteilung zu "managen". Dabei ist die Wahl der Mittel zweitrangig - sie reichen von Demagogie und Lüge über die Spaltung der Bevölkerung bis hin zur offenen Unterdrückung.

Auf der übergeordneten volkswirtschaftlichen Ebene, also weg von der Ungleichmäßigkeit der Verteilung zwischen einzelnen Schichten innerhalb der Bevölkerung, geht es um die Verteilung des nationalen Einkommens zwischen Arbeit und Kapital. Diese war bis etwa 1970 für jedes Land recht konstant. In den USA entfielen etwa zwei Drittel auf die Arbeit und ein Drittel auf das Kapital, in Großbritannien kam das Verhältnis auf drei Viertel zu einem Viertel.

Und so entwickelten sich volkswirtschaftliche Theorien, die diese Konstanz zum Glaubenssatz erhoben. Als Beispiel sei die Produktionsfunktion von Cobb-Douglas genannt. Nach 1970 änderte sich das aber, der Anteil der Arbeit ist seitdem in vielen, wenn nicht in allen industrialisierten Ländern deutlich gesunken, wie der nachfolgende Chart (Quelle: https://www.arpinvestments.com/arl/the-lost-decade) zeigt.

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Es liegt die Annahme nahe, dass dabei das Ende des Bretton Woods Systems eine wichtige Rolle spielte. Das machte den Weg frei in Richtung freie Wechselkurse und freien Kapitalverkehr und leitete so die Globalisierung heutiger Prägung ein. Dies hat dazu geführt, dass die Finanzindustrie an Bedeutung gewonnen hat. Der Anteil ihrer Gewinne am BIP hat sich seit 1969 um 176% verbessert, während der Anteil der Gewinne der nicht-Finanz-Unternehmen nur um 19% angestiegen ist. Einen besonderen Schub hat diese Entwicklung mit der finanziellen Deregulierung im Jahr 1999 bekommen. Umgekehrt ist der Anteil der Löhne und Gehälter am BIP im gleichen Zeitraum von 50% auf 43% zurückgegangen.

Hinsichtlich der Frage, wie sich die Verhältnisse weiter entwickeln, ist von großer Bedeutung, ob diejenigen recht haben, die davon ausgehen, dass die Verteilung des Nationaleinkommens zwischen den beiden Produktionsfaktoren langfristig konstant ist. Wenn dem so wäre, müsste letztlich auch das Verhältnis zwischen dem Vermögen, bzw. dem Kapital einer Volkswirtschaft und dem BIP langfristig konstant sein (siehe https://www.arpinvestments.com/arl/the-lost-decade). Dieses liegt für die USA bei 3,75, in Europa bei weniger kapitaleffizienten rund 4,7 - mit den entsprechenden Einheiten Kapital kann eine Einheit "Output" erzeugt werden.

Aktuell liegt der entsprechende Wert für die USA jedoch bei etwa 5, was auf deutlich verschlechterte Produktivität (Kapitaleffizienz) hindeutet (siehe https://www.arpinvestments.com/arl/the-lost-decade). Wenn es diese Rückkehr zum Mittelwert (USA bei 3,75) tatsächlich gibt, müsste entweder der private Wohlstand deutlich abnehmen oder das BIP über einen längeren Zeitraum deutlich langsamer wachsen. Mir erschiene unter dieser Annahme die zweite Variante wahrscheinlicher, was bedeutet, dass Finanz-Assets sich dann eine längere Zeit seitwärts bewegen würden (zur Frage langfristig sinkender Produktivität und nachlassendem Wachstum siehe z.B. hier!).

Die Frage ist, ob es diese Rückkehr der Verteilung des Nationaleinkommens, bzw. des Vermögens zwischen den Produktionsfaktoren zu einem für jedes Land spezifischen langfristig konstanten Mittelwert tatsächlich gibt. Zur Erklärung hierfür wird z.B. auf positive und abnehmende Grenzerträge beim Einsatz von Kapital und Arbeit, auf die Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren oder auch auf die Annahme verwiesen, dass der technische Fortschritt Kapital und Arbeit in gleichem Maße vermehrt (einspart). Jeweilige rechtliche, soziale und historische Besonderheiten sollen dabei die nationalen Niveau-Unterschiede bestimmen.

Eine Diskussion dieser Argumente sprengt den hier gesetzten Rahmen, aber mir erscheint die angenommene Rückkehr zu einem langfristigen Mittelwert (einer Art neo-klassischem Gleichgewicht) nicht schlüssig. Aber selbst wenn man daran glaubt, ergäbe sich daraus bestenfalls eine langfristig seitwärts gerichtete Entwicklung des (extrem ungleichmäßig verteilten) Vermögens.

Damit hängt die weitere Entwicklung in der Verteilung von Vermögen und Einkommen wesentlich mit der Frage der politischen, bzw. wirtschaftlichen Macht zusammen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Trend langfristig sinkender Wachstumsraten ungebrochen ist und folglich der jedes Jahr neu zu verteilende Kuchen immer kleiner wird.

Historische Parallelen, insbesondere das Beispiel der 1920er Jahre, verheißen dabei nichts Gutes und legen nahe, dass das "soziale Klima" im Verteilungskampf immer rauer wird und demokratische Werte und Institutionen (zumeist unter dem Vorwand der Terrorgefahr) weiter "geschleift" werden. Was für die Gesellschaft insgesamt gilt, dürfte auch für den Verteilungskampf zwischen bestimmten Gruppen von Vermögensbesitzern gelten - er wird härter.

Ein besonderes Risiko ergibt sich dabei aus der nach 2008 bis zum Bersten weiter aufgepumpten Bond-Blase. Wenn diese platzt: Werden die Zentralbanken eine Rettung der in Schieflage geratenen Player an den Finanzmärkten und ganzen Staaten hinbekommen, resp. im gegebenen Rahmen politisch durchsetzen können, wie seinerzeit im Nachgang zu 2008 bei den "too big too fail"-Institutionen? Oder?

Erwähnte Charts, weiterführende Verweise und Quellenangaben können hier eingesehen werden.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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